Jean Paul
Auswahl aus des Teufels Papieren
Jean Paul

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VII.

Beitrag zur Naturgeschichte der Edelleute; aus einem Syrischen Schreiben

Ich hatt' es schon ganz satt – es war überhaupt mein verdrüßlichster Tag während meines ganzen Aufenthalts in Aleppo in Syrien – auf dem Dache mit meiner Windbüchse ohne alle vernünftige Absicht herumzukreuzen: als gerade neben einer Wolke die Mitwochspost herflog. Ich wartete, bis sie gerade über meinen Kopf weg wollte und schoß sie dann unversehends herunter. »Ich kann es, sagt' ich nach dem Schusse, eigentlich gar keine Postberaubung nennen: denn ich retorquire blos und ich wünsche nur, daß das, was mir die deutschen Tauben vom Felde stahlen, mir durch die Briefschaften, die diese etwan unter dem Schwanze hat, recht ersetzt würde.« Allein als ich sie befühlte, war ihr blos Ein Brief am Schwanz gebunden. Ich biß ihn ab und ersah, daß ihn ein Mönch aus einem benachbarten Kloster an eine Nonne in einem andern abgelassen hatte, um ihr brieflich die Naturgeschichte beizubringen. Ich sah es nun nicht gern, daß ich die Taube und den Brief herabgeschossen hatte: »denn es ist ietzt so viel, sagt' ich, als wäre die Nonne ein reicher Student in Europa und hätte da ein Kollegium wirklich geschwänzt, wie man sich in diesem berühmten Welttheil längst ausdrückte: denn ein dasiger Student sucht stets seinen nachgeschriebenen Heften durch hiatus die Form der Manuskripte der Alten und nicht blos den Geist sondern auch die Gestalt des Alterthums einzuprägen.« Es wird mich wenig reuen, wenn ich dem Leser den Brief aus dem syrischen übersetze: denn der Leser besitzt wenig ächte Kenntnis des Syrischen und ich glaube, er kann ihn nicht einmal recht syrisch lesen.
 

»Liebe Tochter!

Der Prior kam gestern zwar von Jerusalem zurück geritten, aber ich mochte ihn noch nicht darum fragen, weil er so müde war, daß er kaum sitzen konnte, wie sein Esel auch. Die neulichen Diebe fiengen wir gestern ein: es war ein gewisser Kagliostro dabei, der die Thür SchlösserIn Aleppo sind die Schlösser, nach Russel, von Holz und die Thüren von Eisen. in Brand stekte und nachher einbrach. So giftig sind die Menschen, wolriechende Palme meines Lebens! – aber wir sitzen im Schatten der Ruhe und schauen das Angesicht der Erde an, aus dem ihr Schöpfer wie eine Seele hervorsieht; besonders sind viele Bäume an meinem Zellenfenster schön. Wir müssen aber in unserer Naturgeschichte hurtig fortfahren.

Wir habens schon das vorigemal gehabt, daß Gott in die Vögel den Trieb der iährlichen Wanderung gesenket, hernach in die vierfüssigen Thiere und auch in die Heeringe; wir kommen iezt gar auf die Edelleute. Der Trieb zur Wanderung offenbarer sich bei ihnen erst im 24. Jahre und hält sich an gar keine bestimmte Zeit: wie auch Schmetterlinge und Mäuse zu weilen zu ziehen angefangen daß ein Mensch weis, warum gerade iezt. Ein alter Minister sagte mir, wenn man um diese Zeit einen wahren Edelmann einsperrte, z. B. in eine ritterschaftliche Bibliothek, wo es warm genug wäre oder in einen Käfig, so würd' er traurig werden und seine Zeit wissen und hinauswollen, und liesse man ihn wirklich nicht nach Frankreich oder Italien: so würd' er wie ieder Zugvogel ganz des Teufels werden. Es geschieht erstlich der Wärme wegen, daß so viele Strich- und Zugmenschen aus England und Deutschland in südlichere Länder wollen: denn der physiologische Haller hält es ausdrücklich für heilsam, die Jugend in einem kältern und das Alter in einem wärmern Klima zu verleben; ich habe dir aber schon gesagt, daß gar viele Edelleute es noch zu dem hohen Alter von 24 Jahren bringen, wo zum Glück gerade ihr Auswanderungstrieb aufwacht. Gottesfürchtige Naturforscher sehens aber auch als eine besondere Wolthat für ganze Länder an, daß – so wie die Heeringe vom äussersten Pole zu den Hamen der Holländer und Franzosen abreisen müssen, um von ihnen eingepökelt und von den erstern mit einem Gewinnst von 1 Million Thaler abgesezt zu werden – gleicherweise die Edelleute durch einen besonderen Naturtrieb genöthigt werden, nach Paris zu fahren, um dort von tausend Menschen gefangen und benuzt und verzehrt zu werden; ia wie die blizenden Schuppen des Heerings den Netzen des nächtlichen Fischers den Weg und den Fang anweisen: so sollen die goldnen und silbernen Schuppen am Körper des Zugedelmanns das ihrige beitragen, um ihn eifriger aufzugreifen und seiner in Netzen von Kartenpapier habhaft zu werden.

Du must noch wissen, daß ich dir zwar neulich geschrieben, daß die Vögel in den warmen Ländern, die sie als ihre Winterstuben beziehen, aus zwei Gründen keine Jungen zeugen können, erstlich weil wir hier in Syrien nichts davon sehen, zweitens weil sie in Europa allezeit ohne Jungen und allezeit ohne abgenüzte oder abgemauste Federn anlanden, welches beides nach dem Brüten nicht statt hätte – allein bei den mit dem langen Queve fortgestossenen Menschen ists zehnmal anders; sie segeln stets mit zerrissener und abgebleichter verschossener Haut wieder heim und bringen nur aus einerlei Grund weder Geld noch Kinder mit; deswegen schreibt ia auch ein gewisser halbblinder und alter Naturforscher so schön von den Zugedelleuten: ›zwischen ihnen und den Zugvögeln seh' ich hierin natürlich einen Unterschied.‹

Ich habe dir neulich zu berichten vergessen, daß die Wachteln in Neapel acht Tage lang nach ihrer Ankunft aus Afrika giftig zu geniessen sind und ich las es selbst erst im Ferber, allein nachher kann sie iede Wöchnerin essen, wenn sie mit Korn gefüttert worden. Es schadet nicht viel, daß die streichenden Edelleute aus Paris auch einen gewissen Gift als Rückfracht heim bringen, den man unter dem Namen der französischen atheistischen Philosophie recht allgemein scheuet: sie bleiben auch nicht lange giftig, besonders wenn man sie auslacht und nicht bekriegt.

Da die Lerchen bei ihrem Wiederstriche fett befunden werden, so wollen deswegen einige Naturforscher gar ihren Strich bezweifeln; ich kann mich am allerwenigsten in dieses Lerchenfett finden, da ich gerade an den Edelleuten, die ihren Strich und Wiederstrich wirklich machen, nachher so weng Fett ausfühle, daß ihr ganzer Leib so mager ausfällt wie die verdorrte Hand, die am Arme des Mannes im vorigen Evangelio sas. Ich wollte, du wüstest es recht gut, warum blos Nordmänner und selten Nordweiber durch den Naturinstinkt nach Paris gehetzet werden, wie man etwann nach Europa blos Papagaienmänngen und keine Weibgen einliefert:....« die Konklusion hatt' ich von einander geschossen.


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