Jean Paul
Auswahl aus des Teufels Papieren
Jean Paul

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III.

Von den fünf Ungeheuern, und ihren Behältnissen, wovon ich mich anfänglich nähren wollen

Ich wünschte, ich hätt' es eher gewust – nur ein paar Tage vorher, – daß ich einmal meine Nahrung vom Schreiben guter Bücher ziehen würde. Ich hätte mich dann nicht nur glücklich um die wenigen orthographischen, numismatischen, heraldischen und übrigen Kenntnisse beworben, die man iezt leider den besten Autoren ansint: sondern ich wär' auch gar nicht darauf verfallen, mir mit dem grösten Aufwand eine Quelle des Unterhaltes aufzumachen, die für mich iezt völlig vergeblich herspringt. Es muß nämlich bekannt genug sein, daß ich mir mit meinem mütterlichen Erbtheile fünf Ungeheuer und fünf Behältnisse dazu, theils erstanden, theils sonst aufgetrieben. Ich wollte sie auf der ganzen und bekannten Welt herumfahren und mich dadurch völlig erhalten: mein Plan war natürlicher Weise, damit die Messen zu beziehen – und vorher die christlichen Höfe, der allerchristlichsten gar nicht zu gedenken. Allein nun fallen sie mir den ganzen Tag wirklich zur Last, da ich mich wie gesagt, seit gestern einzig ans Büchermachen halten will. Indessen kann sie ieder besehen, besonders der Leser, der überhaupt gerade bei mir ist; und wollte der Himmel, der gienge gar darauf um, sie mir abzukaufen, damit er sich an der Hand dieser einträglichen Ungeheuer leicht durch das gefräßige Leben zöge: denn ich merke wol, daß auch mein armer Leser so wenig als ich was hat, und im Grunde blos darum zu mir gekommen, um durch die geistige Sättigung an meinen Scherzen seine leibliche ungewöhnlich zu ergänzen. So feuert deutlich der Hunger uns beide zu etwas Gutem an, mich wie schon erwähnt, zur Ausarbeitung, und ihn zum Genusse des gegenwärtigen Buchs dieser ausgesuchten Seelenkost. Es gehöret mehr Zeit dazu als ich iezt bis auf Pauli Bekehrung habe, um auf die Frage das Beste zu antworten: »ist es nicht sonderbar, daß die edle menschliche Seele den groben halbsüchtigen, spitzbübischen, verhurten und überaus gedankenlosen Körper warten und äzen, daß sie der Proviantmeister desselben und sein Montirungslivrant und im Ganzen genommen ein verachteter Hundswärter sein soll?«

Das erste Ungeheuer, das ich hier aus diesem Kasten – es war der große Pfeifenstock unserer alten Orgel – zu springen nöthige, ist und bleibt einnehmend, und thut meiner Ehre gewisse Dienste. Es ist ein lebendiger Tanzmeister, den ich von ungefähr auf meiner Stube gefangen. Der Hals des Ungeheuers hat, wie ich und der Leser sehen, alles hervorgetrieben, was man zu allen Zeiten an einem wahren vollständigen Kopfe sucht, und es fehlet blos der Theil des Hauptes, worin gewöhnlich das kleine Gehirn liegt. Das eben muß sicher die Ursache sein, warum ich dem Ungeheuer iezt befehle, vor dem geneigten Leser den Hut abzunehmen; es thuts mithin nicht aus besonderer Hochachtung für den Leser – denn es hegt gar keine für ihn – sondern blos, damit dieser den Mangel des Gehirns besser wahrnähme und besähe, den sonst der Hut völlig überdeckte.

Haberman merkte dabei an: ein schlechter Hut, wie des Tanzmeisters seiner, thät es schwerlich, nicht einmal ein dünner Damenhut oder gar eine Schellenkappe: allein von Doktor-, Fürsten- und rothen Hüten, an denen insgesamt die Arbeit gut genug ist, auch von Märtirerkronen ließ' ers freilich zu. – Die grosse Nase, wodurch das Gesicht des Ungeheuers sich in die wahre Gunst des Lesers sezt, ist hoffentlich ganz von mir, und ich habe sie in einer müssigen aber rohen Stunde aus sogenanntem Jungfernwachs zusammengedreht. Augenscheinlich wollt' ich durch sie die meisten Zuschauer auf den unschuldigen Irrthum führen, das Ungeheuer könne sicher noch ehebrechen: allein, die verwittibte russische Gräfin von** schloß daraus, es könne sicher noch englisch tanzen und lies mich daher um solches mit einer Höflichkeit ersuchen, die weder ich noch andere haben.

