Jean Paul
Auswahl aus des Teufels Papieren
Jean Paul

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Vorrede

Dem heiligen Ambrosius wars selber lieb, daß er sagte: der Müssiggang ist ausgemachtermassen das Kopfkissen des Teufels. Ich habe geglaubt, der Teufel verdiene gar keines; daher hab' ichs ihm wie einem Sterbenden, unter dem Kopfe vor einem halben Jahre völlig weggezogen: ich meine blos, ich habe mich vom Müssiggange losgearbeitet und in der Stille hergesezt, um meine Zeit edler anzulegen und einige ganze muntere Pasquille zusammenzuschreiben.

Die besten sezt' ich vor meiner Geburt schon auf und ich werde nachher die Personen mit Namen vorführen, die sie mir nebst anderen Werken gestohlen: aber die schlechtern, die ich blos auf dieser grünen Erde gebar, leg' ich hier der gelehrten und selbst der besten Welt mit Achtung vor. Mein Jammer ist natürlicherweise der: alle Menschen (wie vielleicht der einfältigste aus dem Plato und aus seiner eignen dunklen Erinnerung weis) und mithin auch ich, wir lebten vor unserem Nazionalbankerot recht vergnügt im bessern Planeten, aus dem uns einige Todsünden auf diese Pönitenzpfarre des Universums, auf die Erde durch die Geburt heruntertrieben: dieses Leben ist sonach nichts als eine Narbe des vorigen. Auf ienen beßern Planeten bracht' ich nun meine besten Stunden und Jahrhunderte damit zu, daß ich am Schreibepult stand und Werke ausspann, wie ich wünschte, daß ieder sie zu schreiben den Ansatz hätte. Sie waren ernsthaft und spashaft, aber immer gut genug; ich stekte durch sie dem menschlichen Verstande, der Poesie und der deutschen Sprache lange Flügel an: ich nahm aber deswegen Windmühlenflügel, damit die übrigen Gelehrten hernach nichts mehr dazu zu machen brauchten als den Wind. Es ist für sündige Menschen interessant, hinter die gewissesten Ursachen zu kommen, warum ich sonst so vielen Verstand besas; ich hatte nemlich im Elysium keine Eßlust noch und brauchte kein Brodstudium und hatte weder Kind noch Kegel; alle Register der menschlichen Kräfte werden dort an Einem Menschen zu gleicher Zeit zur verstärktern Harmonie gezogen und es ist nichts seltenes da auf Menschen zu stoßen, die so viel Gelehrsamkeit besitzen, als ein hiesiges Ehrenmitglied einer Akademie, um nicht gar zu sagen als ein Wirkliches. – Jetzt ists leicht auszumachen, welche von meinen Freunden Recht haben, ob die die es Güte, oder die die es Einfalt nennen, daß ich dort einen und den andern Gelehrten in meinen Manuskripten blättern lies und manchen gar sie völlig vorlas. Soviel ist ganz gewis, Swift und Sterne hatten keinen Schaden davon, daß ich ihnen ganze Ballen meiner erträglichsten Satiren laut und gut genug vordeklamirte und solche Werke wie das Mährgen von der Tonne und den Tristram ihnen auf Wochen in der Handschrift vorstrekte. Ich sezte sie dadurch in Stand, es wie iener alte Poet zu machen, der (nach Seneka) die Gedichte, die ein anderer Poet öffentlich herlas, den Augenblick in seinem großen Gedächtnis behielt und sie für seine erklärte, weil ihr