Jean Paul
Auswahl aus des Teufels Papieren
Jean Paul

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Oft bricht man über Schriften den Stab, die meines Bedünkens offenbar von solchen Schönheiten des Vortrags und des Innhalts überfliessen, die aus ganz berühmten Werken genommen sind. Allerdings ist der Tadel des Rezensenten zu entschuldigen, da er kein Wort von der berühmten Quelle iener Schönheiten wissen konnte, sondern denken muste, derselbe unbedeutende Autor habe sie erschaffen, der sie nur abgeschrieben. Allein man glaube mir, diese Unwissenheit der Rezensenten hat schon tausend Autoren das Lob geschmälert, dem sie entgegensehen konnten, da sie die Schönheiten ihrer Werke nicht aus den ersten besten, sondern aus den vortreflichsten Schriftstellern zusammengefahren hatten. Es mindert das Uebel wenig, daß in unsern Tagen eben die meisten Schriften mit den grösten gestohlnen Reizen geschminket auftreten, und eben so viele griechische Tempel sind, in denen der Verf. den Schmuck und die Rüstung aufgehangen; die er seinen Feinden, den guten Schriftstellern kriegerisch abgeplündert. Will daher nicht künftig (welches ich eben nicht tadeln würde) ieder Autor seinem Werckgen ein kleines Namenregister derer guten Autoren anheften, woraus er dessen Reize gezogen, damit ein Rezensent mit einem Blicke in den Stand gesetzt würde, es zu loben: so muß er sich selbst dem Geschäfte unterziehen, weil ieder Selbstrezensent die guten Werke am besten wissen kann, woraus er den Werth des Seinigen gefischt. Mir wär' es zu verdrießlich, wenn der Autor den einzigen Lohn seines Plagiats, das Lob verfehlen müste: da er Fanggeld nicht will. Denn nicht die Vermehrung der Bogenzahl, sondern sein Geschmack mahnte ihn an, nur schöne Gedancken aus andern ab- und sich zuzuschreiben, wie etwan Rousseau blos solche Notenstücke kopirte, denen sein feiner Geschmack einen Werth beimaß, kurz er begeht sein Plagiat aus keiner andern Liebe als der zum Ruhm und giebt fremde Kinder für eigne aus, nicht um wie der Bettler mit ihnen sein Allmosen zu vermehren, sondern um wie der vornehme Mann durch sie seinen unfruchtbaren Namen auf die Nachwelt fortzupflanzen. – Ich traue dem Selbstrezensenten nicht zu, daß es ihm ungelegen ist, daß er unter dem Scheine, sich selbst zu loben, in der That die feinste Lobrede auf die Verfasser seines halben Buches macht; und nur ein solches Selbstlob ist eigner Demuth, und fremdem Neide am wenigsten entgegen. Mit ähnlicher Feinheit richten (nach Thickneß) die Franzosen das Lob auf einen Fremden nie an ihn selbst, sondern an ihre Landsleute.

Man läugne es nicht, die Rezensenten übertheuern – wie viele Höfe die Titularräthe (daher man oft ein Jahr lang nach dem wolfeilsten herumfeilschen muß) – die Unsterblichkeit zu sehr; und ich glaube nicht, daß sie für das bloße Exemplar des Buchs den Lorbeerkranz abstehen wollen, gesezt auch es wäre ganz sauber eingebunden. Man glaube mir, ich lies in Paris einen Livre wechseln und gab ein paar Sous davon einer Frau auf dem Fischmarkt, damit sie auf mich hinlänglich schimpfte – denn mehrere Reisende machen sich diesen beredten Spas, um sich an satirischer Beredsamkeit zu laben: – als ich nach Leipzig kam, schenkt' ich gerade in der entgegenstehenden Absicht die übrigen Sous einem armen Teufel von Studenten, der rezensirte: mein Gedanke war blos er sollte mich im »räsonnirenden Verzeichniß der Bücher, bei Crusius« nach Vermögen loben. Hätt' ich aber diese verschenkten Sous nicht für meinen kranken Körper verwenden können, wenn ich mich in eigner Person rezensiret hätte? Warum wollen wir so bekannte Autoren Lorbeerbäume erst von andern uns mit vielem Geld erhandeln? Es ist offenbar, wir können uns selber dergleichen ziehen, dabei kann gar keinem glücklich organisirten Autor angesonnen werden, sich völlig gratis zu loben: sondern der Verleger muß das Seinige recht thun. Ueberhaupt hätt' ichs niemals erwartet, daß es unter 1000 Millionen Menschen keinem auffallen würde als mir, daß wir Menschen lächerlicher Weise unsere besten und feinsten Lobsprüche (wie die Holländer ihre besten Bücher und ihre Butter) andern und Fremden lassen und verkaufen, die schlechtesten und kleinsten hingegen (wie iene Tuch und Butter) für uns selbst aufheben oder aufkaufen. Wahrhaftig kaum der Teufel könnte sich bei dem magern Lobe beruhigen, das sich in unsern Zeiten ein reifer gesunder Mann mit Weib und Kindern geben darf und Helvetius schreiet äusserst darüber.