Das zweite Ungeheuer, das dort gleich dem Diogenes in einem Weihrauchsfasse, welches unter den Rauchfässern das Heidelbergische vorstellet, ohne Bewegung sizt, ist meiner Einsicht nach ein treflicher, großer ia aufgeblasener Mann. Allein, ich hab' ihn sichtbar zu fest eingepakt und ich und der geneigte Leser werden Mühe haben, ihn ganz herauszudrehen und zu schleifen und neben uns herzuwerfen. Dieses Ungeheuer wohnte, wie mehrere Geschöpfe, auf unserem Planeten. Es nahm sich, bevor ichs seiner Familie abfieng, durch seine reiche Gemäldesammlung und durch schöne Anlagen, wenn nicht zu guten doch zu ordentlichen Versen, vor einem und dem andern Menschen aus, dessen Name hiebei nichts thut. Es war gut, daß es die Eingebungen des Apollo und die Menge seiner ächten und unächten Gemählde ansehnlich aufbliesen: allein man konnte nicht sagen, daß es genug war. Sondern ich muste das Beste bei der Sache thun und den armen Teufel erst durch Kunst zu einem ausserordentlichen Wesen aufblasen, wie etwan die Bettelleute die Kinder, so lange mit eingeblasener Luft verdicken, bis sie solche für natürliche Misgeburten, um das Almosen und Mitleiden zu vergrößern, ausgeben können. Ich gieng daher täglich in sein Bilderkabinet und ich und ein junger Maler, der da allemal die schlechtesten Stücke kopierte, wir liessen iedesmal so viel unschuldigen Wind (Lob) in die Ohren des Ungeheuers nachlässig fahren, als zwei Menschen machen können. Dadurch dehnten wir es sehr aus: ich kanns wissen, da ich ieden Tag an seinem Schatten abmaß, wie viel es aufgeblähter geworden.

Warum konnten nicht einige Verläumder meiner Redlichkeit selber Augenzeugen sein, da ich zulezt wirklich mich des Ungeheuers (denn es war nicht weiter aufzutreiben und schien zu einer Misgeburt für den dritten Platz gar nicht schlecht) redlich bemächtigte, indem ich seinen Kopf über dieses weite Rauchfaß hielt und es durch den empordringenden Weihrauch so betäubte, daß es so fort hineinsank. Ich schafte es verstandlos hieher, wo der Platz ist, auf dem ich den Lohn so vieler Bemühungen aus der Hand des Lesers vergnügt erheben will. Ich will im Vorbeigehen zu sagen, es glauben, daß es weder bloße Liebe zum allgemeinen Wol, noch zu meiner Person allein, sondern gegen beides zusammen ist, wenn man meine geringe Verdienste um die Größe dieses Ungeheuers überall einsieht und fast überflüssig vergilt: allein, warum handelt man gegen hundert Hofpagen anders und widerspricht sich mit Gewalt? Denn bestiegen wol manche berühmte Regenten die Erde mit einer grössern Aufgeblasenheit als mein Ungeheuer, die erst durch den Athem unbelohnter Hofpagen so viel Größe erreichten, daß sie nun als erhebliche Ungeheuer ihren weiten Thron so rühmlich auszufüllen vermochten, daß ich auf keinen Kubikzoll leeren Raum darin hinweisen könnte? Wahrhaftig es wäre kein Wunder, wenns viele Hofpagen künftig bleiben liessen. – Eine Nutzanwendung, das ist, ein usus epanorthoticus ist Sommer und Winter, hinten und vornen gut: denn er ist ein Zoadikalschein, ein Zugemüsse, eine Trauerschleppe, die gut genug zu irgend etwas in der Welt passet. Ich nähe daher ohne Sünde diese an; der Leser lasse doch von seiner fatalen Gewohnheit ab, mit keinem Lobe so lange zu passen, bis der Autor nicht mehr am Leben ist. Wie mir aus verschiedenen Hauptstädten geschrieben wird, so will er auch mich durchaus – ich möchte, sagt er, immerhin Himmel und Erde gegen ihn in Bewegung setzen – nicht eher sehr loben und aufblasen als bis ich maustod sein werde. Er scheint es also gar nicht für seine Pflicht zu halten, vorzüglich den Zigeunern nachzueifern, die das lebendige Pferd, eh' sie es auf den Rosmarkt reiten, am geschicktesten durch Aufblasung aus einem magern in ein feistes verwandeln, das kaum mit Geld zu bezahlen steht. Aber wahrhaftig ich verlange meinen Ruhm eher; und Lob ist gar keine Sache, die etwann wie der Himmel noch nach dem Tode könnte verdauet werden. Man wird daher nicht sauer sehen, daß ich um den Wind, den der Leser mir zu geben hat, noch bei Lebzeiten anhalte, da er zumal nicht vorschüzen kann, er habe iezt keinen; denn ich will nun aus wichtigen Gründen mich selbst noch lebend, aufgetriebener, und besonders den Leser durch den Abgang des entrichteten Windes etwas kleiner und merklich aus seinen Kleidern geschwunden, erfinden.