wahrer Verfasser sie nicht, wie er, auswendig herzubeten wuste; sie trugen auch wirklich iene zwei Werke, in ihr unermestliches Gedächtnis versteckt, auf die Erde wider die gemeine grösten herunter und hatten da nun zum Ruhme der grösten Autoren nichts mehr vonnöthen als daß sie mir, der ich droben in der andern Welt noch passen muste und es auf gar keine Art zur Geburt bringen konnte, den meinigen stahlen und meine zu meinem hiesigen Fortkommen aufgesezten Gedanken für ihre verkauften. Ich merkte das den Augenblick, da ich geboren war und ich wollte für Erbossung wieder in den alten Planeten hinauf. – Ich wünschte aus eben so viel Rücksicht auf fremde als auf meine Ehre, daß ich wenigstens von einigen meiner besten ernsthaften Schriften sagen könnte, ihr Schicksal wäre besser gewesen und besonders die ausgesuchten, die ein gewisser H. Herder ganz frei unter seinem Namen ediret, wären dem traurigen Loose entkommen, daß man sie iezt in mehr als Einem Kreise Deutschlands bei allen ihren offenbarsten Merkmalen und Gerüchen eines höhern ätherischen Vaterlandes, bei ihren Sonnensystemen stralender Gedanken, bei einem Ausdruck, der Blüte und Früchte (wenn ich mir nicht zuviel schmeichle) zugleich trägt, gleichwohl in das Register der Werke einträgt, die wirklich auf dieser Erde und von einem hiesigen Menschen wären gezeuget worden: freilich ist die Täuschung leicht und wenn Zizero sagt, er glaube wenn er seinen Kato vom Alter lese, den Kato selbst zu lesen, so glaub ich selbst oft wenn ich die angeblichen Werke des H. Herder lese, fast ihn selbst zu hören. Es wird wenig Leser geben, die sich mein Erstaunen denken können, als ich nach langem Harren vor einigen Jahrzehenden auf das Theater des Lebens niederspringen durfte und inne ward, daß die besten Werke, die ich schaffen können, schon unter fremden Namen umliefen und daß mehr als 19 der besten Köpfe sich in den großen breiten Lorbeerkranz getheilet, den ich allein aufhaben wollte und der so schwer wie Davids Krone war, welche mehr als 113 Pfund gewogen. Indessen haben Personen von Einsicht und Welt keine so schlechte Meinung vom Publikum, daß sie denken könnten, es gebrech' ihm an iener Billigkeit, die fast iedem das Seine ertheilt, und die allerdings schon den Muth hat, Namen iedes Standes mit Gewalt aus dem räuberischen Besitze eines großen Ruhmes zu iagen und den Lorbeerkranz, worunter sich 19 Köpfe gestellet, seinem Einzigen rechtmäßigen Eigner wieder aufzupacken, welcher sich blos hingesetzt hat und ihn in einer Vorrede durchaus aber bescheiden wieder haben will. Sonderbarer Weise giengs und gehts noch mit den schönen Werken nicht besser, die gewisse Mönche aus dem 13. Jahrhunderte machten (wie P. Hardouin am ersten gründlicher als alle nach und vor ihm erwiesen,) und die man gleichwol fast allgemein einem Virgil, Zizero und Livius noch iezt zuschreibt: die Aeneis z. B. fertigte ein Benediktiner aus, allein Virgil fähret nun auf dessen Triumphwagen herum und kennt für Stolz weder sich noch andere, noch seinen verwesten Vater.

