Victor Hugo
Victor Hugo's sämmtliche poetische Werke. Zweiter Band
Victor Hugo

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Die Geschichte.

Ferrea vox.

Virgil.

Zweite Ode.

I.

Der Nationen Loos hat, gleich des Meeres Schlünden,
Manch tief verstecktes Riff, und Wirbel, wild bewegt.
Blind ist, wer im Geschick der Völker Nichts kann finden,
Als toller Wellen Kampf, von Wind und Sturm erregt.

In diesen Stürmen weht der starke Hauch des Himmels,
Ein Strahl von Oben blitzt Erleuchtung in die Nacht.
Wenn in den Schrei des Tods der Schrei des Festgewimmels
Sich mischt, durch all den Lärm – Ein Laut dringt durch mit Macht.

Und die Jahrhunderte, – ein Riese nach dem andern
Tritt auf, ihr Wünschen ist sich gleich, ihr Schicksal nicht: –
Ein Ziel ist's, dem sie zu auf hundert Wegen wandern,
Auf jedem Leuchtthurm, fern und nah, dasselbe Licht.

II.

O Muse, jede Zeit umfaßt dein Auge, blühen
Siehst du die Zukunft fern und ihren Wunderkreis,
Denn Tage, Jahre, selbst Jahrhunderte, sie ziehen
Im ew'gen Strome kaum ein flüchtiges Geleis.

Ihr Henker, zweifelt nicht! Ihr, Opfer, glaubt's: durch alle
Zeiträume, zu den Höhn und in die Tief' hinab
Dringt ihrer Fackel Licht, und eines Tempels Halle
Oft baut sie, wo zuvor nicht einmal war ein Grab.

Dem Helden, der erliegt, reicht sie die Hand, die weiche,
Und dem Erobrer bricht den Wagen sie entzwei,
Sie wandelt ihren Weg im Staub zermalmter Reiche,
Und zeigt, wie überall Gott waltet groß und frei.

Jahrhunderte um sich vereint sie, längst vergangne,
Und setzt den Giebel auf der alten Burg der Zeit,
Bis in die Zukunft schleppt sie, eine Kriegsgefangne,
Die nur unwillig folgt, selbst die Vergangenheit.

Bricht eine Welt entzwei, die Trümmer zu erbeuten
Ist sie bemüht, und folgt dem Wrack hinauf, hinab
Auf weitem Meer, ihr Blick, inmitten zweier Zeiten,
Die letzte Wiege sieht er und das erste Grab.

1823.


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