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Der Sammler klopfte sacht und freundlich auf alle Erhöhungen und Wülste seiner verschiedenen Taschen und sagte: »Ei nun, Liebes und Gutes, allerhand Siebensachen. Eine Streitaxt, ein paar Donnerkeile, Kattenringe, prächtig mit grünem Rost überzogen, Aschenkrüglein, Tränenflaschen, drei Götzen und ein paar kostbare Lampen.« Dann schlug er mit der umgewandten Hand an seinen Nacken und fuhr fort: »Und ein ganz komplett erhaltenes Stück korinthischen Erzes habe ich mir hier, weil ich sonst keinen andern Platz mehr hatte, hier im Rücken unter dem Rocke festgebunden. Nun, es wird sich denn wohl leidlich machen, wenn es alles erst gesäubert ist und in Reihe und Glied steht.«
Die Bauern bezeugten ihre Neugier nach einigen der Sachen; der alte Schmitz erklärte sich aber unfähig, dieselbe zu befriedigen, weil die Altertümer so sorgfältig verpackt und mit so ausgeklügelter Benutzung jedes Räumchens eingesenkt seien, daß es schwer halte, die ganze Befrachtung, wenn sie gelöset worden, wieder zustande zu bringen. Der Hofschulze sagte seinem Knechte etwas in das Ohr; dieser ging in das Haus. Inzwischen erzählte der Sammler ausführlich von dem Fundorte der verschiedenen Erwerbungen, rückte dann seinem Gastfreunde näher und sagte vertraulich: »Was aber die allerwichtigste Entdeckung dieser Reise ist; ich habe nun wahr und wahrhaftig den Ort gefunden, wo Hermann den Varus schlug.«
»Ei, Ei, Ei«, versetzte der Hofschulze und schob seine Mütze hin und her.
»Alle sind sie auf dem falschen Wege gewesen, Clostermeier, Schmid, und wie sie heißen mögen, die darüber geschrieben haben!« rief der Sammler feurig. »Immer wollten sie den Varus in der Richtung auf Aliso, wovon doch auch noch kein Mensch ausgeforscht hat, wo es eigentlich gelegen – genug aber mitternachtwärts – sich zurückziehen lassen, und demnach sollte die Schlacht zwischen den Quellen der Lippe und Ems, bei Detmold, Lippspringe, Paderborn und Gott weiß wo noch? vorgefallen sein –«
Der Hofschulze sagte: »Ich glaube, der Varus mußte aus allen Kräften suchen, nach dem Rhein zu kommen, und das konnte er nur, wenn er ins offene Land gelangte. Drei Tage soll die Bataille gedauert haben, darin läßt sich schon ein Stück marschieren, und so bin ich vielmehr der Meinung, daß die Attacke in den Bergen, die unsre Börde einschließen, also gar nicht weit von hier vorgefallen ist.«
»Falsch! Falsch, Hofschulze!« rief der Sammler. »Hier unterwärts war alles besetzt und verstopft von Cheruskern, Katten und Sikambrern. Nein, weit mehr nach Mittag ist die Schlacht gewesen, der Ruhrgegend nahe, nicht weit von Arnsberg. Varus mußte sich durch das Gebirg hindurchworgen, er hatte nirgends einen Ausweg, und seine Gedanken standen auf den Mittelrhein, wohin der Weg quer durch das Sauerland geht. So dachte ich es mir immer, so, und jetzt habe ich die untrüglichsten Bestätigungszeichen entdeckt. Dicht an der Ruhr fand ich das korinthische Erz und kaufte die drei Götzen, und da sagte mir ein Mann aus dem Dorfe, daß kaum eine Stunde davon im Walde zwischen den Bergen eine Stelle liege, wo Knochen in ungeheurer Anzahl zwischen dem Sand und Kies aufgeschichtet seien. ›Hui!‹ rief ich, ›es wird Tag.‹ Ging mit einigen Bauern hinaus, ließ nachgraben, und siehe da, wir fanden Knochen, wie ich sie nur wünschte. Das ist also der Platz, wo Germanicus sechs Jahre nach der Teutoburger Schlacht die Überreste der römischen Legionen bestatten ließ, als er seine letzten Züge wider Hermann machte, und folglich habe ich dort das richtige Schlachtfeld entdeckt.«
»An die tausend und mehrere Jahre pflegen sich Knochen nicht zu erhalten«, sagte der Schulze und bewegte zweifelmutig das Haupt.
»Sie haben sich versteinert in den Mineralien dort«, sprach der Sammler zorneifrig. »Ich muß Euch nur den Glauben in die Hand geben, da ist einer, den ich mitgebracht habe.«
Er zog einen großen Knochen aus dem Busen und hielt denselben seinem Widerpart unter die Augen. »He, was ist das?« fragte er triumphierend.
