Jean Paul
Auswahl aus des Teufels Papieren
Jean Paul

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Wie gut im Ganzen, Maschinen richten, beweisen schon ihre Schwestern in ItalienIn Italien wird die Enthauptung von Maschinen verrichtet. und wir wollen von großen Kriminalisten gar nicht reden, weil in unsern Tagen Schriftsteller leben, welche sagen, diese hätten eine Art von Seele. Die Hauptsache ist wol, daß die Sprachmaschine und die Gerechtigkeit wirklich aus änlichen Bestandtheilen zusammengesetzt sind, und das kann unbeschreiblich viel thun. Die Gerechtigkeit ist (wie ieder weiß, der sie an den Rathhäusern oder sonst gesehen) meistens von Stein oder auch Holz und ohne alles Leben: aus Holz will nun Kempele auch seine Maschinen schnitzen, und das Leben will er ihnen gleichfalls nicht geben. Allein, die besten Richter und also auch wir bestehen blos aus Fleisch und Blut und leben gänzlich. Wenn mithin der Gerechtigkeit und den Maschinen, die als leblose Wesen nach Leibnitz vom Kopfe bis zur Ferse ganz aus schlafenden Monaden und dunkeln Ideen zusammengebacken sind, das Richten am wenigsten mislingt: so ists ganz natürlich: denn der Schlaf – diese kurze Zeit der höhern Erleuchtung – war von ieher für einen Richter vortheilhafter, als das römische Recht und selbst der Schwabenspiegel, und die dunkeln Ideen können ohne dunkle Ausdrücke gar nicht sein, die eben in richterlichen Entscheidungen wahre Wunder thun und die einem blos lebendigen Richter, der oft den ganzen Tag keine Viertelstunde von den deutlichsten Ideen los ist, leider nicht häufig zufallen. –

Ferner: es ist wol nicht zu verhehlen, wie wenig mannigfaltig die Sprachen zu allen Zeiten waren, in denen die Richter ihre Bescheide und wir unsere sogenannten Verläumdungen ausfertigen: wenn es jene in ihren Dekreten zur Vereinigung des deutschen und lateinischen, und wir in Gesellschaften zur Zusammenkunft des Deutschen, Französischen und Undeutschen das getrieben hatten: so waren wir beide froh. Allein die Sprachmaschinen reden in ihrer Jugend (wie Europa an der ersten sah) die meisten europäischen Sprachen; sie würden sich daher auf dem Richterstuhle so ausdrücken können, daß man nicht Ein gezogenes Register sondern die ganze Orgel aller Sprachen hörte.

Am wenigsten kann in der ganzen Sache von nachdenkenden Köpfen das System der vorher bestimmten Harmonie vergessen werden. Dieses System und Leibniz machten längst folgende Wahrheiten ruchbar: der Leib und die Seele treiben, wie in unsern Tagen Mann und Frau, iedes seine Haushaltung für sich; die Seele hat da ganze Monate nicht den geringsten Jagd- oder Hand- und Spandienst des Körpers auf ihren vielen Noth- und Ehrenzügen nöthig, und macht sich jahraus jahrein ihre unzähligen Gedanken in der That allein und selbst; eben so sieht sich der Körper wenig nach der Seele um, er springt sehr, tanzt gut, schreibt die scherzhaftesten Bücher, redet laut und vernünftig, sezt sich in Gunst, lässet mit Lust taufen, schiebt die Krone wie eine Mütze leicht auf dem ganzen Kopf herum, schlägt einen andern Körper gewissermassen fast halb tod, wird deswegen nach einer Bekehrung elendiglich aufgehangen und führt sich überhaupt als der einzige Perpendickel dieser runden Erde auf, ohne sich in seinem Leben nur darum zu bekümmern, ob eine Seele in der Welt und in ihm sitze und übernachte: indessen bewegen sich beide wie ein Doppelklavier genau zugleich, sie kommen gleich schönen Geistern, ohne daß beide einen Buchstaben von einander wissen, stets auf gleiche Erfindungen, ia wenn man die spashafte Probe gemacht und Leibnizens Körper nach England geschift, seine Seele aber in Hannover dagelassen hätte, so ist schon zum voraus möglichst dargethan, der Körper wäre in London auf seiner Studierstube zu seinem ewigen Ruhme zuerst auf den methodum fluxionum verfallen, während die Seele zur nämlichen Sekunde in Hannover ohne die geringste Hülfe einer Gehirnfiber die Differenzialrechnung herausgebracht hätte, (wiewol sie freilich wegen Mangel der verreiseten Hände wenig oder nichts für die acta eruditorum hätte niederschreiben können); kurz, die beiden Hälften von Leibniz wären zu gleicher Zeit auf die nämliche herrliche Entdeckung in der Algeber gestossen. Allein, ob der menschliche Körper sein Werk denn doch nicht fertiger und ausgesuchter triebe, wenn das arme Wesen mit gar keiner Seele zusammengespannt wäre, darüber lässet sich freilich disputiren und die Gelehrten rauften sich deswegen untereinander wechselseitig dermaßen, daß man die Haare häufig auf dem Boden sah: inzwischen ist so viel gar nicht undeutlich, daß dem Körper sein Reden, Schreiben etc. ganz anders von Händen gehen müste, wenn nicht allemal zu gleicher Zeit die Seele unnöthigerweise das nämliche ins Werk zu setzen strebte, und dem Viehe, dieser bloßen kartesianischen Maschine, schlagen dahero so viele menschliche Handlungen augenscheinlich besser ein. Ein Frauenzimmer spricht daher weit schneller und mehr als ein guter Kopf, dessen Seele allezeit bei den Reden des Körpers etwas oder gar viel zu denken sucht. Um desto mehr dürfen wir Ew. ** zu überlegen bitten, welche erhebliche Vorzüge die kempelischen Maschinen im Splitterrichten, worin wol die Bewegung oder Zunge nie zu schnell sein kann, schon dadurch vor uns voraus haben müssen, daß sie ganz ohne Seele sein können, statt daß wir Damen insgesamt bei iedem Urtheile, das unsere Zunge fällen will (und auch sonst) ganz sicher befürchten können, daß sogleich unsere Seele, die in uns hält und stets mit dem Körper ohne Nutzen harmoniren will, einen unzeitigen Versuch machen wird, auch das ihrige dabei zu denken: denn überal tanzt sie ia mit hinten nach, und macht den gesundesten Christen Teufelsnoth.

