Jean Paul
Auswahl aus des Teufels Papieren
Jean Paul

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III.

Feilbietung eines menschlichen Naturalienkabinets

Unsere Naturalienkabinete sind mit thierischen und vegetarischen Seltenheiten gestikt, aber wenig mit menschlichen; und schmükten nicht noch die katholischen Kirchen sich mit einigen menschlichen Naturalien, z. B. wächsernen Brüsten und Gebärmüttern, holen Zähnen und natürlichen Zöpfen aus: so würde der Name eines menschlichen Naturalienkabinets vielleicht nur meinem gebühren. Da unser Körper etwas uns ganz fremdes und nicht zu uns gehörendes und blos der Lauf- und Gängelwagen ist, worin unsere spielende Seele auftreten lernet: so nimt mich die Gleichgültigkeit unserer Wisbegierde hierüber gewaltig Wunder, da wir doch sonst fremde und äussere Dinge so gern, und uns so ungern studiren.

Ich gebe denen Beifall, die von iener neidischen Undienstfertigkeit der meisten Naturalisten mich lossprechen. In der That such' ich nichts als mein Kabinet recht gemeinnützig dadurch zu machen, daß ich es ordentlich ieden Schalttag, den Gott werden lässet, aufsperre und von früh 7 Uhr bis um 7 Uhr Abends für ieden Liebhaber, vornehmen oder gemeinen, alt oder neuadelichen, wol- oder übelgestalteten offen halte. Mich dünkt, ich thue hierin nicht sowohl etwas Ausserordentliches als blos meine Pflicht. Eben diese konnte mir niemals verstatten mich sonderlich zu freuen, wenn mancher Beschauer sich im Kabinete lange verweilte und vieles recht besehen wollte: denn es ist wol ausgemacht, daß ein gutes Naturalienkabinet nur erst dann wahrhaft genützet wird, wenn ieder es ohne zögerndes Besichtigen durchspringt und die Sehenslustigen einander gleichsam in einer galloppirenden Prozession hindurch iagen; denn nur auf diese und auf keine andere Art kann darin weniges von ungemein vielen besehen werden. Ein denkender Inhaber eines solchen Kabinets bestellet daher, um eben diesen lästigen Aufenthalt darin abzuwenden, allemal Leute zu Aufsehern darüber, die nicht die geringste naturhistorische Kenntnis haben und mithin den Abschied des Neugierigen nicht durch gelehrte Fingerzeige über die vorhandene Schätze verspäten, sondern durch dumme beschleunigen. Ich für meine Person lasse das Amt eines Aufsehers, um zugleich einen unentgeldlichen und ungelehrten zu haben, durch niemand verwesen als mich.

Dieses Verzeichniß seiner Merkwürdigkeiten muß man aus meinem Hause täglich von 9-10 Uhr gratis abholen lassen.

Versteinerte Stücke vom Menschen sind so rar als welche von einem andern Planetenbewohner: denn was die afrikanische Stadt Bidolo und die Menschen, Bäume, Häuser und Thiere darin betrift, die alle nach der Erzählung eines gewissen Happelius (siehe Lessers Lithotheologie) 1634 ganz und gar versteinert worden, desgleichen den Kardinal Richelieu der eines petrifizirten Knabens davon habhaft worden: so kömmt uns, H. Lesser und mir, diese ganze Erzählung so verdächtig vor, daß ich mir sie in einem ausführlichen und deswegen ausdrücklich geschriebenen Oktavbändgen fast ganz umzuwerfen getrauete, wenn ich nicht schon so alt wäre. Es ist daher ausserordentlich viel, daß ich mich im Besitze eines versteinerten Herzens sehe, das der Paraschist aus dem Leibe eines Königs nach seinem Tode holte. Gleichwol ist dieses noch das einzige, was sich im Menschen am leichtesten versteinert und ich nehme fast den Urin nicht aus. Ob es übrigens übel wäre, wenn ein ganzer Hof statt der theuren Herzen, die man bisher aus Diamanten schlif und die dennoch durch Blut erweichet werden konnten, das eines abgeschiedenen Königs – wenns anders nicht so weich wäre als eines Höflings seines – in viele kleinere verarbeiten liesse und mehr zur Zierde als zum Andenken über seinem eignen Herzen trüge: darüber sann ich oft wochenlang recht vergeblich nach.

