Jean Paul
Auswahl aus des Teufels Papieren
Jean Paul

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Ich verderbe die Zeit und Feder durch diese Anrede an Sie, lieber Blanchard, nur deswegen, weil ich Sie glücklich preisen will, daß ich in guten Zeitungen gelesen, daß Sie, wie man merkt' nichts zu stehlen brauchen als höchstens – Geschenke. Wenige leben wie Sie blos von der Luft, die sie machen, und in der man wohl Schlösser aber keine Schiffe bauet, und nur ein Feind von Ihnen kann Sie unter eine Luftglocke und in den luftleeren Raum verwünschen, wo Sie noch eher stürben wie ein Frosch, und ohne wie dieser sich darunter aufzublähen. Ich erinnere mich recht gut, daß ich oft, wenn ich auf meiner Reise mich zu Fuße forthaspelte, und Sie doch oben gerade über mir (welches zweimal geschah) mit Ihrer Arche erblickte, Sie ausserordentlich schimpfen wollte; ich hatte mir es ausgesonnen und wollte Sie einen Styliten nennen – oder schlechtes Treibeis und mich Grundeis – oder Sie einen todten und oben schwimmenden Hecht und mich einen lebendigen, den seine durchstochene Blase an den Boden picht und knüpft – ich wollte Ihnen vorwerfen, Sie trieben auf Ihrem Schiffe einen Grosavanturhandel oder auch einen Küstenhandel nahe an unserer Erde, und ich triebe weit mehr und alles, hätte aber nichts – ich wünschte es einmal laut, Sie hörten es aber in Ihrem Apogäo gar nicht, Sie möchten als ein schlechter Niederschlag präzipitirt werden, ich wollte einmal gar eine Windbüchse borgen und nach Ihnen schiessen: allein es war lauter Neid und ich sah das ein so gut wie Sie, und wenn ich es noch eher und vielleicht besser abgewogen hätte, wie gros Ihre Verdienste um das Luftschif, um die Luft selbst und um die ganze Athmosphäre denk' ich sind, und wie wenig Ihnen dafür Belohnung zufalle (ia ich möchte, das Geld ausgenommen, fast sagen gar keine, die in Lobe, von Naturforschern gemünzt, besteht), so wär' ich sanft und ohne Gestikulazion unter Ihrem Schiffe weg und gar nach Hause gegangen, um diese Anrede an Sie spashafterweise zu schreiben.

Das gröste und feinste Bonmot, wozu ichs auf der Reise brachte, war der Fuß- und Kirchenraub und er mag von Kritikern, als eine in Handlung gesezte Satire hin und wieder angesehen werden, wiewol Satiriker dieser Art gar leicht gehangen werden. Andere, minder gefährliche und minder nützliche Bonmots lies ich in Menge springen, würde aber kein einziges hier der Reisewelt anbieten, wenn ich nicht sähe, daß eines oder ein paar, vielleicht etwas unzüchtiges in sich hätten: dies muß mich entschuldigen und ihren geringen Witz. Erstlich wurde ich in einen einfältigen Streit über den Werth beider Geschlechter (es waren lauter Damen beisammen, die einander verabscheuten) gefragt: ob ich eine hätte werden mögen, ich war aber augenblicklich mit meinem ersten Bonmot bei der Hand: »durchaus nicht: ich könnte ia dann keine mehr lieben«. – Das zweite Bonmot schrieb ich mit Dinte, die erst durch Ofenhitze sichtbar wird, an einen Ofen, der die Gestalt eines nakten und vollständigen Ganymeds hatte(im Modejournal stekt er gestochen): »das ist der einzige Ofen in der Welt der erwärmt, wenn man ihn nur ansieht, und Beinkleider es sei am Ofen oder am Anseher, sind der einzige Ofenschirm.« Das dritte verstand ich selber erst, nachdem ichs schon gesagt; es betraf eine Frau, die keine andern Freuden liebte, gab und nahm als die grösten, und deswegen einen Magnetiseur herumführte: ich fragte den Magnetiseur, »da Eisenstäbe in lothrechter Richtung anziehend und magnetisch würden und in wagrechter die Kraft wieder verlören: bei welcher Person fragt' ich, seines Bedünkens es umgekehrt wäre?«