Gleich der Erde kann ich iezt, da ich einemal auf sie geboren bin, wenig rechts mehr zeugen und werde von Tag zu Tag matter und selbst einfältiger. Was kann ein Wesen in einem hypochondrischen Körper, der das von innen mit Nägeln besteckte Faß des Regulus ist, und im Frohndienste des Magens wol Gutes für seinen Verleger und Nachdrucker in die Presse senden? Es muß und wird weit unter den blühenden Abkömmlingen seines freiern Lebens fallen. Man vergleiche nur z. B. das mir abgestohlne Mährgen von der Tonne und den Tristram mit der gegenwärtigen Nachgeburt, die ich blos auf diesem Planeten hervorgebracht habe: so wird man über den mächtigen Unterschied erstaunen und kaum begreiffen können, wie so verschiedene Früchte aus einem Baume wachsen konnten; und mancher andere hat mich vielleicht mit mehr Aehnlichkeit nachgeahmt als ich selbst. Der angebliche Blumenflor bückt sich welkend im Spätiahr. Ich hätte keine Zeile aufsetzen sollen: es wird wenig Leser haben, ich meine keine zwei.

Denn es ist überhaupt metaphysisch davon zu reden, nicht mehr als Einer möglich, wenn ich mich mit zähle und ich brachte das erst diesen Morgen mit einem Grade meines Schreckens heraus, den ich einmal an andern beobachten möchte. Ich stand nemlich vergnügt über einen Traum voll Potentaten auf, zog mich unter vielen Betrachtungen an und freuete mich auf die Welt, die mein ganzes Buch mit einer Begierde in die Hände nehmen würde, von der ich wenig Beispiele weis. Allein ein mir aufsätziger Egoist und transszendentaler RealistEin Egoist ist ein Philosoph, der das Dasein aller Dinge, ausser sein eignes bezweifelt: das ist der unerlaubte Egoismus – der erlaubte ist (und zum Glück sind die leztern Egoisten die häufigern) wenn man andern Dingen das Dasein nicht abspricht, sondern nur den Vorzug und sich nicht sowol für das einzige Ding ansieht als für das beste. lies einen Gedanken aus seinem Kopfe los, der ein tödtendes Basiliskenauge für alle Wesen und der Stoßvogel des Universums war, alle Kreaturen in allen Welttheilen, Kanzleidiener und die regierenden Häupter in den genealogischen Verzeichnissen, der ewige Jude selbst und die 4 Fakultäten waren wie weggeblasen und es blieben nicht so viele Wesen übrig als man mit einer Pelzmüze bedecken könnte, wiewol er keine Mütze dazu da lies. Dieser giftige Gedanke zwang alles auszusterben und reutete zulezt auch den Egoisten selber mit aus: denn da er nach einem ewigen Gesetze das ich seit langer Zeit zu studiren mir schmeichle nur Ein Wesen unvernichtet stehen lassen darf: so muste, weil ich dieses restirende Wesen war, der Egoist selbst wider seine Erwartung bei diesem iüngsten Tage umkommen und es war ihm nicht zu helfen. Also war nicht einmal er mehr zu haben, der mein Buch mit wahren Vergnügen hätte in müssigen Stunden durchlaufen können. Wahrhaftig dem Egoisten kanns nimmermehr wolgehen, daß er durch sein reissendes Thier von einem Gedanken es in wenigen Paragraphen so weit gebracht hat, daß ich iezt die Quintessenz und der kurze Inbegriff aller ausgemerzten Leser sein muß und der unzufriedene Repräsentant des ganzen corpus. So sitz' ich hier und bin von keinem Wesen gelesen, denn ich selber habe dazu wenig Zeit und kaum genug zum Schreiben.

Ich will mich zwingen, eines und das andere ernsthafte Wort zu reden: ich werd' es aber gar nicht können, weil eine Vorrede so ausserordentlich lächerlich ist; alle ernsthafte Reden darin sind am Ende ein Verhak, in den sich der Autor gegen die kritischen Anfälle einbauet. Unter allen Dingen, selbst unter den schlimmen, ist keines so leicht als sich selbst vertheidigen – oder so angenehm oder so lächerlich.

Da ein heraldisches Buch nur der Heraldiker, ein iuristisches nur der Jurist etc. in seinen Gerichtssprengel zu ziehen wagt: so wär' es recht gut, wenn nur Leser, die sich gerade mit den schönen Wissenschaften befassen, sich des Urtheils darüber unterfiengen und wenn man dächte, es gebe Sachen, die man früher verstehen als beurtheilen müsse. Blos ausgebreitete Lektüre gewährt den gebildeten Geschmack, zu welchem der Deutsche, der sich nicht wie andere Nazionen auf einheimische Schönheiten einschränkt, vielleicht auf dem kürzesten Wege ist; freilich der Deutsche, aber nicht die Deutschen; denn wer guten anatomischen Seckzionen an deutschen Kinnen beigewohnt oder obgelegen, der wird noch wissen, wie wenige Lachmuskeln, an denen Sterne oder Musäus hätten ziehen können, er allzeit herausschund – die übrigen Muskeln insgesammt hatten Kranz oder der »Kirchenalmanacher«, angefast und damit das ganze Gesicht gelenkt.

