Victor Hugo
Victor Hugo's sämmtliche poetische Werke. Zweiter Band
Victor Hugo

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XXXI.

Granada.

Quien no ha visto a Sevilla,
No ha visto a maravilla.

       Spanisch oder maurisch, ferne
      Oder nah, – dem Stern der Sterne
      Gleicht, – Granada, keine Stadt.
      Keine darf ihr gleich sich glauben,
      Ihr den Schönheitapfel rauben,
      Ihr, die tausend Wunder hat,
      Blühend, orientalisch reizend,
      Die der Himmel, ihr nicht geizend,
      Reich geschmückt an Blüth' und Blatt.

Palmbäume hat Cadix, Murcia Orangenbäume,
Jaën des gothischen Palastes weite Räume.
Agreda den Konvent, erbaut von Edmunds Hand.
Segovia den Altar, umringt von Huldigungen,
  Den Aquadukt, dreifach geschwungen,
Der einen Strom ihm bringt von hoher Bergeswand.

       Llers hat Thürme, Flammenblitze
      Wirft von einer Säulenspitze
       Barcelonaüber's Meer.
       Treu ihr Scepter, schwer von Eisen,
      Wahrt Tudela seinen weisen
      Kön'gen schon von Alters her;
      Düstre Essen, die im Dunkeln
      Roth, wie Höllenschlünde, funkeln,
      Sind Tolosa's Schmuck und Wehr.

Der Fisch, der einst gemacht Tobias' Augen helle,
In Fontarabia 's Golf spielt er in klarer Welle,
In Alicante ragt so Minaret wie Dom,
Cordova hat Moschee'n und alte Prachtpaläste,
Und Compostella hat des Heil'gen Ueberreste,
   Madrid den Manzanaresstrom .

      Auf den schwarzen, morschen Mauern
      Um Bilbao zittern, schauern
      Grüne Gräser; arm an Macht
      Ist Medina, doch die Blöße
      Deckt der Glanz der alten Größe
      Und die herzogliche Tracht,
      Sein nur sind die Sykomoren,
      Seine Brücken dankt's dem Mohren,
       Rom der Aquadukte Pracht.

Dreihundert Kirchen sind's, die in Valencia stehen,
Und Alcantara läßt die Türkenfahnen wehen
Von Pfeilern hoch und schlank, in Menge, reich an Pracht,
Und Salamanca, das drei stolze Hügel krönen,
  Entschläft bei Mandolinen-Tönen
Und vom Studentenlärm erwacht die Stadt bei Nacht.

       Petrus liebt Tortosa's Hallen,
      Glänzend, marmorreich vor Allen
      Ist Puycerda, Tuy vertraut
      Seinem Thurm voll düstern Schauern,
       Tarragona seinen Mauern,
      Die ein König einst gebaut.
      Die Giralda ziert Sevilla,
      Vom Duero manche Villa
      In Zamora wird bethaut.

An Reichthum ist Burgos gleich einem Paradiese,
Girona Herzogin und Pennaflor Marquise,
Bivar hat, streng verhüllt, ein Sonnenangesicht,
Zu Kämpfen jederzeit ist Pampeluna fertig,
Und wenn beim Mondenschein es ist des Schlafs gewärtig,
  Schließt es den Festungsgürtel dicht.

      Alle diese spanischen Städte
      Liegen tief im ebnen Bette,
      Oder auf Sierren -Höhn,
      Alle haben Citadellen,
      Die kein Feind so leicht wird fällen,
      Die Verrath noch nie gesehn,
      Jede prangt mit Münsterhallen,
      Doch Granada ist vor Allen
      Durch Alhambra's Wunder schön.

Alhambra, stolzer Bau, Alhambra, dessen Räume
Mit Harmonie durchwehn die Genien der Träume,
Du Veste, die dem Blick bekränzte Zinnen beut,
Wo Zauberworte Nachts in stillen Lüften wogen,
Und wo des Mondes Licht durch die arabischen Bogen
  Kleeblätter, silberweiß, verstreut.

      Wunder hat Granada, große,
      Mehr, als Körner roth im Schooße
      Glühn der Früchte, die sie trägt.
      Heil Granada! Wenn die Fahnen
      Wallen und zum Kampfe mahnen,
      Feuer speit sie, wild erregt,
      Grimmiger, die stolze Pathe,
      Als die zischende Granate,
      Wenn ins Feindesheer sie schlägt.

Nichts ist so groß, so schön, wie sie, so reich gesegnet,
Sei's, daß Vivataubin Vivaconclud begegnet
Im Klang des Tamburins, das rings von Glöckchen bebt,
Sei's, daß, mit Feuer rings gekrönt wie ein Kalife,
  Das blendende Generalife
Hoch in die schwarze Nacht den lichten Giebel hebt.

      Von den rothen Thürmen lärmen
      Glocken summend Bienenschwärmen
      Gleich, die vor dem Winde fliehn,
      Wenn des Festes Freuden locken,
      Läuten Alcacava's Glocken,
      Und seltsame Töne ziehn,
      Die aus Mauernthürmen dringen,
      Liebliche Dulcaynen klingen
      Laut des süßen Albaycin .

In jedem Wettkampf siegt Granada, ja, Granada
Singt süßer, weicher noch die weiche Serenada,
Die reichsten Farben läßt an jedem Haus sie schaun,
Die Winde halten an den Athem, wenn im Thale
Granada, das erglänzt im Sommerabendstrahle,
  Ausstreut, wie Blumen, seine Frau'n.

      Um Granada, wie die Steine
      Leuchtend, Asien gäbe gerne
      Hin der Mohr und Libyen drein;
      Doch Granada, fest im Glauben,
      Kein Ungläub'ger wird sie rauben,
      Keiner wird Granada frei'n.
      Könnt' es ein Sevilla neben
      Jener Wunderstadt noch geben, –
      Nur Granada würd' es sein.

April, 1828.


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