Jean Paul
Auswahl aus des Teufels Papieren
Jean Paul

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IX.

Der Mensch ist entweder ein lebendiger Bienenstock oder auch ein lebendiges Feldmausloch

Es wird die funfzig Reichsstädte, mithin die 31 lutherischen sowol als die 14 katholischen nebst den fünf vermischten tagelang frappiren, daß ich von einem lebendigen Feldmausloch rede: allein in unsern aufgeklärten Tagen und Nächten kann alles gedacht und geschrieben werden, wenigstens Allegorien, und man verbrent sich als Fackelträger der Wahrheit nicht einmal die Finger mehr, geschweige den ganzen Leib nebst dem Magen.

Leibnitz sagte unter andern: der Begrif der Ausdehnung sei die dunkle Vorstellung mehrerer wirkender Monaden. Sonach sieht Leibnitz in der ganzen Sache nicht halb so hell wie ich, und Kenner der Geschichte der Menschheit wissen sich diesen kleinen Vorzug den ich vor Leibnitz habe, glücklich genug zu erklären, nämlich aus dem Wachsthum des menschlichen Verstandes überhaupt und daraus besonders, daß ich auf Leibnitz Schultern stehe, er aber nicht auf meinen – welches ihm schadet. Denn Leibnitz sah gar nicht, daß die Mehrheit der vorgestellten Monaden nur die Größe der Ausdehnung selbst erschaffe, und daß wenn zwei Monaden die Idee der Ausdehnung veranlassen, auch Eine eben das vermögen müsse und daß mit andern Worten auch unsere einfache Seele ausgedehnt scheinen müsse.

Mithin kann ich mir iezt getrauen, die paradoxe Folge daraus vor den Leser zu bringen, daß unsere Seele ganz und gar aussieht wie ein Bienenweisel. Ich würde mich selber über die Sache wundern, wenn ich sie bei einem andern läse: allein ich hatte kurz vor Johanni das Glück, nicht sowol organisirt, (welches vor meiner Zeugung geschah) als desorganisirt zu werden und durch diese Promozion meines ganzen Ichs, als ein solcher Graduirter im bessern Sinne aufzustehen, daß meine Seelenkräfte in Einer Nacht Schuhe hoch wuchsen und daß mein Selbstbewustsein besonders, das vorher nur die Gedanken, Gefühle und Eigenschaften meiner Seele zurückspiegelte, durch eine ausserordentliche Polirung gar die Gestalt derselben in seinem Fokus darstellte. Im ersten Augenblick dacht' ich, ich wäre mit Tod abgegangen: allein, wenn ich mir iezt vorstelle daß die Wasserprophetin zu Biel das ganze Konklave mit seinen Kardinälen und den Divan mit dem Großherrn hundert Menschen und dem H. Lavater und mir selbst in einer blossen Bouteille voll Wasser zeigen konnte: so war ich freilich nicht vernünftig genug, es für etwas ausserordentliches aufzufassen, daß mein Kopf ein Krystall geworden, in dem meine Seele blos den nächsten Gegenstand, nämlich meine Seele stehen sehen. Darin sah sie nun, wie gesagt, einem völligen Bienenweisel gleich und ich sah ihren langen Rüssel und Schwanz. Dies sind die wenigen Fäden, woraus ich ein ganzes auf den folgenden Blättern abgedrucktes System zusammengesponnen, weil ich nicht anders kann, als es für die unnachlaßliche Schuldigkeit eines ieden großen Gelehrten halten, gleich der Gartenspinne auf gerade wol einen Faden in die Luft zu hofiren – dann zu passen bis der Wind ihn an irgend einen wirklichen Gegenstand anpicht – dann noch einen zu hofiren und mit ihm den ersten zu durchkreuzen – dann sich beide zu Nutze zu machen und selbst als das Weberschif hinzuschiessen und den Eintrag einzuweben – und so fortzufahren am Bau des wahren Luftschlosses bis die Gartenspinne das System oder der Gelehrte das Gespinnst fertig hat.

Da böse Menschen keine gute sind: so kann ich beide nicht zusammenschlichten, sondern es muß erst von ienen geschrieben werden. Ihr Kopf ist ein lebendiges Feldmausloch, worin die Bienenkönigin sizt, um die in mannigfaltigen Entfernungen die männlichen Bienen oder Drohnen sich lagern. Diese Drohnen tragen auf den Kanzeln den Namen Teufel: es ist aber einerlei und ganz natürlich. Denn der Teufel führt einen Schwanz, die männliche Bienen auch – er trägt zwei Hörner, sie auch – er hat Flügel (wenn wir den Rabbinen glauben wollen), sie bekanntlich auch – er regt zwei Paar Krallen, sie nicht weniger und eher noch ein drittes Paar mehr – er ist geschwärzt, sie wars noch eher: denn Virgil singt, daß die Bienen eh' sie vom Jupiter, den sie in seiner Kindheit mit Honig aufäzten, dafür zum Lohne golden angefärbet wurden, eisenfärbig ausgesehen. Und der Leser besehe den Teufel aufmerksamer: so wird er befinden, daß er wirklich am Ende nicht sowol kohlschwarz als eisenfärbig ausfalle; und so kam er mir schon in Jahren vor, wo ich gar nicht daran denken konnte seine Farbe nach meinem System zu verrenken. Kurz, mir bleibt es unbegreiflich, warum man die Teufel in einer andern Gestalt als in der der Bienen abgemalet, in der allein sie doch in unserem Kopfe zu sitzen pflegen. Ja die Blindheit geht soweit, daß die meisten es lesen und erklären hören konnten, daß die Bibel und gewisse Völker den Teufel einen Fliegenkönig genannt, – daß ferner der Jupiter Apomyos, der wie ieder klassische Gott ein vermumter Teufel nach den Kirchenvätern gewesen, in der Gestalt einer Fliege modelliret worden – und daß der Doktor Baynyard sich den Satan gar nicht anders denken konnte, als wie eine große Brumfliege: – dennoch blieben alle Leser und Hörer dieser Dinge eben so weit wie vorher entfernt, auf glückliche Vermuthungen zu verfallen und vor der Lesung dieser Seite von selbst die Teufel sich nicht anders vorzustellen als wie Bienen. Und noch nach den mühsamsten Aufhellungen, ist der Fall möglich, daß mancher mich lieset und doch darüber anders denkt als ich: er muß aber als ein förmlicher Renegat und Apostat dieses Buches allgemein verachtet werden.