Wir schließen. Wird uns durch kempelischen Maschinen das bisgen Verläumden abgefischt: so sehen wir unsers Orts nicht mehr ab, was auf dieser schwarzen Erde noch unser wahres Vergnügen sein soll oder was man Personen, die vielleicht von dem ältesten Adel sind und nichts zu thun haben, für ein anderes eben so nützliches Geschäft vorzuschlagen denkt. Ganz vergeblicherweise hätten sich also verschiedene der belesensten Theologen, als sie von der Akademie zurück waren, hingesezt und es für einige Pflicht gehalten, aus dem teleologischen Hefte einen nicht sowol gründlichen als faßlichen Beweis öffentlich zu führen, daß das Pfund der Verläumdung den Weibern von einem guten Geiste als ein kleiner Ersatz für die Folter des Kindergebährens und die Bürde des Hauswesens geschenket worden: denn man will uns diesen Ersatz nehmen – noch vergeblicher wärs also, wenn wir gar hoften, man würde künftighin nicht einmal mehr gleichgültig bleiben, daß uns wegen des allgemeinen Mangels an Thorheiten manchen Nachmittag gänzliche Dürftigkeit der neuen Geschichte und Eckel an der Wiederholung der alten (von 40 Jahren her) im vollen Maße drücken dürfe, sondern man würde etwan in ieder Stadt einen besondern Kerl höhern Orts wegen ordentlich anstellen und Pflicht nehmen, der von der sämtlichen Bürgerschaft (wenn sich die Adelichen ihren eignen Kerl halten wollten) blos dazu unterhalten und besoldet würde, damit er ieden Tag öffentlich eine vorgeschriebene Zahl ganz auffallend närrischer Streiche verübte, die allgemein zu reden und zu tadeln gäben; an diesem schlechten Kerl hätten wir alle einen beständigen Elektrizitätsträger des weiblichen Witzes haben können und gemeinschaftlich an ihm ein zuträgliches Richteramte geübt... Aber wir wünschen nur nicht, daß das Elend, das H. v. Kempele über uns durch seine Sprachmaschinen bringt, ihn noch auf seinem Todenbette in Schweis setze, und wir besorgen in der That nichts schlimmers; vielleicht wird ihn sogar in seinen gesunden Tagen, wenn er vor einem Visittenzimmer voll redender Maschinen zufällig vorbeigeht und sie deutlich genug reden höret, der wiederkehrende Gedanke kränken: »ach in dieser großen Stube könnte auch auf iedem Krüpelstuhl eine lebendige Dame und auf dem Kanapee noch mehrere sitzen, und ihr gewöhnliches Gericht, wie ich glaube, halten und überhaupt sich untereinander unbeschreiblich laben, hätt' ich dem Satan widerstanden; aber so schnattern iezt 12 äusserst fatale Maschinen drinnen recht munter, und hören weder auf sich noch ihres gleichen. Wahrhaftig sie können zulezt eben so viele lange Nägel zu meinem Sarge werden und die Supplick der Damen sagte das leider voraus.«

Nun treten wir Spieler schon auf.