No. III. hängt die Stirn eines alten Advokaten, dessen Prozesse dem Ehegericht lange ihren Ruhm behalten werden. Selbige ist so gut wie die darneben hängende rechte Hand des Götz von Berlichingen wirklich eisern und beide zieht der Magnet. Da sich im menschlichen Gehirn ausser dem Blute die meisten Eisentheilgen zusammentreffen und da er seines nach und nach in die Stirne selbst verwandelte, hinter welcher nachher nichts mehr lag: so ists ganz natürlich. Einen andern vollständigen Advokaten, der seiner Abneigung vor Fristgesuchen, vor Appellazionen und nicht völlig billigen Prozessen so lange den Zügel schiessen lassen, bis es viel zu spät war und er sich aus Hunger ertränken muste, bewahr' ich mit Grummet ausgestopft, blos darum auf, um andere damit von seiner Nachfolge zuweilen abzuschrecken. Allein ist ein schlimmer Advokat im Ernste eine menschgewordene und mit Fleisch und Tuch überzogene Kautelariurisprudenz, der man wenig leihen soll und die dem geneigten Leser, der überall vorsichtiger sein sollte, zuverlässig eines versetzen kann und will? Und warum?

In der Schachtel auf dem alten Schranke liegen ein Mandel braminische Nasen eingeschlichtet, deren Spitzen man gleich den Spitzen der elektrisirten Kirchthürme so wol im Finstern als Hellen unbegreiflich müste leuchten sehen, wenn ich gar das braminische Auge dazu hätte aufzutreiben vermocht, durch das man wie durch eine Brille ienes Leuchten allein wahrnimt. Keine bessere Bewandtniß hats mit dem Nabel eines alten Hesychasten oder Quietisten, auf dem man wiederum reines himmlisches Licht herstralen sähe, wenn ich sein Auge dazu hätte. Inzwischen wollen wir alle ganz froh sein, daß wir nur die Nasen und den Nabel haben.

Verschiedene Benedicktiner liessen bei mir sich erkundigen, ob ich wirklich einige Glieder von der zu einer Salzsäule erkalteten Frau des Loths besässe. Sie sehen hier, daß man sie nicht falsch berichtet hat. An diesen Gliedern, die ich deshalb von einigen Kennern belecken lassen, vermisset man den ächten Salzgeschmack gar nicht. Wollten indessen die ehrwürdigen Patres solche Glieder weder in ihre Pökelfleischfässer, denen sie doch einen besondern Wolgeschmack beilegen würden, noch in das Futter ihrer Schafe thun: so bleibt ihnen allemal der Ausweg unbenommen, sie in eine schlechte Schachtel zu legen und auf dem Altar als unverdächtige Reliquien tausend Christen zum Küssen auszustellen. Ja wenn einer von ihnen Pabst würde: so könnt' er mit dem Geschenk derselben das Rekreditiv eines abgehenden Gesandten begleiten.

Das Gerippe der Helena, das man neulich wider mein eignes Vermuthen einige Aecker weit vom Grabe des Homers ausgescharret, kann von iedem so lange besessen werden bis sie selbst von Toden aufersteht und sich desselben wieder ganz bemächtigt. Wer nur das geringste Gefühl für weibliche Schönheit in seinen Nerven hat, dem muß das Gerippe einer Person, deren Reize von ganzen Armeen und von Greisen selbst bestätigt wurden, sehr gefallen.

Oben auf dem Gesimse verwahr' ich in einigen Flaschen etwas adeliches Blut, das ich auf Bouteillen gezogen. Ich bat oft adeliche Damen, bürgerlichen Kindern vermittelst der placenta uterina einige Theetassen voll einzusprützen: wenn sie's thaten, so wurden die Kinder, so bald sie größer wuchsen, zart, klein an Waden, fast antipathetisch gegen wahre Bürgerliche und borgten nicht ungern; was ihren Verstand anlangte, so wurde der so gut als möglich – welches fast beweiset, daß der Fall, wo einer durch die Einfliessung des Lamsbluts viel dümmer wurde, gerade der entgegengesezte ist – ia fast noch besser, so daß sie nichts leichter als Bücher und Kenntnisse entbehren konnten und darnach kaum fragten. Es wäre ein wahres Glück für die Welt, wenn man mit dem Adelsbriefe zugleich eine Flasche solches Blut, dessen unwahrscheinliche Wirkungen ich iezt berichtet, in der Reichshofkanzlei einkaufen könnte: denn sonst behält der alte Adel immer einigen Schein, bei Tische und sonst vorzugeben, der neue lange an ihn bekanntlich nicht halb.

