Jean Paul
Auswahl aus des Teufels Papieren
Jean Paul

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Es ist sonderbar, daß man dieser Bienen- und Teufelsmutter die Jungferschaft durch ein einfaches Hausmittel, so oft wiedergeben kann als sie sie verscherzet, und lezteres sollte in allen Dispensatorien zu lesen sein. Man macht nämlich ein wenig Wasser (Weihwasser) oder auch Oel (letzte Oelung) zurecht und beschmiert blos damit den äussern Bienenstock: den Augenblick und eh' noch das Schmieren zu Ende ist, ist schon eine so vollständige Ancora-Jungfernschaft da, daß es – und hätte die Seele bei tausend Teufeln geschlafen – dann eben soviel ist als hätte sie nicht Einen gesehen. Die langbärtigen oder longobardischen Philosophen sollten sich dergleichen Meer- und Seelenwunder aufschreiben, um die wichtigsten Schlüsse und Ostermeßprodukte daraus zu machen; sie würden dadurch die Physiologen nachahmen, die ähnliche Schlüsse aus einem ähnlichen Arkanum mit Nutzen ziehen. Ich meine den Jungferschaftsessig oder vinaigre de virginité, der im Leiblichen wirklich eben das leistet was das obige Hausmittel im Geistlichen thut, wie denn der Macher des Eßigs, ein Franzoß, vom Gebrauch desselben allen Damen, in und ausser der Ehe die Wiedergeburt der Jungfernschaft so klar und mit so verständlichen Worten verheisset, daß man in der That die französische Glaubwürdigkeit völlig mit der punischen und griechischen vermengen müste, wenn man dennoch glauben wollte, der Franzos löge und sein Essig veriungfere nicht. Aber rühmlich ists für Leute die den Franzosen deswegen raufen, nicht, daß sie so etwas thun und eine wichtige Erfindung heruntersetzen können, mit der sie doch weder in Nonnenklöstern noch in weiblichen Pensionistenhäusern eine einzige entscheidende Probe angestellet haben, aus der sie wissen könnten was daran ist.

Die leiblichen Bienen lassen sich oft an Mistpfüzen und Kloacken nieder, um Futterbrei für ihre Brut daraus einzuschöpfen, und Bienenväter sehen unreine Oerter gern in der Nachbarschaft ihrer Körbe. Gerade so würde im menschlichen Bienenstock die iunge Bienen- oder Teufelsbrut gar nicht aufgeätzet und groß gezogen werden können, wenn nicht die Vorsicht gebraucht wäre, daß es an solchen Lachen voll Kordiale für sie nicht fehlte: zum Glücke sind aber im Bienenstock selbst wenigstens drei wichtige Pfüzen (im Magen, in der Gallenblase und in andern Bläsgen) angebracht, in denen die Milchpumpe des Saugrüssels allzeit so viel humores peccantes antrift, daß die iungen Teufel dabei lustig gedeihen und groß wachsen können.

Im Herbst und vor dem Winter werden die Drohnen meistens erbissen und aus dem menschlichen Bienenstock getrieben. Der hiesige Kanonikus sagte mir: »Diesen Drohnenmord würde er die Abtödtung des Fleisches nennen und ieder Christ müste seine Begierden kreuzigen, wenns auch nur an dem goldnen Kreuze eines Damenhalses wäre, wie Kanonici und Kanonissinnen thäten.«

Inzwischen betasten die Arbeitsbienen alle Blumen und füllen mit deren Exkrementen ihre Gift- und ihre Honigblase. Aus der Honigblase füttern sie die Seele und die Drohnen, die beide ein solches Liebesmal zu neuen Begattungen erweckt. Sind aber endlich die Blumen umgesunken und die Honigblasen ausgeschöpft: so erleichtern alle Teufel die geschwollene Giftblase über ihrer Mutter und spornen sie mit ihren langen Stacheln zu den alten Parungen an, die sie ihr sonst mit honiggebenden Saugrüsseln ablockten. Dem peinlichen Spiele macht ein altes fleischloses Gerip von einem Manne ein Ende, das mit einem krummen sensenartigen Zeidelmesser geschritten kömt und breite Honigscheiben auszuschneiden willens ist: es ist aber nichts auszuschneiden da, als Scheiben und Teufelsbrut darum und der alte Mann brennet vor dem Stocke Schwefelstangen quantum satis an und benimmt mit dem Schwefelrauch dem ganzen die Süssigkeiten verprassenden Pack, der Bienenmutter samt ihren Kindern das liebe Leben. –

Mit den guten Menschen ists viel anders: es sind aber auch Bienenstöcke.