Ernsthafte Anmerkungen bracht' ich auf der ganzen Reise nicht mehr zusammen, als zwei. Die erste ist, daß einem der Weg nicht lang wird, sobald man sich steif einbildet, man wolle nirgends hin als in den nächsten Ort, das ist: sobald man, weil die Zusammenzählung der Mittel so sehr abquält, iedes Mittel für einen Endzweck ansieht, – mancher Schlafrock wird denken, ich meine die Reise durch unser kleines Leben, das uns sicher lang genug vorkäme, wenn wir einen großen Endzweck im Auge behielten und nicht iedes Mittel zu einem Endzweck erhöhen, (daher der arme Mensch nach tausend erhinkten und erflogenen Zielen doch sein veraltetes Auge noch sehend nach einem richtet, das er selber mehr sieht): allein, ich dachte gar nicht daran. Die zweite Anmerkung ist fast ernsthafter: das Reisen, das in iedem Sinne Kosmopoliten schaft, macht einen so kalt wie einen Gastwirth oder Lohnlakai: ein Dorfbewohner hängt sich an ieden Menschen mit einer Theilnahme als ob sie bei Einem Pfarrer beichteten; wen aber das Reisen zwingt, vor tausend Menschen gleichgültig vorbeizufahren, der gewöhnt sich daran, überhaupt vor den Menschen gleichgültig vorüber zu ziehen und das Reisen und das Hofleben scheinen, – bis man sich bei den Seinigen wiederansaugt und kein schwimmendes Meergewächs ohne Boden bleibt – aus einerlei Gründen, einerlei Kälte, Nachgiebigkeit, Toleranz und Höflichkeit zu pflanzen. Daher iene Mordkälte der Grossen und Fürsten, für die wir schlechterdings bloße kartesianische Thiermaschinen und Mumien, die man gliedweise zum Malen und zum Mediziniren zerschabt, vorstellen müssen, die um sich uns als lebendig zu denken, dazu die Figur der Prosopopöie bedürfen, und die einen lebendigen Menschen, und Liebe für ihn nirgends finden, als am Günstling, an der Maitresse und an denen Unterthanen insgesamt, die etwan von den Komödianten auf der Bühne repräsentirt und reflektirt werden.

Von politischen Anmerkungen bracht' ich gleichfalls zwei nach Hause: es wäre mir aber nimmermehr zu verdenken, wenn ich sie unterschlage, und aus Furcht vor geistlichen Anfechtungen mit meiner Bitte an das ganze corpus evangelicorum nicht hervorgienge, nämlich Hofleute und Wirthe von weitem ausspioniren zu lassen, damit ich und die Berliner Monatsschrift dahinter kommen, ob die einen oder beide wirklich geheime ausgemachte Katholiken sind, oder nicht. Denn es ist Verdacht da. Ich hebe hier aus keinem Hofkalender ein Mandel Hofleute aus, die die Unterstützung und Belohnung, die verdienstvolle Männer aus bessern Händen am Hofe holen, für das gute Werk ihrer eignen ausgeben: allein, ich könnt' es aus iedem Kalender. Ich will z. B. den Herrn nicht mit Namen hersetzen, der mir (ob ichs gleich von sicherer Hand schon wußte, daß es der Minister selbst gethan) versicherte, es wäre nicht so, sondern er habe aufrichtig zu reden, der Hofdame die grössere Pension, dem Prinzenhofmeister die Oberhofpredigerstelle, und der Tänzerin die ausserordentliche Gage in einer glücklichen Minute zugeführet, und es reue ihn halb. Wie weit steht er vom offenbarsten Katholizismus noch ab? das können wir alle ausrechnen. Denn wir haben alle gelesen, daß zufolge des Katholizismus der Ueberschuß der guten Werke, den der Eigner (wie hier z. B. der Minister) nicht gerade durchaus zum Seeligwerden haben muß, recht gut einem andern ärmern Teufel (z. B. dem Hofmann) kann zugeschlagen und geschenkt werden; der kann sie brauchen wie er will und als seine eigne, der kann sie für seinen einzigen Religionsfond, für sein Szepterlehn, für sein Familienstipendium erklären, wenn er gerade zu diesen ausserordentlichen Metaphern dabei greifen will. Dennoch fleh' ich Groß und Klein an, in der ganzen Sache nicht zu stolpern, sondern mehr die Unpartheilichkeit dabei zu zeigen, als den Verstand und die Einsicht.