Mein ältester Sohn der ein Buchhändler geworden säh' es gern, wenn ich noch ein wenig sitzen bliebe und folgendes hersezte. Unverantwortlich schieben die Bücherrichter gewöhnlich ihre Entscheidungen auf, und fällen meistens ihr Urthel nicht eher als bis das Buch im Gefängnisse schon verschieden ist, und thun wie Moses Infamienstrafen keinen andern Missethätern an als toden. Am sündlichsten ists, gar mit dem Lobe einer Schrift bis auf deren Tod auf diese wahre Widerlegung desselben zu warten: das heist offenbar, die allerherrlichsten Schriften – es mögen nun meine oder andere sein – mit Weihrauch nur einbalsamiren, und nicht einparfumiren. Ein Bücherrichter begiebt sich dadurch ganz schändlich alles seines richterlichen Einflusses, wenn er vom Publikum das Schicksal eines Buches entscheiden lässet und für sich es nur bestätigt, so wie wir etwan alle viele 1000 Jahre schon im Himmel und in der Hölle sitzen werden, eh' endlich der iüngste Tag beide uns durch einen richterlichen Ausspruch bescheidet... Erwäget man, o! ihr Musen, die ihr unserem Parnasse ganz gut vorstehet, noch die zeitige Hinfälligkeit der Bücher, deren Millionen an ihrer Anzahl, tausend an ihrer Jugend sterben, viele durch Würmer hingeraft werden und wenige lebenssatt und vor Alter entschlafen; erwäget man ferner, daß ich vor einigen Jahren an meinen Schreibtisch gieng und da im Namen von 11000 Romanenschreibern in einer der besten Suppliken den Rezensenten begreiflich zu machen suchte, daß das Gesetz des Karls des Großen, das an Gerichtstagen die Armen zuerst anzuhören und abzufertigen befiehlt, auf niemand ausgedehnet werden könne als auf die Romanenschreiber; erwäget man dies alles in heitern Stunden: so sieht man ein, daß ich folgende Erläuterungen gar nicht zu geben bedarf. Im vorigen Jahre allein hätten 6 Trauerspiele und 9 Nonnengeschichten auf mein Wort 2 Monate länger auf den Toiletten als bunte Schauergerichte aufgesetzet werden können, hätten sie ihre zu lange auf geschobene Verewigung in verschiedenen Zeitungen erlebt; und viele Kranzische Schriften haben es blos dem frühen Lobe, womit sie in gröster Eil der Verf. selbst im voraus belegte, Dank zu wissen, daß sie den Gerichtsweg vom Buchladen zum Kramladen, vom Gefängnis zum Richtplatze doch unter einer ganz beträchtlichen Begleitung von einigen 100 Lesern und des lachenden Pöbels zurücklegten. Nicht schlechter werden es die übrigen Selbstrezensenten machen: sie werden den eisernen Brief oder das Moratorium der Selbstrezension schon vor dem Bankerute ausfertigen, und den Lorbeerbaum (wie gewisse Völker) zugleich mit ihrem geistigen Kinde pflanzen, damit es sich in seinen alten Tagen oft darunter setze. Dadurch können vielleicht überdies tausend schlechte Schriften noch in ihrer unverdorbenen Neuheit dem Publikum zugeführet werden, die es nachher und später nur mit Eckel hätte genießen können, da nichts elender ist als ein elendes Buch, das alt ist, wofern das nicht gar einerlei ist. Auch find' ich hier den Ort, wo ich dem Leser die Hofnung machen soll, daß ich diesen langen Aufsatz vielleicht nach wenigen Bogen ganz beschließen dürfte.