Die Bauern starrten den Knochen verdutzt an. Der Hofschulze antwortete, nachdem er ihn prüfend betrachtet hatte: »Ein Kuhknochen, Herr Schmitz. Sie sind auf einen Schindanger gestoßen und nicht auf das Teutoburger Schlachtfeld.«
Grimmig steckte der Sammler das bescholtene Altertum wieder an seinen Platz und stieß einige heftige Reden aus, denen der alte Bauer in derselben Weise zu begegnen wußte. Es sah daher nach einem Zanke zwischen beiden Männern aus; indessen hatte es damit nicht viel zu bedeuten. Denn es war schon hergebracht, daß sie über solche und ähnliche Dinge aneinander gerieten, wenn sie zusammenkamen. Immer aber blieben sie trotz dieser Streitigkeiten gute Freunde. Der Sammler, der sich das Brot am Munde absparte, um seine Liebhaberei zu befriedigen, pflegte sich das Jahr hindurch wochenlang bei den gefüllten Fleischtöpfen des Oberhofes auszufüttern und half wieder seinerseits dem Gastfreunde mit allerhand Schreibereien in dessen Geschäften; denn er war seines Zeichens ein ehemaliger kaiserlicher geschworner und immatrikulierter Notarius.
Endlich sagte der Hofschulze nach vielem nutzlosen Hin- und Herreden von beiden Seiten: »Ich will mit Ihnen über den Wahlplatz nicht streiten, obgleich ich dabei verbleibe, daß Hermann den Varus hier herum geschlagen hat. Es liegt mir aber überhaupt nicht viel daran, die Sache ist mehr für die Herrn Gelehrten, denn wenn der andere römische General sechs Jahre darauf, wie Sie mir oftmalen erzählt haben, schon wieder mit einer Armee in hiesigen Gegenden stand, so hat die ganze Bataille wenig zu bedeuten gehabt.«
»Davon versteht Ihr nichts, Hofschulze!« fuhr der Sammler auf. »Auf der Hermannsschlacht beruht das gesamte deutsche Wesen. Wenn Hermann der Befreier nicht gewesen wäre, so säßet Ihr nicht so breit hier zwischen Euren Hecken und Pfählen. Aber Ihr Leute lebt nur von einem Tage zum andern und Geschichte und Altertümer sind Euch nichts nütze.«
»Oho, Herr Schmitz, da tun Sie mir doch groß Unrecht!« versetzte der alte Bauer stolz. »Weiß Gott, was für Pläsier es mir macht, bei Winterszeit die Chroniken und Historienbücher zu lesen, und Sie selbst wissen, daß ich mit dem Schwerte von Carolus Magnus, (der Alte sprach die zweite Silbe lang aus;) welches nun seit tausend und mehreren Jahren im Oberhofe aufbewahrt wird, umgehe, wie mit meinem Augapfel, folglich...«
»Das Schwert Karls des Großen!« sagte der Sammler höhnisch. »Freund, ist es denn nicht möglich, Euch diese Grillen aus dem Kopfe zu bringen? Hört doch nur –«
»Und ich sage und behaupte, daß es das echte und aufrichtige Schwert Caroli Magni ist, womit er hier auf dem Oberhofe den Freistuhl gesetzet und eingerichtet hat. Und das Schwert wirket und vollbringet noch heutzutage sein Amt, obgleich davon nicht weiter geredet werden darf.« Der Alte sprach diese Worte mit einem Ausdrucke in den Mienen und mit einer Gebärde, die etwas Erhabenes hatten.
»Und ich sage und behaupte, daß das eitel Torheiten sind«, eiferte der Sammler. »Ich habe den alten Flederwisch an die hundert Male untersucht, er hat kein halb Jahrtausend erlebt und rührt vielleicht aus der Soester Fehde her, wo ihn ein Reisiger des Erzbischofs, der sich hier in den Büschen verkrochen, mag haben stehen lassen.«
»Daß dich!« rief der Hofschulze und schlug mit der Faust auf den Tisch. Dann murmelte er vor sich hin: »Nun warte! Dafür sollst du heute deine Strafe kriegen.«
Der Knecht trat aus der Türe. Er trug ein Gefäß aus gebrannter Erde, von bedeutendem Umfange und fremdartigem Ansehen, es steif und achtsam mit beiden Händen an den Henkeln gefaßt.
