Jean Paul
Auswahl aus des Teufels Papieren
Jean Paul

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In den Kirchen großer Städte könnten ganze Linien dasitzender Weiber schöner angekleidet sein, wenn sie keinen Magen hätten. Es ist wahr, man kann von einigen sagen, daß sie sich lieber putzen als sättigen und daß einige neue Moden ihnen ein Fasten in der Wüsten zubereiten: und man kann ihnen nicht vorwerfen, daß sie nicht genug einsähen, wie wenig alle Aufopferungen, die zur Vervollkommnung ihres wichtigern und edlern Ichs, der Kleider nämlich, etwas beitragen, zu weit getrieben werden können. Allein schon Theologen vor der Reformazion haben es vorausgesehen und gesagt, daß der Magen ein sündliches Gliedmas ist, das keine Schöne ausreissen und von sich werfen kann: und die lebendigen werden ewig nicht zu derienigen Enthaltung alles Essens hinaufsteigen, die zu einem herrlichen Anzug über den Stand so nöthig ist und die wie ich überzeuget bin, noch kein scharfsichtiger Mann an meinem unbelebten vermiste. O ihr modischen Kleider insgesamt! die ihr den Menschen ziert, wie viel was völlig auf euch verwendet werden könte, muß euch täglich im ganzen Deutschland abgebrochen werden, wenn es gewis ist, daß sich die Schönen täglich wenigstens halb satt essen. Die von mir erfundenen thuns nicht: sie können sich daher jährlich 365 mal schöner kleiden als essende. Ich verlange nichts als gehöret zu werden, daß ich mich anheischig mache, augenblicklich von der Abschaffung der lebendigen Dame abzulassen und den hölzernen den Preis wieder zu nehmen, wenn man mir eine hinlängliche Versicherung geben kann, daß iene so wenig essen lernen als diese. Denn wäre überhaupt einmal die weibliche Hälfte des Menschengeschlechtes so weit, daß sie nichts warmes zu sich nähme: so würde die andere Hälfte fast aus Schaam nicht weniger thun können und der gröste Theil von uns Männern würde bald nichts mehr essen: welches auch fast alle Könige in Frankreich thun, wenn sie tod sind. Denn man mag ihren Leichnam 40 Tage lang nach ihrem Ableben noch so gut Speisen vortischen (ich will nicht einmal ein Wort vom Tischgebete sagen, das doch ein Prälat verrichtet:) so lieset man doch bei keinem Autor sie hätten zugelanget, gerade als wäre dem Leichnam mit der Seele auch der Magen ausgefahren. Sehen freilich die klügsten Minister und der Dauphin selbst, daß sie gar nichts mehr von ihren Tafelgütern berühren wollen: so vermuthen sie, daß sie gestorben sind, und lassen sie nach dem 40 tägigen Fasten gar begraben: daher muß auch von den großen Geschichtschreibern das Faktum abgeleitet werden, daß man schon verschiedene französische Könige in der That begraben hat.

Inzwischen glaube mir der Leser, nimmt meine Gattin, die doch nicht von der Luft leben kann, von den Schaugerichten ordentlich allemal so viel wie wir alle zu sich, weil sie aus Mangel des Magens nichts gröbers verdauen kann. Sie muß sich als mein gröstes Schaugericht daher allzeit mit hinsetzen, wenn ich so viel zusammengeborgt habe, daß ich ein prächtiges Soupee geben kann.

