Jean Paul
Auswahl aus des Teufels Papieren
Jean Paul

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XII.

Witziger Anhang

Ein guter Schriftsteller will allemal mehr sagen als er in der That weis, und wird mehr aus seinem Kopfe herauszupressen suchen, als darin sein mag; wie bei einem, der sich erbricht, die Anstrengung der Natur, etwas gut Verdauetes von sich zu geben, auch noch fortwähret, wenn er gar nichts mehr darinnen hat.
 

Man kann es in unsern Tagen nicht zu oft wiederholen, daß da die Augen des Goldarbeiters nicht mehr vom Glanze des Goldes und Feuers leiden, als die Augen einer Dame vom Glanze der Nebenbuhlerin, nicht nur die Goldarbeiter, um ihre Augen zu erholen, fast iede Stunde in den Spiegel sehen sollen, sondern auch die Damen.
 

Ohne Aussinnung ganz besonderer Unglücksfälle kann man wahrhaftig weder einen angenehmen Roman noch einen angenehmen Bankerut zu machen begehren.
 

Unser Jahrhundert, das sonst gar nicht unkaufmännisch ist, gehet wie das elektrische Feuer doch gern den Metallen nach.
 

Leute, die ein gedrücktes Leben führen und iede Freude dem Schicksale erst mit sauerm Kampfe abgewinnen musten, sind, wenn nicht kriechend doch gebükt, wie solche die in bergigten Gegenden wohnen, immer mit gebognen Rücken gehen.
 

Die Gelehrsamkeit wird in Köpfen und die französischen Weine in Bouteillen zu Schanden, die damit nicht ganz bis an den Kork gefüllet sind.
 

Von Genies sollte eine gewisse Sanftheit, Bescheidenheit und auf geringfügige Dinge angewante Menschenfreundlichkeit (das ist wahre Lebensart) noch seltener geschieden sein als von mittelmäßigen Menschen, wie (nach der Frau de la Roche) Menschen von grosser Statur das Tanzen nöthiger ist als Leuten von mitlerer Größe, weil die Bewegungen der erstern stärker, abgebrochener, eckigter und mithin misfälliger sind, als der leztern ihre. Diese Menschenfreundlichkeit ist die Decke Mosis auf dem stralenden Angesicht und eine Art von Menschenwerdung, die uns an ihnen so erquickend thut als mir in meiner Jugend an der Sonne das ihr eingemalte Menschengesicht im Kalender.
 

Wenn der kleine Fürst bei einem größern ist: so spielet er vor denen, die ihn sonst anbeteten, eine heruntergesezte Rolle, er ist alsdann ein Aposteltag, der in einen Sonntag fället und den man über diesen ganz vergisset.
 

»Der Superintendent ist der beste Mensch unter der Sonne und den übrigen Sternen, sobald er etwas besoffen ist.« So sagt auch der Pöbel und schon Epiphanius von den Schlangen, daß sie so lange ihren Gift wegsetzen, als sie saufen.
 

Die Natur pflanzte dem Herrn von Grossing iene edle Art von Stolz und Aufblasung ein, die vielleicht der beste Panzerrock gegen die unzähligen Schläge ist, womit ihn die Rezensenten im Zorne überhäufen. So hat auch der Dachs (nach Plinius) das Vermögen, sich dermassen aufzublähen, daß kein Biß und Schlag viel wider ihn verfängt.
 

Um gewisse Menschen von edler und stolzer Denkungsart zu bezwingen und zu entwafnen, thut man wol, wenn man sich ihnen durchaus von der schlechtesten Seite zeiget: sie mögen sich dann nicht besudeln und springen ab. So sollen (nach Dapper) auch die Dienstmägde über die afrikanischen Löwen glücklich dadurch siegen, daß sie den Rock aufheben und ihnen gewissermassen den H- weisen.
 

Wenn einige Schönen die Religion und Liebe in einander giessen und von Gott und dem Liebhaber in Einem Athem reden, so thun sie so wenig etwas lächerliches, daß sie vielmehr ganz den Skarabeis (gewissen geschnittenen Steinen) gleichen, auf deren vertiefter Seite eine Gottheit und auf deren erhabener ein getroffener Käfer eingeschnitten steht.
 

Gemeine Leute scheidet das Konsistorium erst von Tisch und Bett, wenn sie einander geehlicht: aber die Vornehmern trennt der Priester von Nachttisch und Gastbett schon dadurch, daß er sie kopulirt.
 

Eh' iunge Edelleute oder gar Fürsten aufpacken lassen und die grosse Tour durch Europa machen, so füllen sie sich vorher mit allen den Kenntnissen an, die sie dazu so nöthig haben; so wie die Bienen, eh sie aus ihrem Bienenstock nach Honig ausfliegen, vorher auf dem Flugbrete ihre Augen säubern und heller machen.
 

Der sonderbare Mensch ist im Buche der Natur der lange –-- Gedankenstrich.
 

Es ist nicht genug, daß einer, der an irgend einer Hand aus dem Staube seiner Geburt aufkam, einen Stammbaum machen lässet und fremde Väter, wie ein anderer fremde Kinder adoptiret: es sollte auch durch Gesetze dafür gesorget sein, daß – so wie nur Leute, die keine eigene Kinder haben, fremde an Kindesstatt erkiesen dürfen – auch nur solche Personen fremde Väter adoptiren dürften die keinen eigenen haben.
 

Es wird mich niemals reuen, wenn ich so gut es mit guten Gleichnissen möglich ist, hier ieden lehre, was diese Welt eigentlich ist. Sie kann gar wol das Sakgäsgen in der großen Stadt Gottes sein oder eine blosse Provinzialstadt in Vergleichung mit andern Planeten. Sie ist der Gängel- oder Laufwagen der Menschheit, um sie aufschreiten zu lehren. Sie ist – das scheint eine strenge Folge aus den vorhergehenden Gleichnissen zu sein – die Kulisse und Anziehstube für eine andere Welt, in der wir erst unsere Rollen nicht ohne Beifall machen. Sie ist eine dunkle Kammer, (camera obscura) in die ein Stral umgewendete und zusammengezogene Bilder einer schönern trägt und malt; in der Rücksicht wäre freilich das Schönste auf ihr, um das schon Plato daher die sogenannten Gänsefüsse aus der Druckerei herum schrieb, irgend wo anders her entlehnt. Sie ist die Küste zur Schöpfung Gottes: sie ist ein dunstvoller Hof um eine bessere Sonne; sie ist der Zähler zu einem noch unsichtbaren Nenner; wahrhaftig ich sage, sie ist fast gar nichts.


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