Victor Hugo
Victor Hugo's sämmtliche poetische Werke. Zweiter Band
Victor Hugo

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Vierte Ballade.

Du, Koboldchen? – Sei willkommen!
Auf dem Abendsonnenstrahl
Kamst Du wohl herangeschwommen,
Und umhauchst mich noch einmal,
Kosest mich, und Funken springen
Dir von den bewegten Schwingen,
Und sie rauschen und sie klingen,
Wie ein Lied im Rittersaal.

Oft hat Deine silberhelle
Stimme mir den Gram versüßt.
Hier in meiner stillen Zelle,
Schöner Trilby, sei gegrüßt!
Komm! Doch wirst Du nicht hier innen
Schäckern mit den Schifferinnen,
Die Du oft in losem Minnen
Auf den nackten Hals geküßt.

Störst Du auf aus seinem Frieden
Meinen Hausgeist? Schleichst Du sacht
Meinen Feen und Sylphiden
Nach, die oft mit mir gewacht,
Die mit losem Flügelschlage
Mir verscheuchen Schmerz und Klage,
Hochgedanken mir am Tage
Bringen, süßen Traum bei Nacht?

Willst Du schauen die Undinen
Mit des Binsengürtels Zier,
Meine Zwerge, die mir dienen,
Plaudernd gern, doch nur mit mir?
Willst Du meine Gnomen wecken,
In der Luft die Geister schrecken,
Meine Grabgespenster necken,
Pochend leis an ihre Thür?

Ach, entflieht! – Die theuern Gäste
Sind nicht mehr in meinem Haus.
Fluchend aus dem trauten Neste
Trieben sie die Geister aus.
Mein Undinchen sah ich segeln
Flüchtig, wie vor grimmen Vögeln,
Meine Fee gespannt mit Nägeln
Neben meine Fledermaus.

Meine Zwerge, vor dem Zorne
Jener Mörder scheu und bang,
Wagen's nicht mehr ihrem Horne
Zu entlocken süßen Klang.
Meinen Zauberhof, die lieben
Sylphen sah ich all zerstieben.
Goldner Schwingen sind von Dieben
Sie beraubt durch schnöden Fang.

Flieh' auch Du vor ihrem Grimme,
Fürchte mehr noch dies Geschlecht,
Als die hundertjähr'ge Stimme,
Die einst Dougal hat gerächt,
Dessen rauchumwallte Hütte,
Wenn die Nacht erreicht die Mitte,
Hört am Ufer Fingal's Schritte
Durch der Wogen wild Gefecht.

Wer von Deinem Berg hernieder
Dich gebracht in dies Revier,
Ihm gesungen ihre Lieder
Hat die Hoffnung einst, wie Dir.
Frankreich, seine Mutter, schaute,
Wie er im Exil ergraute,
Gleich Homer, und uns erbaute
Mit des Liedes holder Zier.

Spielend jetzt um Blumenbeete,
Ernst sodann und traurig gar,
Liebt der Dichter Felsengräte.
Die umschwebt der kühne Aar,
Welker Blumen letztes Düften,
Meteore hoch in Lüften,
Glocken, klagend über Grüften,
Wenn sich niedersenkt die Bahr.

Wüsten liebt er, schrankenlose,
Wo ihm Nichts den Schritt verwehrt,
Zu entgehn dem Sklavenloose,
Fürchtet er nicht Dolch noch Schwert;
Wo nur Unterdrückte schreien, –
Ihrem Dienste sich zu weihen,
Sie zu retten, zu befreien,
Das ist's, was sein Herz begehrt.

So ist Nodier, der Dichter!
Geh, und sag' im Freundeston,
Daß mir bangte, Bösewichter
Könnten Dich und ihn bedrohn.
Sag' ihm, gut soll er Dich wahren,
Scherz ihm weg von seinen Jahren,
Kos' ihn, krau' ihm in den Haaren,
Bis er trinkt des Schlafes Mohn.

Willst Du Abenteuer suchen?
Meide Deiner Feinde Spur,
Trilby, daß sie Dir nicht fluchen,
Wie mein Sylphe dies erfuhr.
Fingen sie Dich, ha, sie strahlten
Hoch vor Freude, jauchzten, prahlten,
Und Dein Kleid mit Dinte malten
Sie, den Mantel von Azur.

Tanzen müßtest unter Faunen
Du, – bedenke, was Dir droht! –
Unter Satyrn, grau' und braunen,
Und Sylvanen, frech und roth,
Zottig, mit beschmutzten Waden,
Die Dich ein zum Tanze laden
Mit verrunzelten Najaden,
Schon zweitausend Jahre todt.

April, 1825.


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