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Launigter Anhang
Wie ich tausend gute Menschen vom Tode auferwecke
Ich erinnere mich, daß ich als ich noch sieben Pfund wog und erst ein Paar Wochen auf mir hatte, gar nicht daran dachte, mich nach einem Schreibepult umzuthun und darauf ein Buch zu schreiben und vor der Welt im Drucke nach Vermögen zu lachen: ich lachte damals nicht einmal auf meinem Gesichte oder für mich selbst. Allein, da meine Kenntnisse und meine Glieder sich weiter ausdehnten: so konnt' ich mir gar bald denken, daß ich ein ordentliches und vortrefliches Buch gebären müste, weil man damit dem Publikum einen wahren Gefallen erweiset. Ist es inzwischen daran genug und der ein rechtschaffener glänzender Autor, der nicht auch zuweilen selbst etwas drucket? In einer gewöhnlichen Sekunde kann man mich verstehen.
Es erbarmet mich nämlich unsäglich, wenn Romanenschreiber ihre frömsten Helden so todmachen und ich fragte oft meine vertrautesten Freunde, wie können getaufte Christen so sein? Allein, ich lass' es bei einer blos gewünschten Hülfe selten bewenden, sondern ich bin mit wirklicher da, weil mir nun einmal der Himmel Vermögen und Willen dazu schenkt. Ich nehme daher, wenn ich mit dem Buche zu Ende und da bin, wo der Romanen- oder Tragödienschreiber die herrlichsten Menschen aus Eilfertigkeit oder wahrer Rührung mit der Feder niedersticht, sogleich ohne ein Wort weiter zu sagen oder unthätig darüber zu heulen und die Hände zu ringen, mit den leztern ruhig meine Handpresse hervor, und drucke mit derselben einige oder mehrere Bögen in fortlaufender Seitenzahl an das Buch hinan: auf diesen posthumischen Bögen zwinge ich sie unvermuthet wieder aufzuleben und lasse deswegen Doktor und Apotheker gar nicht aus dem Hause. Auf diese Art und durch die besten Sanitätsanstalten bring' ich (wie man lebendige Beispiele davon herumgehen sieht) aufgeklärte und iunge Menschen wieder zum Leben, die nachher der Welt noch viel Nutzen schaffen. So rieb und badete ich den armen eingefrornen Siegwart so lange bis er seine natürliche Wärme bekam und ordentlich mit mir, wie ein Gesunder reden konnte: nun ist der ehrliche Schlag so gesund, wie ein Hecht im Wasser, sizt bei mir zu Miethe, zeugt seine iährlichen Kinder, will sogar seine eigne Lebensgeschichte fortsetzen und die seines Biographen anfangen und kann (nach Druck und Lettern zu urtheilen) noch ein paar Jahr länger leben als Methusalem. Soviel ist aber richtig, daß ich von der Prämie, die sonst auf jeder Belebung eines Erfrornen steht, noch bis auf diesen Abend keinen Heller gesehen, noch weniger überkommen habe, und nun hab' ich Lust, sie auszuschlagen wo nicht zu verschenken. Es müssen noch Personen, die H. Schiller mit seiner Feder wie mit einem Froschschnepper todgespießet hatte, am Leben sein und es sich, wenn ihnen dieses Buch zu Gesichte kömmt, vielleicht nicht ohne Vergnügen erinnern, daß ich weder scharfe Lettern noch gute Druckschwärze gespart und ganze Abende am Schriftkasten gestanden, um ihnen wieder zu dem Leben zu helfen, das sie iezt im sechsten Akte, den ich angedrukt, so sehr gemessen.
Mit Freuden hätt' ich den armen Iean Calas, der in Voltairens Abhandlung über die Toleranz tod vorkömmt, wieder belebt, wenn ich wäre im Stand gewesen, kleine Zizero Antiqua aufzutreiben: aber hat ein Parlement nicht mehr Geld (und vielleicht noch einmal so viel) als ich und könnt' es nicht dafür einen Zentner kleine Zizero Antiqua gießen lassen, um dem guten Calas in einem guten Style hinter Voltairens Abhandlung das Leben zuzustellen, das ihm lieber sein würde als iede andere Rehabilitazion?
Ich brauch' es nicht zu rechtfertigen, daß ich einen und den andern schlechten Kerl, den oft ein französischer Roman mit ägyptischen Fleischtöpfen und Wonnemonaten beschenkte, durch ein wenig Oel und Ruß vergiftete; ich kann es gestehen, daß ich auf dem leeren Blatte, das der Buchbinder dem Ende des Buches ankleistert, vor kurzen einen Finanzpachter mit der Druckerahle erstochen und den französischen Minister Terrai unter meiner Handpresse mitten auf seinem Landgute todgequetscht. – Denn das ist eben eine Folge der obern Gerichtsbarkeit über Hals und Hand, die ich durch meine Handpresse exerzire.
Für Tragödien- und Romanenschreiber kann nichts wichtiger sein als daß – wenn in ihren Werken Helden und Heldinen der besten Art hinfallen wie Fliegen, an epidemischen Krankheiten, an chronischen, an Selbstermordungen, wenn sie schon 3 Tage im Grabe gelegen, wenn sie schon auf dem Rabenstein, unter dem Galgen sind, wenn sie gar nicht mehr ganz, sondern aus Folio in den kleinsten Format gebrochen sind, – das alles gar nichts thut, so lange ich selbst noch am Leben bin, und es für meine Pflicht ansehe, mit mir und mit meiner belebenden Handpresse zu ieder Stunde der Nacht bei der Hand zu sein.
Wollte Gott, ich verstände soviel griechisch wie der Stadtphysikus, der an seinem ganzen Leibe keinen deutschen Muskel und Knochen hat, sondern blos griechische – nicht um mich examiniren zu lassen, sondern um elysäische Felder aus deutschen zu machen und dem Sokrates und Zyrus im Xenophon durch fünf griechische Seiten das Leben einzuhauchen.