Jean Paul
Auswahl aus des Teufels Papieren
Jean Paul

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IX.

Betrachtungen auf ieden Schalttag über die Köpfe auf den Münzen

Man thue seine Pflicht und säe der halben Welt Staub in die Augen – z. B. der König Goldstaub – der Rektor an der Domschule Schulstaub – die Rota Glasstaub, der die Augen gar anfrißt – der Poet Federstaub von seinen Zweifaltersflügeln – ich Bücherstaub und der Buchhändler: so wird alles nicht übel ablaufen. Ich sehe nicht erst heute, daß es meine Pflicht ist, das Publikum in folgende Betrachtungen gucken zu lassen, die hoff' ich wenig oder gar keinen Zusammenhang und überhaupt recht viel Wiz haben: allein den Geburtsort derselben muß es doch fast noch früher erfahren.

Ich stand nemlich einen ganzen Vormittag bei der öffentlichen Versteigerung des Sarrischen Münzkabinets, ohne, aus Mangel neuer Thaler, etwas auf die alten zu bieten. Dies hätte iedem andern Kopfe als den meinigen mit Langweile angestekt wenn ich nicht mein ganz besonderes Arkanum gegen sie präpariret hätte. Es besteht im Grunde darin, daß ich sobald ich in eine langweilige Nachbarschaft gerathen bin, sofort mit völliger Geistes Abwesenheit ganze satirische oder metaphysische Abhandlungen auszuarbeiten anfange, die ich nachher zu Haus aus meinem ganzen Gehirn wieder abschreibe: mit den Augen sez' ich meine Gegenwart dennoch fort und der Körper ist die repräsentirende Spielmarke des Geistes ohne Mühe. Ein solches Produkt der Langeweile sind nun die gegenwärtigen Münzbetrachtungen, die ich den historischen Münzbelustigungen des H. Spieß in 5 Bänden kühn entgegenseze und die nur 5 Seiten ausmachen. Wenn der Aukzionsproklamator nicht so übermässig geschrien und geklopft hätte (wodurch er mich irre machte): so wäre vielleicht eine und die andere von meinen Münzbetrachtungen wiziger, logischer und tiefsinniger ausgefallen, hätte vielleicht mehr Geschichtskunde aus den mitlern Zeiten verbunden mit den seltensten Sprachkenntnissen verrathen, wäre der erlaubten Bewunderung der ganzen gelehrten Republik würdiger geworden, und hätte den H. Nikolai mit grösserem Erfolg zu dem merkwürdigen Spruche gezwungen: »diese Münzbetrachtungen müssen ihre Rezension haben und zwar eine unter den grossen ganz vorn in meiner allg. deutschen Bibliothek, an der so unglaublich viele Köpfe und über ein halbes tausend Finger schreiben, mich armen von Arbeit überdeckten und gekelterten Mann nicht einmal eingerechnet.«

Da ich das Münzkabinet nur im Allgemeinen überblickte: so macht' ich blos die allgemeine Betrachtung über alles zusammen und über die dem Gelde aufgeprägten Köpfe insbesondere, daß ich, wenn ich ein Fürst wäre, oder noch mehr ein akademischer Protektor, der ihn – seinen Koadjutor – lateinisch lobte, als Fürst den ausserordentlichen Vorzug haben, oder als Protektor ihn erheben würde, daß ich meinen fürstlichen Kopf nicht gerade auf meinem eignen Halse sitzen zu haben brauchte. Der Kopf – an keine Einheit des Orts gebunden – könnte recht gut auf dem Halse meines Ministers, meines ersten Generals thronen; er könnte besonders auf den steinernen Schultern meiner Statue seßhaft sein; mein Kopf könnte auch weil er erst dann im eigentlichen Sinne regierte und iedes Individuum besonders lenkte – nirgends als auf dem Münzstempel, d. h. in meiner Chatoulle, in ieder fremden Chatoulle, in meinem ganzen Lande, in iedem fremden Lande, in allen Kollegien sitzen und wirken – kurz er wäre, blos meinen Hals ausgenommen, auf eine recht fürstliche Art überall allgegenwärtig. Dann würde man gegründete Hofnung haben (die uns die iezigen Anstalten benehmen), ein Land so ausserordentlich glücklich zu sehen, daß blos der (veriüngte auf Gold- und Silberblättgen herumschiffende) Kopf des Regenten Aemter vergäbe, Frieden und Definitivsentenzen machte, zu den Dekreten unter seinem Namen nicht blos den Namen sondern auch den Inhalt diktirte und überhaupt selbst regierte... Ein paar Gnadenpfennige und Medaillen brachten mich auf die zweite Betrachtung.