Ich kaufte mir die Farbkästgen und Muscheln und Töpfgen dazu und führte den Pinsel so lange auf der Hälfte meiner Gattin herum bis ihr Teint sich so veriüngte, daß die Seele der alten Dame ihre eigne Haut wol nicht erkannt oder doch gedacht hätte, sie habe sie selber geschminkt. So wie die Natur gewisse Insekten mit rothem und weißem Blute zugleich aussprüzte: so trug ich auf ihre Haut sowol die rothe als die weiße Schminke auf und belebte sie, so zu sagen, wiewol von aussen, mit doppeltem Blute: mich dünkt, dies konnte ihren Teint fein machen und ihre Gesichtsfarbe munter. Mein Kopf war niemals und iezt am wenigsten so stumpf und verhärtet, daß ich nicht recht leicht voraussähe, daß zu eifrige Verfechter und Rüstzeuge der weiblichen, lebendigen Schönen darauf versetzen werden, diese wären im Punkte der Farbe gar nicht weit unter den unbelebten, sondern vielleicht eben so geschminkt, da sie eine gleiche aller Malereien fähige Haut an sich hätten: »wo steht (werden sie sagen und sich der bereten Chrien des Peuzers ganz gegen mich bedienen,) eine Dame im Winter des Lebens ohne Nordschein auf den Wangen und ohne Schnee auf dem Halse? Und wurde denn nicht eben hauptsächlich zur Verwandlung der gelben Farbe der Pariserinnen die weiße erfunden, wie eben diese Franzosen in ihrem Wappen an die Stelle der gelben Kröte die schönern Lilien pflanzten? Und sollte diese Anmerkung nicht einigen erheblich scheinen?« Ich dachte selbst, als ich noch auf iüngern Beinen stand, nicht anders, sondern ich sagte in einem Almanach ein paar Worte darüber, daß sonst die Weiber auch Kleider, iezt aber auf ihr halbes Ich, auf ihre eigne Büste Lilien und Rosen sticken: »Blumen nähen, schrieb ich, schikt sich ganz gut für Putzmacherinnen, aber am allerwenigsten für Damen, die mit mehr Anstand deren malen; ienes ist musaische Arbeit, dieses hingegen eigentliche Malerei, und schminkende Damen hielt man zu allen Zeiten dem Blumenmaler Huysum gleich: in der That es versteht sich mehr schon von selbst als es ein besonderes Lob ist, daß unsere Weiber lieber und öfter ihre Haut, als Tischtücher, Vorhänge, beblümen und man kann mit Gewalt darauf dringen.« Allein der Jammer ist, es hält alles keine 2 mal 24 Stunden. Wers Geld hat setze sich auf den Postwagen und fahre nach Paris, Berlin, Wien, Petersburg: so wird er da anlangen und sehen, daß verschiedene Damen von Welt den Bettlern ganz und gar unähnlich scheinen. Die Bettler lassen ihre Gebrechen am Tage vor den Leuten leuchten; die Finsternis hingegen schenkt dem Krüpel gerade Glieder, richtet die Beine des Lahmen umsonst ein und sticht den Blinden wie den Fledermäussen glücklich den Staar: allein, einige Damen in ienen Städten vermehren umgekehrt den Tag mit ihrer Schönheit und die Nacht mit dem Gegentheil und sind bleich, zahnlos und krüpelhaft, wenn es finster geworden d. i. um 3 Uhr nach Mitternacht: nur bleiben darin die Bettler diesen Damen nach, daß sich iene häslich, diese aber doch schön anstellen. Heirathet unser Passagier vollends eine: so möchte niemand an seinem Platze sein, da sie wie ein großer Mann gern vor ihrem geheimsten Freunde alle ihre Fehler enthüllen und sich nur für dieienigen schmücken wird, die den Passagier wieder schmücken; kurz er wird zulezt in die Zeitung setzen lassen, er sehne sich nach Schönen ganz, an denen die Schönheit nicht zu ihren beweglichen Gütern gehört, sondern deren Reize offenbar Erd- Nied- Wand- Band- und Nagelfest sind. Ich bin aber schon von der völligen Besorgnis eingenommen, daß er so etwas an keiner auftreibt als meiner unbelebten Art von Schönen, an denen alle aufgemalten Reize so lange halten als sie selbst, und ich erkläre hier auf immer an Eides statt, daß alle Reize des Teints etc. die ich meiner Gattin an ihrem Geburtstage d. i. Hochzeittage auftrug, so wenig verschossen sind, daß es ein einfältiger Gedanke von mir gewesen wäre, sie im vorigen Sommer zugleich mit meiner Gaststube ein wenig auffrischen zu lassen, wenn ich nicht dabei die Absicht gehabt hätte, die Wittenberger in nichts vorauszulassen, die gleichermaßen (nach Nikolai) mit der Universitätskirche zugleich ein rares Bildnis des D. Luthers neu überfahren und bestreichen liessen.