Nur sind die männlichen Bienen darin, mit denen sich die Seele gattet, so wie die Arbeitsbienen, die daraus entspriessen, keine Teufel sondern gute Engel mit der völligen Gestalt der Bienen und mit dem Namen guter Triebe und guter Handlungen. Nur wenige menschliche Bienenstöcke sind ordentlich musaisch mit Engeln ausgelegt und sehen aus wie Tempel, wie Pantheons, wie ein gestirnter Himmel. Solche Bienen, alter Plato, schmückten unter deinem Schlummer deine Rosenlippen oder das Flugbret, deines Bienenstocks, da du noch ein Kind warst: aber sie blieben da nicht sitzen, sondern sie zogen, als du gewachsen und mehr in die Höhe als in die Tiefe gewachsen warst, gar weiter in den Bienenstock hinein. Ich muß es hier, lieber Plato, allen meinen Lesern sagen, daß dein Leben nicht wie bei den meisten ein thierischer dicker mitternächtlicher Traum, nicht wie bei andern eine tappende Schlaftrunkenheit, sondern wie bei wenigen ein tagender Morgentraum gewesen. Mit deinem Zuge nach oben, der die Flügel am Menschen ersezet und der zwar auch wie der Zug nach unten die Füsse in den Korb stolpern lasset, der aber sie heraus zuheben erleichtert, komst du mir wie einer in den pohlnischen Steinsalzbergwerken vor, der gleich seinen unterirdischen Mitbrüdern geboren und erzogen unter der Erde, zwar niemals in dem Himmel, der auf ihr liegt gewandelt, allein doch an der Ein- und Ausfahrth einen Blitz des überirdischen Tages zu sich hinunter leuchten sehen. Diesem Manne werden wie dir gewisse sehnsüchtige Ausdehnungen den seufzenden Busen drücken, die ihn aus seinem Salzbergwerke und aus der Erde auferstehen heissen. Ich sagte, so kömmst du mir vor, schwer zu exponirender Plato. Eben deswegen nenn ich dich mit dem Chor aller Alten den Göttlichen, weil von der Tugend, die es ist, niemand so gut geschrieben wie du in deiner Republik, und weil du in dieser besonders das gezeiget, daß unser Körper, worin unser Ich wie in einer beweglichen Bildsäule steckt, ein WeiselgefängnisSo nennt man ein kleines Behältniß von Drath, worein man den iungen Weisel einsperrt, wenn er im Bienenstocke nicht bleiben will. ist, wie auch aus meiner ganzen Bienenallegorie erhellet, und daß die düstere unreine Erdatmosphäre, worin der arme Mensch sich müde watet, das heilige Grab ist für die gekreuzigte Tugend.

Wie wenig alle Systeme über die Erzeugung des Menschen die Wahrheit treffen: kann man iezt aus meinem sehen, das wahr ist und ienen allen ganz wiederspricht. Wenn nämlich eine Bienenkönigin eine neue gezeugt, zu der sich der neue Bienen- und Engelsschwarm gesellet, wenn dieser kleine Staat im Staat aus seinem alten Bienenstock an einem warmen Sommertag flattert: wenn er sich in einem neuen anlegt: so kann man entweder sagen – und es ist einerlei – der Bienenstock schwärmt oder er zeugt.

Bienen- und Beichtväter sollten es sich merken, daß der Honig in menschlichen und thierischen Stöcken, der den Weisel, die Drohnen und Arbeitsbienen nährt, bei zu schönem und warmen Wetter auseinander rinne. Das ist schlimm: denn der zerflossene Honig klebt sich an die Flügel der Bienen, leimt sie an die Hintertheile derselben und raubt ihnen so den Flug.d. i. der häufige Genuß des Vergnügens entkräftet die Tugend.

Bienenverständige haben längst an meiner Stelle angemerkt, daß die Bienenstöcke, die die Abend- und Morgensonne bescheint, den frühsten und längsten Fleis beweisen und Krünitz und die alten Klassiker preisen das Licht zum Honigbau über alle Massen an – niemand als blos einige iezige Poeten preisen das Gegentheil über alle Massen an und wollen erhärten, man habe zur Tugend eben so wenig Licht vonnöthen als zum Dichten.

Ein einziges Kazenhaar scheuchet alle gute Engel und Bienen aus dem Stocke hinweg: es ist das die nämliche Antipathie, die ganze Menschen von ganzen Katzen abstösset.

Es ist mir überaus lieb, daß ich mich im Stande sehe hier etwas vom Sokrates zu berichten was schwerlich ein anderer wissen kann. In der Nacht vor seinem Todestage vermehrte seine himmlische Seele noch im Traume durch neue Vermählungen seine Bienenengel; und sie ist, da sie deren Geburt nicht erlebte, hinter ihrem Genius, mit Bewohnern einer bessern Welt geschwängert aus der ungerechten fortgezogen.

So tönt zuweilen eine einsame Biene im Mondschein umher und schlürft aus den Lindenblüthen, auf denen sie am liebsten hängt, noch zu Nachts den Honig, zu dessen Einsammlung ihr der längste Tag zu kurz geworden.

Natürlicherweise erhebt der Bienenvater im Herbst den Honig aus den Stöcken und gräbt vor dem Winter den ganzen Bienenstock in die Erde ein, wo es viel wärmer ist und wo die schlummernde Biene unter den Stürmen über ihr, von ihren vorigen ausruhet. H. Neidhardt und andere haben die besten Proben gemacht, daß das Begraben den Stöcken so wenig Schaden thue daß im Frühling der ganze Bienenstaat mit der alten Munterkeit aus dem Grabe auferstehet, sobald der Bienenvater die Erde davon weggescharret hat.

Und das war die einzige Sache, hinter die der vorige König in Preussen nicht recht kommen konnte.

Wenn diese ganze Allegorie einen Fehler hat, (woran ich doch mit Recht zweifle) so muß es der sein, daß sie sich stellet als hätte der gute Mensch keinen, als wäre in seinem Bienenstock keine Raubbiene, keine Wespe, keine Spinnenwebe, kein mit Wachs verlarvtes Aas. Ich bring' aber diesen Fehler fast völlig dadurch weg, daß ich das Gleichniß mache: mit den besten Menschen – sie müsten denn über 50 Jahre zählen – ists wie mit den schönsten, reinsten, breitesten Straßen in Paris: die stinkensten dunkelsten Queergäsgen durchkreuzen sie oft.


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