Ueberhaupt kann man bei allen Ständen in unsern Tagen mit dem Lobe nicht zeitig genug anlangen, und man hat keine Sekunde zu passen. – Z. B. Will man an einem Fürsten nicht nur die tolerante Meßfreiheit, die er allen Urtheilen über den Staat vergönnt, sondern auch tausend andere Tugenden, welche die Reisebeschreiber gar nicht beschreiben können, nicht zu frühe preisen: so kann mans freilich thun, wenn er noch Kronprinz ist. Allein es wäre zu wünschen, ich stände dabei, wenn er in zarter Kindheit das Ordensband umbekömmt: ich würde da das gedachte Lob ein für allemal anbringen. – Wer eine Dame feurig erheben will wegen ihrer Unschuld – ihrer Kunstlosigkeit – ihrer Tugend: – der lasse doch Butter am Feuer stehen und halte seine Lobrede, eh sie zum erstenmale beichtet, ich meine ihre Sünden. Grosmuth und Uneigennützigkeit kann man an einigen iüdischen Proselyten recht verherrlichen, aber nicht wenn sie getauft werden, sondern schon bei dem ersten Sakramente, bei ihrer Beschneidung, damit es der graue Prophet Elias selbst mit anhören kannNach den Juden ist dieser Prophet bei der Beschneidung so gut als das Beschneidungsmesser, und sezt sich auf den Stuhl, den sie ihm, weil sie wissen, daß er nicht ausbleibt, allemal hinstellen. . – Den Teufel kann man iezt gar nicht mehr loben: schon längst entweder vor seiner Schöpfung oder unter derselben, hätte ihm der zugedachte Lorbeerkranz aufgesetzt werden müssen; denn er wurde, so plötzlich darnach ein wahrer Teufel, daß man nicht so viel Zeit hatte, Paff dazwischen zu sagen, und verfiel wirklich schon im zweiten Augenblicke seines Daseins – Steuchus Eugubinus denkt gar, es war der erste – auf die schlechtesten Gedanken, wie die meisten Scholasticker wol nicht anders wissenDie Scholastiker stritten vernünftigerweise, wenn der Teufel – ob im ersten, oder zweiten oder dritten Augenblick seines Daseins – das erstemal sündigen konnte. Damen, die sich mit einer gelehrten Nachspürung dieser Kämpfe auf keine Art befangen können und kein Latein verstehen, werden hoffentlich in Voetii select disput. Part I, pag 919 und noch ad 2 dist. 5. et 1 Thom. 9.63. art. 6. allzeit so viel finden, als sie brauchen und ich verweise sie auf den einen oder den andern Autor. . – Endlich sogar am besten Autor (denn es tritt doch zuweilen ein guter hervor) muß das beste Herz die sichtbare Enthaltung von Sternischen Digressionen nicht erst loben, wenn er diese schon gemacht hat, sondern nur einige Wochen oder Blätter vorher.