Mir gefället es, daß viele Damen die bisherigen durchsichtigen Spitzenmasken des Busens verschmähen und ihn nicht mehr nakt entgegen tragen, sondern dermassen mit weißer Schminke (und sonst nichts) überdecken, daß man nicht einmal sieht, was er für eine Farbe hat: tausend andern gefället es nicht, z. B. meiner alten Großmutter.

Ich warf nun den Körper meiner Gattin in das Staatsgefängnis einer modischen Kleidung. Ich verschrieb mir blos ihrentwegen – damit nicht die Nachbarn sagten, ich verwahrloste sie mehr als gewöhnlich – eine mit unbeschreiblichem Geschmack angezogene Puppe in einem langen Futteral aus Paris. Solche Puppen sind (und werdens bleiben, so lange guter Geschmack in Deutschland herrscht) die besten Egerien und Moses, wenn unsern Weibern anständige Kleidergesetze vorgeschrieben werden sollen – oder die Anticken, wornach sie sich so sehr und so glücklich bilden oder die Protoplasmata derselben. Sobald ich meine Frau nach der besten Vorschrift, die vor mir dastand, emballiret hatte: so ließ ich sie durch das Fenster sichtbar werden, und ersah in ein paar Tagen nachher, daß sich die ganze weibliche Stadt nach ihr trüge, weil man überall dachte und von mir hörte, sie wäre eine Puppe und zwar eine parisische: denn Narrheiten werden wie das Bier immer besser und schmackhafter, ie weiter sie gefahren werden. Bin ich einmal mit Sack und Pack aus dieser Stadt gezogen: so wird mir immer bei witzigen Visitten der Nachruhm bleiben, daß seit 48 Jahren selten eine neue Mode aufschos, mit der ich nicht den guten Körper meiner Gattin behieng und ich bin im Stande in hiesiger Gegend Klein und Groß zu fragen, wer die erste im Grunde war, die hier schon montgolfierische Hüte aufsezte, als man hier noch nicht einmal wuste, daß es montgolfierische Kugeln gäbe. Besitz' ich denn nicht den Almanac de la beauté & des graces und die Abbildungen der neuesten Damenmoden und alle Stücke des Modejournals und die ersten der Pandora? Und aus welchen Gründen stellte ich wol in der Zahlwoche die halbjährliche kostbare Reise nach Leipzig an, wenns nicht darum wäre, um da im Auerbachischen Hofe gleich tausend andern adelichen Damen und Herren die theuersten Galanteriewaren nicht blos zu beschauen und zu feilschen, sondern auch wirklich zu borgenEs kann und soll mir einer vorwerfen (und der andere neben ihm soll es bestätigen), daß ich mich nach Gefallen auf den Kopf stellte und auf demselben vor dem ganzen Publiko sehr tanzte: ich werde beiden mit Liebe begegnen. Ich werde sie so gar bitten, zurückzusinnen, wie es war, da sie beide noch Fötus gewesen. Sind sie gut und einsichtig und anatomisch: so werden sie gestehen, daß sie in den lezten Monaten der Schwangerschaft beständig auf dem Kopfe gestanden: allein damals nahms niemand übel. Diese Stellung ist mir viel natürlicher als andere schlechtere; und erst nach dem Tode hoff' ich auf den Füssen herumzulaufen, Sie werden zwar alles dieses für eine witzige unzulängliche Wendung erklären: allein ich halte sie selbst für nichts anders und muste sie und den ganzen Streit hieher setzen, damit nicht die Leere einer halben Seite, die ich aus Versehen im Manuskripte gelassen, auch vom Setzer ins Werk verpflanzet würde. Im Drucke kanns anders ausfallen. ? Die hiesigen Putzhändler sollten wol ieden durch die zuverläßigsten Papiere von der Menge der Modewahren überführen können, die ich seit mehreren Jahren bei ihnen borgte und vielleicht mit nächstem bezalen dürfte: allein, ich bitte nur den hiesigen Postmeister, der fast alle Briefe an mich erbricht, um mir keinen vergifteten zu schicken, er möge mir und der Wahrheit die Ehre des Zeugnisses geben, daß ich sonst viele Sachen des Putzes unmittelbar von Lyon bezog. Steh' ich denn nicht sogar selber – welches ich