Der Marquis de Poncis ist überflüssig bekannt; besonders sein Vorschlag für Generale eine scharfe Papierscheere anzufassen, und damit von Papier Soldaten auszuschneiden: in der Entfernung, behauptet er fest, müste sie der Feind gänzlich mit wahren vermengen und sich noch mehr fürchten. Gleichwol lies noch kein Fürst an seine Gewehrfabrik eine Soldatenfabrik anbauen, und die Kompagnieschneider bringen noch immer wie sonst über dem linken Arme weiter nichts vom Soldaten hergetragen als die Montur und nicht ihn selbst. Das kann unmöglich davon herrühren, weil etwan die Fürsten nicht erfahren oder begreifen, daß papierne Krieger auffallend über lebende vorragen, da sie weder Löhnung (welches so gut ist als ständen sie das ganze Jahr auf Urlaub) noch Uniform, (mehr könnte an schlechtem Tuch gar nicht ersparet werden), noch Regimentsfeldscheerer (da der Zeltschneider, der sie zugeschnitten, sie auch flicken müste) noch Feldprediger bedürfen: allein man merke nur, daß gute und von Prinzenhofmeistern aufgezogene Fürsten auch auf der andern Seite es sich nicht verhehlen können und wollen, daß im Augenblicke, da die papierne unter die Fahne schwüren, eine Menge lebendiger entbehrlich und mithin tausend Gemeine darunter der Uniform und funfzig Officiers des Avancements verlustig würden: dieses unerhörte Elend aber stiften solche Fürsten um vieles Geld nicht an. Daher bis auf diese Stunde unter allen den Soldaten die Europa beschirmen und putzen, keiner auszufragen ist, der wirklich von Papier wäre; sogar wenn ein Bein derselben nicht organisirt sondern hölzern ist, so wird der Kerl, der darauf geht, schon abgedankt und ihm lieber das Betteln, das man ihm vorher verbot, völlig verstattet, was übrigens die bleiernen oder silbernen Soldaten anlangt, die zuweilen kleine deutsche Fürsten kommandirten: so ist ja bekannt, daß sie es nach ihrem fünften Jahre wirklich unterliessen... Nun ist hoffentlich das Spiel ein wahrer Krieg: H. v. Kempele hat also auf eine ähnliche Weise vor, an unsere Stelle Maschinen von Holz (wie der Marquis, von Papier) zu setzen, die so gut als wir auf Kartengefechte ausziehen. Allein, daß Ew. ** die Vollendung eines Anschlags, der eine ganze dem Staate nicht unnützliche Gesellschaft (wir Spieler schmeicheln uns so eine zu sein) ins Verderben drängen soll, nicht vereiteln werden, das ists eben, woran wir so stark zweifeln, zumal da Ew. ** nicht einmal die papiernen Krieger des Marquis angenommen haben.

Denn auf der Seite der Spielmaschinen befänden sich, wie es scheint, zu beträgtliche Vorzüge. Jene Kaltblütigkeit, iene Entfernung von zerstreuender Aufmerksamkeit auf andere Gegenstände, iene Spielkenntnisse, die ihnen so sehr zu Gebote stehen, sucht man alle bei uns umsonst, und es kann uns nicht einmal iemand Bürge werden, daß nicht H. v. Kempele künftighin in seinen Maschinen hin und wieder Triebwerke eingesezt, mittelst welcher sie entsetzlich fluchen und betrügen können. Wer mit seiner Schachmaschine gespielet, der wird sagen, wir übertreiben gar nichts. – Das Wichtigste ist noch, daß diese Maschinen so überaus dumm und unwissend sind, wenn anders solche edle und nur für lebendige Menschen nicht zu hohe Ausdrücke sich für Maschinen schicken. Bekantlich haben schlechte Köpfe meistens mehr Ansatz zu Spielerkenntnissen als gute; und man kont' es der französischen grossen Enzyklopädie ansinnen, die wahre Ursache davon völlig aufzudecken, indem sie nämlich etwan blos bemerkt hätte, daß das Spiel ein Krieg sei und mithin Tapferkeit darin, wie bei den Athleten gern mit Unwissenheit unter einer Hirnschale zusammenwohne. Nannten nicht deswegen die Griechen den Esel ein unüberwindliches Thier und liessen sie nicht ganz gute alte Münzen schlagen, worauf das Königreich Dazien zum Beweise seiner Tapferkeit einen Eselskopf aufhat? Daher schreibt ein braver Officier nicht gern überall orthographisch; Daher ist zu wünschen, daß man uns Spieler mit den alten Zelten vergleiche, denen die Wissenschaften völlig verderblich für Krieger vorkamen, und die deswegen ihren Namen niemals schreiben lernen wollten. »Wahrhaftig, sagte einmal ein Spieler, aber nicht ohne allen Unwillen, wenn der Kopf eines Spielers wie des miltonschen Teufels seiner täglich eine große gesunde Sünde hecket, die ihm mit Spielen hilft: so ists gut genug und man sinn' ihm nicht an, daß er noch wie Jupiters seiner eine Minerva gebäre... Das geht so weit, daß gute Gesellschaften das Aussenbleiben oder Versiegen vernünftiger Gespräche als den verständlichsten Wink benutzen, die Spieltische zu rufen. Es ist aber iezt die Sache der Vernunft und Tugend, zu entscheiden, ob ein lebendiger Spieler, dessen Verstandesschwäche und Unwissenheit stets ihre Gränzen hat, wol viel gegen die Spielmaschinen verfangen könne, die vielleicht nicht einmal ein Gehirn überhaupt besitzen.


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