Wenn man die Welt ein wenig kennt: so schliesset man von selbst aus der Menge von Medaillen, die ein Mann durch Preisschriften und Preishandlungen zusammengetrieben, auf die Menge seiner Verdienste, und bei einem Fürsten sind eben deswegen weder seine Medaillen noch seine Verdienste zu zählen. Wundern aber muß es manchen Denker, daß man fast nirgends auch das Geld zu den Gnadenpfennigen und Medaillen rechnet, unter die es doch sein fürstliches Angesicht und der heraldische Wappenapparat und der lateinische Zauberkreis sollten stehen können. – Frankreich sieht das doch ein und vertheilt deswegen seine Aemter nicht an Leute, die statt der Verdienste verdienstvolle Ahnen aufführen, sondern blos an solche, deren Amtsgaben und Verdienste sicher genug erwiesen werden können, welches eine große Menge Medaillen eben am ersten vermag. Diese Medaillen sind gewöhnliche Gold und Silbermünzen, die der Amtslustige als einen Beweis durch Augenschein – als eine Gewissensvertretung mit Beweis – als eine hypothekarische Versicherung seiner todten und lebendigen Kräfte in die königliche Kammer niederlegt, welche die besagten Kandidatenmedaillen hernach zirkuliren lässet, damit ieder, besonders auswärtige Gesandte es zur Rechtfertigung des Staates sehen, welchen Subiekten Frankreich seine wichtigern Stellen anzuvertrauen gewohnt sei.

Was daher die Römer Talente (talenta) nannten und was wir so nennen: war von ieher eines und dasselbe, obgleich freilich Talente bei uns, wegen der Entdeckung und Ermordung und Beerbung von Amerika, eine weit grössere Summe Geldes bedeuten müssen. Rechtschaffene Männer suchen nie um Aemter ohne Talente an; solche halten es vielmehr für Pflicht, nach nichts in der Welt so sehr zu laufen auf iede Art, auf zwei Füssen – auf Händen und Füssen – auf 32 Beinen – auf einem Stelzfus – auf zweien – auf podagristischen Krücken, auf den Knien, nach nichts so sehr als nach einer unabsehlichen Menge von goldnen und silbernen Köpfen, die der Münzstempel und sehr wenig Kupfer bilden – und die man durch einen fleischernen, den eine bloße Privatperson gemacht, nur sehr schlecht ersetzen will. Denn einem Manne, der sich mit recht vielen abgebildeten Köpfen ausgelegt hat, setzet nachher die Hochachtung der Welt schon von selbst und auf eine gute Art einen wahren großen scharfsinnigen Kopf auf den er wenn er vernünftig sein will, ganz für seinen eignen halten kann und wird und dessen er sich bei allen merkwürdigen Vorfällen am Tisch und im Bette – auf Reisen und in den Familienschmäusen und hinter dem Sessionstisch und auf der Leichenbahre mit einer so ausserordentlichen Sicherheit bedienen kann und soll, als wär' er wirklich sein eigner und auf seinem eignen Halse gewachsen und gemästet – etwan wie beim Schwenkschießen in Leipzig: Menschen und Büchsen schießen da nach gemalten Viktualien auf einer Leinwand, die von Zeit zu Zeit hin und her gezogen wird, damit sie ieder verfehle: bringt inzwischen ein Schütz dennoch seine Kugel durch eines dieser Küchenstücke hindurch z. B. durch ein abkonterfeite Gans, so hebt er eine in natura ein und erzielt also stets Bild und Sache zugleich.

Der Aukzionsproklamator hofte, ich würde auf eine grüne Huldigungsmünze des Heinrich IV. von Frankreich etwas billiges bieten: aber ich machte statt des Kaufs lieber die dritte Betrachtung, daß Heinrich IV. die Dienste des D'Aubigne mit nichts vergalt als mit seinem Portrait, das der Stallmeister mit der Unterschrift ausschmückte:

Ce Prince est d'etrange nature
Je ne sais qui diable l'a fait;
Car il recompense en peinture
Ceux qui le servent en effet.

Es gereicht der Fürstenbank und dem Fürstenstuhl zum Ruhme, daß in der That nur wenige darauf seshafte Fürsten den Fehler begehen, den verdienten Mann mit ihrem bloßen Bildnis abzufertigen (wie etwa die Normalschulen den Fleis der Schüler mit Bildern der Heiligen belohnen), es mag nun dieses Portrait mit dem Pinsel oder mit dem Münzstempel gemacht sein, dessen Kunstwerke bekanntlich Geld heißen. Wenigstens muß man gegen Einen immer dreizehn oder vierzehn nennen, die reellere Dankbarkeit für ihre Pflicht ansehen und die die Wunden des Kriegers, den aufgeopferten Kopf und oft Beutel des Ministers schon genug zu schätzen wissen, um solche Dienste mit nichts geringern zu belohnen und anzuregen als mit Ordensbändern, Titel und Adel – positive Belohnungen, die mit der Malerei gar nichts und mit der Prägekunst nur in so fern etwas zu schaffen haben, in wiefern sie durch die Vermehrung der Ehre die Verminderung des Ehrenpfennigs gebieten. »Diese nicht gemeine Nothmünze, sagte der Aukzionsproklamator, bildet auf der Hauptseite die schlesische Wassersnoth oder Ueberschwemmung von 1736 mit der Legende ab: O! wie viel! auf dem Revers steht die dadurch erregte Hungersnoth mit der Legende: o! wie wenig!« O! wie sonderbar! sagt' ich und that ein ansehnliches Gebot darauf, nemlich das einer mir zu Ehren geschlagnen Medaille.


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