fast nicht glauben kann – in einem modischen Gillet vor meiner Frau, auf dem ein ganzes Kollegium gestikter Affen spielt? Freilich thue ich und andere es nicht aus unvernünftigen Absichten: wie sonst die Christen und Christinnen Kruzifixe an sich hiengen, um das Bild dessen, um dessen Nachahmung sie sich bewarben, immer vor sich zu sehen, so haben wir ebenfalls die Bilder der Affen an, um stets den Typus im Gesichte oder im Spiegel zu behalten, nach dem wir uns ganz gut modeln... Die hölzerne Struktur meiner Gattin thut mir bei ihrem Anzuge wahren Vorschub: bei einer fleischernen würden die Kleider durchaus sich nach den Gliedern formen müssen, und das wäre schlimm: allein bei meiner paß' ich vielmehr den Körper den Kleidern, wovon oft eines funfzehnmale umgeschnitten wird, um in funfzehn Moden zu floriren, nach Gefallen an und schnitze an einem Glied so lange herum bis ich merke, daß es dem Rocke anliegt; daher allein kömmts daß ihre Statur täglich kleiner wird, und die hatten nicht Recht, die diese Einschrumpfung ihren Jahren beimessen... Im übrigen Anzug that ich blos, was ich sollte und nicht mehr. Ich kämmte die Haare mit einem bleiernen Kamme so lange durch, bis sie schwarz wurden. Der Friseur that seine alte Schuldigkeit bei der unentbehrlichen Aufbauung eines Bergschlosses oder Amphitheaters von Haaren. Die damalige Interpunkzion mit den Schönpflästergen wurde weiter nicht vergessen. Viele ihrer Glieder polsterte ich mit Riechsäckgen aus und man muß hoffen, daß sie hernach wie Alexander roch, von dessen angebornem Wolgeruch ieder aus dem Plutarch einen Begrif hat. – Einen ganzen hangenden Garten von Blumen und Früchten lies ich auf ihrem Haupte Wurzel schlagen. – Einem kränklichen Pfau nöthigte ich seine bunte Schleppe ab und stekte sie als eine Feuerfahne auf ihrem Kopfe auf, wo sie gegenwärtig noch wehet. Von einem ernsthaften Manne wie ich würd' es fast spashaft klingen – und Spas wäre wol am wenigsten die Absicht, warum ich irgend etwas schreiben würde – wenn ich sagte, ich hätte sie dadurch, wie in der Fabel, schnell aus einer Krähe in einen Pfauen verwandelt: sondern die Anmerkung schikt sich für mich und mein Nachdenken besser, daß sie wie die lebendigen auch auf ihrem Kopfe Haare und Federn zugleich trägt; und man könnte das fast für einen großen Beweis ansehen, daß sie ein Mensch ist: denn die Thiere haben entweder nur Federn oder nur Haare, aber nie beide und die Haare der Geier und Truthühner können keine sein. – Ihr Kopf sizt unter seinem Hute, aber nicht (gewissermassen spiel ich hier mit den Worten) ihre Finger: nicht einmal diese wenigen Bogen worauf ich sie lobe könnten sie heften und sie nähen wahrhaftig so wenig als bekäme sie wirklich von mir Nadelgeld. – Die veralteten Poschen nahm ich ihr schon vor 2 Jahren ab, da sie zumal dieses Seitengewehr der Keuschheit nicht so sehr als lebende bedarf: es muß es überhaupt die Philosophie und das Temperament zugleich sein welche sie in den Stand setzen, von ihrem Fenster herunter die feinsten Liebeserklärungen feiner Gecken so unerwartet, kalt und unbeweget aufzunehmen, als ob ihre Brust von Stein und Marmor wäre, die doch wie schon oben gedacht, von Holz und Moses seine ist. Diese passauische Kunst, sich gegen Amors Pfeile fest zu machen, scheint noch lange ein glänzender Vorzug nur solcher Damen verbleiben zu wollen, die aus Holz bestehen. – Eine iede Schöne stellt man, eh' sie als göttliche Statue angebetet wird, auf ein Paar Schuhe mit hohen Absätzen, wie auf ein Postament; man nennt sie auch das erste Stockwerk oder Erdgeschoß am ganzen weiblichen Gebäude. Das beste war, ich dachte am allerersten daran, auch meine auf ein paar hohe Schuhe zu schaffen.


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