Wenn der Leser sich umkehren will: so kann er an der Wand einen weiblichen Arbeitsbeutel hängen sehen, der so lang ist, als ich. Ich verwahre darin eine Dame, die vielleicht mein drittes und schönstes Ungeheuer ist. Denn man will mich bereden, sie sei nicht ganz und gar von den Unförmlichkeiten entblöst, die eine Dame sehenswürdig machen und sie aus der Klasse der altäglichen schönen Frauenzimmer in die der seltenern Ungeheuer erheben können. Blos meine Hand bescheerte ihr alle diese Verdienste, mit denen sie mich, ihren Pflegevater, so gut ernären kann als lebte ich von Luft. Denn, als ich diese Dame aus dem Staube ihrer Abkunft durch meine Verehlichung zog: wie sah sie da wol aus? Ich will sie nicht im Geringsten verkleinern, da sie meine Frau ist: aber ich kann doch wahrhaftig nicht läugnen, daß sie damals wenig besser, wie ein schlankes, erröthendes Landmädgen aussah und einen Ansatz zu einem Ungeheuer verrieth, der schlecht war. Wir wollen aber alle hören, wie ich sie verbessert und durch was für Meiselhiebe ich aus dieser unbrauchbaren schönen Statue die geheime Misgestalt fast ganz hervorgeholet. Ich mußte ihr ein paar Poschen damals kaufen, um ihre zweite Hälfte unnatürlich breit zu machen, desgleichen nachher einen erschrecklichen parisischen Hintern, um sie, mit diesem Assessor und Adiunktus des natürlichen von der Seite, von der die häslichen am leichtesten schön aussehen, auffallend zu entstellen. Die Dünnigkeit ihres Oberleibs, die ich wahrscheinlich bis zur Widrigkeit getrieben, ist gleichfals mein Werk. Die Gelbheit und die Runzeln ihrer Wangen müste sie die Wahrheit zu sagen, entrathen, wär' ich nicht da gewesen: aber ich sparte kein Geld und überfuhr sie alle Morgen unter dem Morgensegen mit scharfer Schminke; und wenn ihre Augen noch gut sind, so bin ich mir nicht bewust, daß ich schuld daran bin. Blos die Schönheit ihrer Zähne fall' ich noch mit Queksilberschminken an.

Menschen wie Haberman loben manchen; daher, sagte er, es wär' ihm lieb, daß die iezigen Damen ihren Männern fast gar nichts kosteten: in der Universalhistorie wären die Weiber schlimmer. »Aber, fuhr er fort, wo ist iezt der Mann – oder vollends die Frau, die es haben wollte – der wie sonst die persischen Könige, seiner Gattin zur Anschaffung des Gürtels eine ganzebesondere Provinz, und wieder eine andere für den Halsschmuck etc. anweisen muste? Warlich der vollständige Anzug einer Frau mit allen ihr inkorporirten Preziosen kostet iezt weniger und mit dem ganzen Vermögen, das etwa ein mittelmässiger Kaufmann hat, getrau' ich mir alle Schulden seines Weibes abzuthun: dieses sieht man am besten, wenn er darüber Bankerut macht.«

Die Natur legte um das menschliche Haupt den kostbarsten Schmuck und erhob es zur schönen Welt im Kleinen; besonders das eines schönen Vikomte: ich will hier nicht davon handeln, daß der Vikomte eine korinthische Säule mit 16 Schnörkeln, 8 Stengeln und 3 Reihen Blätter ist und bleibt; aber gefallen nicht die Kälberzäne an seinem Kapitäle manchen? Ich konnte mir es daher nicht verbergen, wie sehr umgekehrt mein Nutzen und meine Pflicht von mir begehre, vorzüglich den Kopf einer Dame, die ich überall als ein selteneres Ungeheuer ankündigen wollte, mit den meisten Verunstaltungen zu umringen. Ich wünsche die schmäsüchtige Zunge nicht im Munde zu haben, die sagen könnte, ich hätte dabei dieß und das vergessen. Schlept' ich nicht auf ihn Menschenhaare und Pferdehaare zusammen? Wirrete, drehte und rollte ich sie nicht auf eine schreckbare Weise untereinander und untermengte das alles noch mit Mehl, Fett, Werg und gar mit Eisen, welches leztere eben soviel zur Misgestalt als zur Ableitung der elektrischen Materie wirken sollte, damit ich wenn ich meiner Frau gegenüber sässe, vom Gewitter nicht erschossen würde? Ja steckt' ich zulezt, da mir noch einiges Wiederwärtige dem Kopfe zu fehlen schien, nicht wie halbnärrisch, schwarze und grüne und feuerfarbene und gelbe Federn darauf? Und machten diese nicht eine solche Figur, daß ich zusammenfuhr und dachte, ich wäre vom Verstande gekommen, da ich zumal vorher gar den Kamm als wenn ich ein Pferd anpuzte, in seine Haare eingetrieben hatte? – Uebrigens sollen wichtigen Briefen zufolge Damen verschiedener Städte, die ich mein Ungeheuer aus weitgetriebener Höflichkeit beschauen lassen, sich gar nach ihm modeln, und ihm eine und die andere große Häßlichkeit eifersüchtig nachkopiren: allein, das hat mir niemals gefallen. Denn offenbar entwendet diese Nachäffung meinem Ungeheuer allmählig alles Verdienst der Seltenheit und entkräftet mit Gewalt die Wirkung seiner unförmlichsten Auswüchse, die sobald sie allgemeiner werden, ihren Werth nicht anders als verändern können und zu bloßen Schönheiten herunterkommen müssen.


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