Ich wollte, es stände mit den Wirthen um ein Haar besser. Allein, sie haben zu ihrem entsetzlichen Schaden den Bellarmin und einige neuere lateinische Katholiken – ich möcht' aber um alles wissen, wie nach und durch wen – in die kreidenartigen Hände bekommen – und nun messen sie keinen Tropfen Wein mehr weg, dem nicht ein eben so grosser Tropfen reines Wasser beigespant wäre. Ich möchte den leeren Kopf nicht zwischen meinen Schultern haben, der die Wirthe beschirmen und sagen könnte, es geschähe alles aus den besten Absichten, bei denen die protestantische Religion gänzlich bestände; denn einem solchen Kopfe würd' es ganz etwas unbekanntes sein, daß es eben eine Hauptdevise der römischen Kirche ist, allezeit dem Wein sogar im heiligen Abendmale Wasser beizuschütten. Die Meßpriester bestätigens, die ihn dennoch trinken müssen.

Wenn also der Religionsabfall der Höflinge und Wirthe sich wirklich bestätigte: so hätten wir alle ein neues Unglück aus den Händen der Jesuiten erlebt, und man müst' es diesen beimessen. Es wäre überhaupt meine Pflicht, hier auf diesem Blatte die Jesuiten das zu nennen was sie sind, besonders heilige Väter aller unheiligen Söhne und Töchter, und Falsarii der Könige – ich verstehe darunter, ich sollte sie nicht sowol beschimpfen als Entrepreneurs der Hölle und Präadamiten des Teufels nennen, wiewol der leztere das nicht leiden will, sondern sich vielmehr für ihr Protoplasma ausschreiet – einer unpartheiischen Welt wär' vielleicht auch lieb, wenn ich Scharfsinn verriethe und mit den besten Gründen vorträte, warum diese fatalen Hasenscharten an der schönen Gestalt der Menschheit, die Sonne zum Symbole ihres Ordens ernanntenUnd das muß in dieser Note geschen. Wenn man den Jesuiten zugiebt, daß der Engländer Swinden Recht hatte, die Sonne für die Hölle anzusehen: so hat man ihnen auch zugegeben, daß sie Recht haben, ihre europäischen Besizungen in der andern Welt, wohin sie Kolonien von Verbrechern abliefern, in ihrem Wappen zu führen; ich selbst geb' es zu. : aber wer unter den polizirten Völkern haftet mir dafür, daß alle diese Verbaliniurien, die ich iezt den Jesuiten anzutun verhofte, aufrichtig zu reden meine eigene sind und Früchte meiner Denkungsart? Denn die Jesuiten selbst, die iezt zum Schein gegen sich selber schreiben und predigen, könnten sie mir ia ohne mein Wissen eingeblasen, sie könnten ia an die Stelle meines geringen Athems, womit ich in die zweite Trompete der Fama zu ihrem Nachtheil zu stoßen gedacht, ihren eigenen gespielet haben, so daß ich warlich am Ende hier oder anders wo stände und gar nicht wüste, woran ich wäre und was ich von den Jesuiten eigentlich hielte. Es wäre daher eine Christenpflicht, daß ein vernünftiger passabler Mann einen Bogen Papier nähme und mir schriebe, ob ich ein heimlicher Jesuit wäre oder nicht, und ob ich eine ausserordentliche Abneigung oder gar Liebe für sie hätte; ia ob ich nicht gar diese Tour durch die Welt blos ihretwegen und der Proselytenmacherei willen, wirklich gethan und beschrieben. Das wäre aber in iedem Betracht ein verdammter Streich.