Das Dichten und Trachten dieser Drohnenteufel ist nun blos auf Parung mit dem Weisel gestellet, der sich dagegen unbegreiflich spert. Denn er kann durchaus ihre schwarze Farbe nicht ausstehen, ob sich gleich diese Antipathie so wenig auseinanderlegen lässet, als des indianischen Hahns seine gegen die rothe. Daher muß es erklärt werden, warum die armen Teufel (die wir noch besser unter dem Namen böser Triebe und Neigungen kennen) bevor sie eine Vermählung mit der Seele erringen, sich mit den weitläuftigsten Präliminarien abmartern und eine Vermählung zwischen Spinnen, ia zwischen hohen Häuptern thut sich vergleichungsweise weit schneller ab. Die Toilette der Teufel ist daher lang und schwer und die Miß Abington, die in London alle Morgen als Consulentin und Guvernante und Edukazionsräthin des Anzugs hausiren fuhr, hatte an den verliebten Kriegsrüstungen der Teufel wenig zu bessern. Denn sie baden sich in Nervensaft, um schön zu werden, wie sonst die Weiber eben deswegen in Badzuber von Eselsmilch stiegen. – Sie wälzen sich so lange in poetischen Blumen der Phantasie auf und ab, diese Bienen, bis sie sich dem Weisel mit Blumenstaub ganz weis gepudert präsentiren können. – Sie rollen die schönsten und wollüstigen Bilder, die (wie Epikur zuerst sah) von den äussern Dingen ab und dem Kopfe zufliegen, auseinander und behängen damit die 4 Gehirnkammern an allen 4 Wänden, um durch Gemälde, womit sonst Christen gemacht oder gebessert wurden, den Weisel zu verschlimmern und ihn den verliebten Absichten der Drohnen anzupassen. – Ich zweifle aber, ob doch alle diese Künste den Mohren-Scheu der Seele übertäubten, wenn's nicht ein gewisser Liebestrank thäte, der fast toll macht. Dieses merkwürdige Philtrum, das die Aerzte Nervensaft betiteln, wird durch die aufsteigende Destillazion aus Menschenblut unter dem Helme gezogen: allein ein oder ein paar Spitzgläser davon, die die Teufel dem Weisel eingeben, besaufen ihn dermassen und heitzen ihn mit einer solchen tollen Brunst gegen diese Drohnen; daß ausser dem Weisel niemand so sehr zu bedauern ist, als die Bierwirthe, daß sie, blos weil ihnen das Rezept eines so ungemein berauschenden, Ingrediens verborgen ist, ihr Bier mit viel schwächern mit Kiehnrus und Schwindelhaber und Nieswurz vergiften und berauschen müssen. Dann ists aber auch gut; nun wird ohne Verzug zur ausserehelichen Pflicht geschritten, nur daß die ehelustige Drohne die Vorsicht noch gebraucht, den Weisel in einen dunkeln Winkel zu ziehen, damit es an ordentlicher Brautnacht nicht fehle; die übrigen Drohnen halten wenn sie anders das Ihrige thun wollen, die guten Engel fest, (auch eine Art Bienen und auch zum Bienenstock gehörig, aber weiter unten erst vorkommend) weil sie sonst das Beilager mit Einsprüchen versalzen und oft durch ihre stralende Gestalt die wollüstigen Anstrengungen der Seele auf der Stelle lähmen, und Beispiele sind verhast.

Aus dieser Ehe im unverbotenen Grade – weil niemand der Seele weniger verwandt ist als der Teufel – sprosset allemal ein iunger Satan hervor, den zwar wichtige Kasuisten eine Sünde nennen, den ich aber seiner Gestalt wegen lieber eine Arbeitsbiene nenne. Der Kreuzfahrer gegen die Ungläubigen an H. Hennings, nämlich eben H. Hennings erzält, daß eine Hexe Katharina Netzin, mit dem Teufel eine Fliege zusammengezeugt habe: aber das ist ia ein ausserordentlicher Fall und blos Arbeitsbienen sind die Abkömlinge dieser Ehe bei uns und andern. Ein solcher teuflischer Bienenwurm tritt wie die Neger anfangs mit der Unschuldsfarbe, mit der weissen aus der Mutter: aber in wenigen Tagen zeitigt sie zur schwarzen und der Wurm wird der Seele unausstehlich. Denn nur wenige Bienenwürmer werden gar schon schwarz geboren und führen den Namen schwarzer Sünden, wie gewisse Blumenblätter schon in der versperten Knospe, ohne den färbenden Sonnenstral, mit ihrer Farbe liegen. Selten beschenkt die Seele die Geisterwelt mit einem stummen Teufel, der sogleich nach seiner Geburt die Seelenwanderung in ein zweites Schwein antritt; im Grunde fehlen gar in unsern Tagen solche Teufel ganz und alle bekannte stumme Sünden haben wie andere Taubstumme die Sprache gelernt und üben sie in den vorzüglichsten Residenzstädten mit Nutzen.


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