Ich bin leicht zu überreden, daß die verschiedenen Affenschwänze, die ich hie und da in meinem Kabinete zerstreuet aufgenagelt, es wenigstens nicht verunzieren. Da ich sie einmal an einigen Affen ertappete und schon lange vorher aus Linnee, Rousseau und Monboddo ordentlich wuste, daß die Affen so gut Menschen sind als die Leute, die Diogenes mit seiner Laterne antraf: so hab' ich sie ihnen – ich besorge, wider ihren Willen – als eine unschuldige Merkwürdigkeit abhacken und damit die Liste meiner menschlichen Naturalien nach Vermögen und Umständen vergrössern wollen.

Gewöhnlicher Weise bilden sich die Menschen ein, ich würd' es nur mit ein paar Worten berühren, daß meine gröste Merkwürdigkeit dem Anschein nach ein grosser Regalbogen ist, auf dem ich vor kurzem alle meine närrischen Ideen sauber genug aufgeleimet habe, die ungefähr wie Unkraut aussehen. Ich hatte nämlich etwann ein Heft an diesem Buche geschrieben, als ich, da ich mich einmal Nachmittags zwischen 3. und 4. Uhr nach meinem Verstande umsehen wollte, zu meinem Erstaunen wahrnahm, daß er gar nicht mehr da war. So wenig nun mein Buch dabei litt, das ich ohne ihn und seine Inspirazion recht gut aus natürlichen Kräften fortsetzen konnte – wie es denn der Leser aus den Bögen, die in iener Zeit aus meinem Kopfe giengen, bis zur Beruhigung ersehen muß: – so rasteten doch meine Verwandten und mein Taufzeuge nicht eher (weil sie wollten, ich sollte ihnen und der Familie wahre Ehre machen) als bis ich mich auf einen sichern Stuhl hinsezte und mich gehörig trepaniren lies. Der Wundarzt schöpfte alle närrische Ideenfibern meines Gehirns – d. h. die, die wie ein Perpetuum Mobile unablässig in Schwung verharrten und ohne äussern oder innern Anschlag von selbst erklangen, wie verdorbene Orgeln zu tönen anfangen, eh' man noch eine Taste gegriffen – mit einem Löffel heraus und hielt sie mir darin hin.

Nach dieser Operazion, durch die mein Gehirn wahrscheinlich bis zur Größe einer Sakuhr einlief, must' ich ganz vernünftig denken; ich hätte daraus einen der besten Schlüsse für den Materialismus ziehen können, wenn mir der Wundarzt die wenigen dazu nöthigen närrischen Gehirnfibern nicht mit den übrigen herausgezogen hätte. Seit dieser Kur bin ich, wie ich merke, gar nicht im Stande (in gemischten Gesellschaften verachtet man mich deswegen): nur Einen unsinnigen Gedanken zu bilden, zu schreiben oder herauszusagen und der Trepan hat, wie es scheint, nur dieienigen Fibern darin stehen lassen, die wenn ich sie anschlage, blos die besten Ideen geben. Leider wird man das nur gar zu wol allen nach der Trepanazion geschriebenen Bögen dieses Werkgens anmerken, auf denen ichs mit aller verschwendeten Mühe im Grunde zu keinem einzigen wahren närrischen Gedanken brachte, sondern lauter scharfsinnige erschwang. Auf dem gedachten Regalbogen aber sitzet wirklich das System von närrischen Gehirnfibern, die mir iezt selber fehlen, ausgebreitet und vollständig genug und paragraphenweise aufgepappet. Ein philosophischer Leser sollte sich daher (es würde keinen Menschen befremden und ich rath' es geradesweges an) diesen wolfeilen Regalbogen als ein lebendiges Kräuterbuch, als eine Seekarte bei meiner Arbeit, zu diesem Buche mit kaufen (ich weis, er könnte den Bogen vorn mit einschiesen lassen, und ihn bei meiner Lesung allemal heraus schlagen) um die närrischen Fibern auf dem Bogen gegen die närrischen Ideen im Buche zu halten und die triftigsten Schlüsse daraus hernach doch nicht zu vergessen. Denn iene Fibern sind die matres lectionis zu vielen unpunktirten Stellen dieses Werkgens, oder die Schreibelettern, deren Abdruck hernach aufs Papier gelangte, die fünf Notenlinien, in denen meine uninteressante Feder sich auf und nieder bewegte, und sie waren bisher immer der lange Faden der Materie, den ich und der Leser selten verlor.