»Ei Gott!« rief der Sammler, als es ihm näher zu Gesichte kam, »das ist ja eine prächtige große Amphora! Woher stammt denn die?«
»Ich habe«, versetzte der Hofschulze gleichgültig, »den alten Topf vor acht Tagen in meiner Kiesgrube gefunden, als Grand ausgestochen wurde. Es stand noch mehr des Zeuges umher, was aber die Leute mit den Grabscheiten zerschlagen haben. Der Topf allein ist erhalten worden. Ich wollte doch, daß Sie ihn sähen, da Sie einmal hier sind.«
Mit feuchten Blicken betrachtete der Sammler das große, wohlerhaltene Gefäß. Endlich stammelte er: »Ist darüber kein Handel zu machen?«
»Nein«, versetzte der alte Bauer kalt, »ich will den Topf mir selber aufheben.« Er gab dem Knechte einen Wink, dieser wollte die Amphora in das Haus zurücktragen, wurde aber daran von dem Sammler gehindert, welcher, die Augen nicht von dem Gefäße wendend, den Eigentümer mit den mannigfaltigsten und beweglichsten Wendungen anging, ihm den ersehnten Weinkrug abzustehen. Es war indessen alles vergebens; der Hofschulze verblieb den eindringlichsten Bittworten gegenüber in unerschütterlicher Seelenruhe und machte auf diese Weise den unbewegten Mittelpunkt der Gruppe, um welchen die Bauern, die dem Handel mit aufgesperrten Mäulern zuhorchten, der Knecht, der das Gefäß an den Henkeln gefaßt, dem Hause zustrebte, und der Altertümler, welcher dasselbe am untern Ende festhielt, die aufgeregten Seiten- und Nebenfiguren bildeten. Zuletzt sagte der Hofschulze, daß er Willens gewesen sei, seinem Gaste den Topf, wie so manches früher aufgefundene Stück zu schenken, weil er selbst seine Freude daran habe, die alten Sachen auf den Brettern der Sammlung an den Wänden ringsherum in Ordnung gestellt, zu sehen, daß ihm aber die beständigen Angriffe auf das Schwert Caroli Magni verdrießlich seien, und daß er deshalb auch mit dem Topfe seinen Willen behalten wolle.
Kleinlauten Tons versetzte hierauf der Sammler nach einer Pause, daß Irren menschlich wäre, daß die Waffen des Mittelalters sich nach den Zeitaltern oft nicht genau unterscheiden ließen, daß er auf diese Überbleibsel sich weniger, als auf Römersachen verstände, und daß allerdings manches an dem Schwerte auf ein höheres, über die Soester Fehde hinausreichendes Alter zu deuten schiene. Worauf der Hofschulze entgegnete, daß ihm dergleichen allgemeine Redensarten nichts frommen konnten, daß er den Zwist und den Zweifel an seinem Schwerte ein für allemal abgetan wissen wollte, und daß es nur ein Mittel gäbe, in den Besitz des alten Topfes zu kommen, nämlich, wenn der Herr Schmitz auf der Stelle eine Schrift von sich gäbe, worin das im Oberhofe aufbewahrte Schwert förmlich für das wahre Schwert Caroli Magni anerkannt würde.
Nach dieser Eröffnung hatte der Altertümler freilich einen harten Kampf zwischen seinem antiquarischen Gewissen und seiner antiquarischen Begierde zu kämpfen. Er warf die Lippe auf und trommelte mit den Fingern auf der Stelle umher, wo er den Knochen vom Teutoburger Schlachtfelde stecken hatte. Sichtlich war sein Bestreben, über die Anmahnungen des ihn zur Unwahrheit verlockenden Gelüstes Herr zu werden. Endlich aber erhielt dennoch die Leidenschaft, wie dieses immer zu geschehen pflegt, die Oberhand. Hastig forderte er Feder und Papier und stellte mit fliegender Eile, zuweilen seitwärts nach der Amphora schielend, ein unumwundenes Bekenntnis aus, daß er nach oftmaliger Besichtigung des Schwertes im Oberhofe solches für das des Kaisers Karls des Großen erkannt und befunden habe.
Diese Urkunde ließ der Hofschulze von den beiden Bauern als Zeugen mit unterschreiben, und steckte dann das Papier, mehrmals zusammengeschlagen, zu sich. Der alte Schmitz aber faßte heftig nach der auf Kosten seines besseren Bewußtseins erkauften Amphora. Der Hofschulze sagte, er wolle ihm den Topf andern Tages nach der Stadt schicken; wie hätte aber ein Sammler wohl jemals auch nur einen Augenblick lang die körperliche Innehabung eines teuer erworbenen Besitzstückes entbehrt? Entschieden lehnte der unsrige jeden Verzug ab, ließ sich eine Schnur geben, zog diese durch die Henkel, und hing sich daran das große Weingefäß über die Schulter. Sie schieden demnächst im besten Einvernehmen, nachdem der Sammler noch zur Hochzeit gebeten worden war. Er gewährte mit seinen Winkeln, mit den bauschig abstehenden Rockschößen und der hin und her wackelnden Amphora an der linken Seite einen abenteuerlichen Anblick, als er von dannen zog.
Die Bauern boten ihrem Ratgeber die Zeit, versprachen, sich seinen Rat merken zu wollen und gingen dann, ein jeder zu seinem Gehöfte. Der Hofschulze, dem im Laufe einer Stunde mit allen Menschen, die sich bei ihm zusammengefunden hatten, jegliches Vornehmen geglückt war, trug erst die erwonnene Anerkennungsurkunde auf die Kammer, worin er das Schwert Caroli Magni verwahrte, dann ging er mit dem Knechte auf den Futterboden, um den Hafer für die Pferde ihm zuzumessen.