Indessen wär' es eine Sünde gegen den heiligen Geist, die ich gegen mich selbst begienge, wenn ich fortfahre und durch meine Reisebeschreibung Vergnügen und Nutzen mit einander aussäete, während die ganze Welt mir beides raubt und mich so gottlos verleumdet. Denn ist es nicht eine gemeine Sage an recht vielen Orten, ich wäre auf meiner Entdeckungsreise in iedem Betrachte Hungers gestorben, wenn nicht eine gewisse kaiserliche Untersuchungskommission mich und unzählige Diätengelder gratis mitgenommen hätte? Ziehen nicht einige, die dabey sitzen, die satirischen Achseln und beschwören, sie könnten schwören, dies hätt' es noch am wenigsten thun wollen, wenn ich ausser dem Hunger auch Ehre im Leibe gehabt und mich ernsthaft gesträubet hätte, verschiedenemale in Ungarn mir dadurch ein paar Kaisergroschen zu erringen, daß ich, weil gerade eine Marionette von meiner Statur fehlte, diese repräsentirte und meine Glieder durch Drahtfäden regen lies und ohne Scheu den gräflichen Zuschauern weis machte, ich wäre im Grunde von hartem Holz und stellte mich nur zuweilen auf der Gasse lebendig, wie ein hölzernes Bein? Und wäre damit mein armer aber guter Name nicht schon boshaft genug an die Schandseule gebunden gewesen, ohne daß noch hinzuzukommen von nöthen war, ich hätte in Wien meinen Bart im Verborgenen unchristlich lang anwachsen lassen und hernach doch abgeschoren und röthlich gefärbt, um ihn den frömsten Seelen mit vielen Umständen ins Haus zu schicken, damit sie mir etwas weniges dafür geben, und nachher bei guter Muße vor ihm in der Hofnung niedersänken, es wäre zum Glück nichts schlechters als des verdammten Verräther Judas nachgelassener BartIch läugne deswegen nicht, daß andere Leute, wie auch Herr Nikolai berichtet, frommen Wienern Reliquien und Heiligenbilder auf ein oder ein paar Tage zum Verehren leihen, wie bei uns Besen. ? – Ja haben nicht viele sich geschämt es laut zu thun und es dem Nachbar dennoch leise beigebracht, ich hätte, um in Berlin einigen Goldkoth aufzuhaschen, den man da fast so hoch als boue de Paris achte, auf eine mehr freche als andere Weise mit einem betagten Alchimisten, der aus dem menschlichen Koth den allgemeinen Lebensgeist zu exzerpiren verstand, den lächerlichen und doch wichtigen Kontrakt gemacht, daß ich ihm, fals er mir die nöthigen präexistirenden Keime, dazu herschösse, nämlich das Mittagsessen, täglich ein ordentliches Sediment einhändigen wollte, gerade als wär' in ganz Europa in Rücksicht der guten Meinung, die man davon hat und der Leichtigkeit, Gold und allgemeinen Lebensgeist daraus zu extrahiren, nicht der caca du Dauphin der allerbeste? – dann wären von diesen teuflischen Verläumdungen nicht die meisten falsch: so hätt' ich ia hier Dinte und Papier, es zu gestehen; allein ich schreibe gerade das Gegentheil und könnte die Göttin der Wahrheit ein Wort reden, so müste sie selber sagen, daß sie mich auf meiner kostbaren Reise blos davon leben sehen, daß ich gleich iedem zirkulirenden Virtuosen überall, wo ich Ohren oder einen Konzertsaal erblickte, sofort mit meiner Bratsche hineingegangen und darauf so gut gegeigt, als es menschliche Arme und Seelen in ihrer irdischen Verbindung vermögen; und wer weis es anders? Ich stand daher, die Wahrheit zu sagen oft, auf dem Komödienzettel mit.


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