Ich könnte noch mehrere Naturalien nicht ohne Würde beschreiben, wenn ich mir aus schlechten was machte, die ieder Narr hat. Solche überall anzutreffende Stücke sind z. B. ein paar wolgewachsene Waden aus Schafwolle, durch die man blos ein Paar ausgehölte Menschenknochen stösset, um in wenig Minuten ein paar gutgebaute Beine fertig zu bringen, die noch obendrein schon von Natur Strümpfe anhaben – oder der empfindsame Damenkopf, der ohne Empfindung und Seele, wenn mans verlangt, Thränen ausschüttet und von dessen Mechanismus der Mechanismus der weinenden Marienbilder in den katholischen Kirchen, denk' ich, wenig abweicht – oder die mit Haaren ausgefüllte Dame, die ihre Kunst sich wie ein unterwiesener Pudel tod zu stellen, doch noch kann und übt, ob sie gleich nicht erst seit gestern tod ist, und die eben durch ihre seelenlose Gestalt iedem, der ihr trauet, noch so gut als ob sie lebte, weis macht, sie sei ohnmächtig oder gar tod.

Ich erinnere mich noch wol, es steht in meinem Naturalienkabinet – iezt hab' ichs aber an diesem Schreibtische – noch ein menschliches Naturalienstück, das vielleicht nicht überall zu haben ist. Es ist mein eigner Körper, den ich durch meinen sauren Spiritus schon seit 24 Jahren konservire und der (wie ichs durch Briefe großer Naturforscher aufs deutlichste erhärten wollte) nimmermehr schon in einer andern Naturaliensammlung vorhanden sein kann. Allein dieses Stück wird gar nicht – ob gleich meine Frau sagt, sie wüste ein anderes vom nämlichen Geschlecht, und noch besseres und wolt' es beischaffen – mit den übrigen veraukzionirt: sondern ich bin gesonnen, es für mich selbst zu behalten und zurückzulegen bis ich sterbe; es hat sich nun einmal meiner Liebe bemeistert und ich glaube, ich könnte ohne dasselbe keinen Tag leben. Ueberdies kann ichs zu vielem brauchen.

Den grösten Putz meiner Sammlung, die ich deswegen für ein paar Thaler höher ausbrächte, gäbe der sonderbare Kopf eines Advokaten ab, wenn er mir ihn ließe, welches er durchaus nicht will. Da dieser Kopf fast ausserordentlich gebauet ist – wenn man anders schon das so nennen kann, was sehr selten ist – indem er durch unabstehliche leere Hölen (wie die Griechen durch Einmauerung leerer Töpfe den Schall der Stimme auf dem Theater verdoppelten) eine Art von Resonanzboden für die Stimme formirt und diese dadurch so verstärkt, daß der Advokat blos mit ihr ganze Prozesse bei Terminen ersiegt und mich selbst, als gegenseitigem Rechtsfreund oft mit Schande aus der Gerichtsstube hinaus hezt: so gieng ich viele male selbst zu ihm und sprach ihn beweglich um seinen Kopf für meine Sammlung an; ich legte ihm die klärsten und lebhaftesten Gründe vor und setzte ihm mit der Frage zu, ob nicht sein Kopf ihm auf einem Gestell in meinem Kabinete mehr wahre Ehre bringen würde als auf seinem Halse; ich machte mich anheischig, ihm soviel als ein englischer Wundarzt einem Missethäter für seinen ganzen Körper zahlte, für den bloßen Kopf auszählen zu lassen und den Rumpf ihm gar nicht abzufodern; ich sagte, der König in Neapel würde mir für so einen Antrag vielmehr mit der ersinnlichsten Höflichkeit begegnen, weil er über 3000 Advokatenköpfe in seinem Lande hätte und nicht wüste wohin damit; ich führte ihm auf mehr als eine Art zu Gemüthe, ich hätte schon deswegen (weil ich nichts weniger als so etwas befürchtet hätte) viele zum besten Abschneiden seines Kopfes nöthige Instrumente in der Tasche und mein Bedienter wartete draussen im Vorsaal mit den übrigen und könnte sie ihm weisen, – allein ich hätte leichter einen Leichenstein als ihn rühren können und er nahms zulezt gar übel und sagte, er müß' erst ein paar Tage überlegen.

Ganz gewöhnlich ist die Zunge eines alten adelichen Fräuleins weiter gar nicht, die augenscheinlich vergiften kann (wie Mithritades mit seinem Speichel,) indem sie wie es scheint sich blos durch eine schnelle Bewegung in eine gelinde Ausdünstung versezt, die den Gift glücklich an den gehörigen Ort hinträgt und damit den guten Namen iunger Leute, schöner Mädgen, glücklicher Personen etc. sowol durchdringet, daß er davon aufgeplazt zu Boden schiesset und maustod da liegt. Auch zieh' ich mich wirklich den Augenblick an und gehe eben hin und will ihr dieses rare Stück geschickt ausschneiden.


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