Geschmack gewinnt man irgend einer Art von Humor so wenig durch Eine Lesung ab, daß ich blos deswegen den Tristram 40 mal las, eh' ich ihn fühlte, den Hudibras 20 mal, Swiften 11 mal, Musäus 5 mal, Liskov 3 mal: dies muß mich entschuldigen, wenn ich iedem zumuthe, mich 1 / 400 mal zu lesen, womit ich wenn das Buch 400 Seiten hat, meine er soll das Titelblatt ganz lesen.

Mich freuet in diesem aufgeklärten Jahrhundert nichts so sehr, als daß es sich mathematisch darthun lässet, daß die Schiefe der Ekliptick und der Köpfe täglich abnimmt; denn ihre Abnahme beläuft sich nach Louville in iedem Jahrhundert auf eine Minute, welches viel ist.

Wenn auch die Satire seltener die Laster als die Thorheiten forttreibt; so thut sie doch den Lastern von Zeit zu Zeit so viel Schimpf an als nöthig ist, daß ein ehrlicher Mann mit ihnen ausser im äussersten Nothfall nichts zu schaffen haben mag und sie verachtet, indem er sie gebraucht. In allen Jahrhunderten hatten die Laster ihre Leibeigene, ihre Lehnleute, ihre Lohnlakaien – aber nur in den verderbtesten hatten sie ihre Lobredner, ihre Laureaten, ihre chevaliers d'honneur; und es ist eben ein Beweis, daß es noch ganz gut mit uns steht, daß wir z. B. die Unkeuschheit wirklich noch eben so sehr persifliren als die – Keuschheit.

Wenn Leute mit dunkeln Augen, bei denen es ¾ Stunden eher als bei andern Leuten Nacht wird, in eine Stube stolpern, worin man durch Ein Fenster dürftige Stralen fallen lassen, weil die Gemälde keine reichlichern vertragen – wenn ferner auch Maler von Profession und mit hellen Augen darin stehen – wenn die Leute mit dunkeln sich über die Dunkelheit darin halb tod fluchen, was soll der Inhaber da machen? Licht oder Gemälde oder Augen? blos grüne Brillen und eine ärgerliche Mine.

Länge der Perioden und ein gewisser Zuschnitt nach den alten Sprachen rücket so sehr mit der Schönheit der Sprache wenigstens mit der Natur der Ironie und Laune zusammen, daß vielleicht der coupirte, tanzende und unverknüpfte Styl der Franzosen die Ursachen vermehrt, warum sie den Engländern nicht in der Satire nachkommen.

Ich ersuche die Herausgabe aller Journale auf Akademien und überall, recht musterhafte und vernünftige Rezensionen von diesem Werklein machen zu lassen und zu bestellen, und ich will selbst alle Kosten davon tragen und kann vielleicht gegen Allerseelentag dazu einige Schwanzdukaten herschiessen.

Herr Wolfgang Haberman, von dem in diesem Werke verschiedene Ideen verlaufen, ist ein wahrer Bratschist und half, wenn er der Bratsche satt war, am Buche mit bauen: es war aber nicht anders zu machen.

Ich will wünschen, daß dieses eine Vorrede ist und empfehle mich fast iedem hiemit, will aber durch Stillschweigen nichts eingeräumt haben, sondern setze Freunden und Feinden generalia juris et facti gänzlich entgegen, und reservire mir nicht erst seit gestern quaevis competentia und protestire überhaupt genommen gegen dies und das, wo nicht gegen alles.

I. P. F. Hasus


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