Allerdings kann man ohne verwerfliche Chikane wenig dagegen vorbringen, wenn die Rezensenten fragen, ob sie wol noch wie die alten (z. B. Salmasius, le Clerc, die Skaliger etc.) Pedanten wären, die allen Henker wüsten. Ist es aber wol ein wahres Wunder, wenn bei der allgemeinen Verbesserung aller deutschen Gelehrten, die nun insgesamt (vielleicht zu einiger Beschämung der englischen) sich auf einige wenige in ihrem eignen Kopfe gepflanzte und gezogene Kenntnisse einzuschränken gelernet, ohne mehr gleich wahren Schulknaben in den alten Autoren nachzublättern, wenn sag' ich auch die Rezensenten gemeinschaftlich sich mit geändert und gebessert haben, so daß man iezt freilich alle 10 Quadratmeilen leicht einen auftreibt, der nichts weiß? Ich hoffe nicht unter die Leute zu gehören, denen von dieser zu glücklichen Umkehrung der Rezensenten wenig zu Ohren gekommen; solche mögen ihnen immer die alte Pedanterei und Gelehrsamkeit noch nachreden und sie daher – sie machen dabei eine verhaste Anspielung auf eine Sitte der Karmeliter, die iedem Novizen, dem ein Wort Latein und Gelehrsamkeit entgieng, mit den Zipfeln seines Skapuliers ein Paar Eselsohren ansezten – gar noch immer Esel nennen: ich werde ihnen diesen pöbelhaften Namen niemals geben, da ich weiß, daß sie ihn nicht verdienen, sondern wirklich ungelehrt sind. Ich muß es gestehen, daß sie eben hierin den Hauptgrund haben, auf den sie und andere die Hofnung ihrer Beibehaltung meistens setzen: denn eine gewisse Unwissenheit ist das unentbehrlichste Erforderniß eines ieden Richters – daher sogar in den ältere Zeiten nur UngelehrteAuch iezt hält mans weder mit Kriminal- noch Zivilrichtern schlechter. Nur hoff' ich müssen sie vorher entweder einige Jahre auf der Akademie oder in einer Schreibstube oder in einem Vorzimmer oder in einem Schlafzimmer gewesen sein und dies macht den ganzen Unterschied. auf dem peinlichen Richterstuhle saßen – am meisten eines litterarischen. Die Sache ist nach dem vereinten Bedünken tausend großer Männer die: kein Richter braucht die Gründe seiner Entscheidung zu bekennen oder zu haben; kein Zensor thuts oder brauchts; ein Rezensent ist also ein sehr schlechter Mann, der die Gründe seines Urtheils beichtet. Denn man kann gar nicht einsehen, zu was dem Publikum diese Offenbarung seiner Gründe dienen soll, da diese dem Gewichte seiner Behauptung nichts zuwerfen, sondern eher manches abthun können und da die leztere überhaupt gänzlich von ihnen unabhängig ist, weil man sonst von einer durch Gründe abgenöthigten Behauptung sagen müste, sie wäre nicht ganz frei. Auch steuern sich die besten und dauerhaftesten Urtheile in der Welt auf ganz etwas anders als auf Gründe, die viel zu leicht zu untergraben wären und besonders die litterarischen und gerichtlichen federn weit gesündere Stützen. Es ist daher nicht vernünftig gedacht, dem Rezensenten eine Unmöglichkeit, nämlich die Anzeige der Gründe seines Urtheils zuzumuthen, da man so gut weis, daß er selber keine hat und welche sucht... Allein diese Unwissenheit und Unpedanterei, womit der Rezensent sich so vieles weiß, hat er ia offenbar – und Undank sollte ihn nicht abhalten, es zu bekennen – erst den Autoren selbst zu verdanken, die sich die Mühe gaben und iene klassischen Werke schrieben, die ich auch gelesen und durch deren Lesung und Beurtheilung ein Rezensent seine angebohrne unschuldige Unwissenheit gelehrter Dinge theils konservirt theils grösser macht; denn ob man gleich über Shakespear die Frage die man kaum verneinte erhob, ob er gelehrt gewesen: so soll doch hoff' ich über uns spätere schöne Geister dieser Zweifel gänzlich wegfallen und kein Argwohn einer Gelehrsamkeit auf uns sitzen bleiben, gegen die wir die Brunnenkur der Hippokrene als Lethewasser tranken.


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