Victor Hugo
Victor Hugo's sämmtliche poetische Werke. Zweiter Band
Victor Hugo

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XXVIII.

Die Djinn's.

E come i gru van cantando lor lai,
Facendo in aër di se lunga riga,
Cosi vid io venir traendo guai
Ombre portate d'alla delta briga.
Wie Kraniche in langen dichten Reihn
Hinziehen, singend ihre düstern Klagen,
So hör' ich Schatten seufzen, wimmern, schrein,
Sie nahn, sie nahn, vom Sturm dahergetragen.

Dante.

              Stadt, ... Hafen, ...
              Wie gut
              Sie schlafen,
              Die Flut
              Zieht leise
              Geleise
              Im Kreise, ...
              Und ruht.

            Sind die Todten
            Aufgewacht?
            Nein, der Oden
            Weht der Nacht.
            Töne schwimmen,
            Geisterstimmen,
            Flämmchen glimmen
            Sanft und sacht.

          Wie Glöckchen helle
          Ein Stimmchen klingt:
          Der Zwerg, der schnelle,
          Er hüpft und springt,
          In Lüften lebend,
          Den Fuß erhebend,
          Auf Wellen schwebend,
          Tanzt er und singt.

        Horch, der Lärm, schon tost er
        Näher und es schallt,
        Wie die Glock' im Kloster,
        Dem verwünschten, hallt: –
        Wie im menschenvollen
        Raum die Töne rollen,
        Bald nur leise grollen,
        Brausend, donnernd bald.

      Die Djinn's! Sie sind's, o Schrecken!
      Welch höllisch wilder Tand!
      Eilt, eilt, euch zu verstecken
      Am alten Treppenrand;
      Beim Lampenlicht, dem matten,
      Schwebt des Geländers Schatten,
      An Trümmern, Balken, Latten
      Empor zur höchsten Wand.

    's ist der Schwarm der Djinns, der wettert,
    Pfeifend laut vorüberrennt,
    Eiben, die ihr Flug zerschmettert,
    Krachen, wie ein Span, der brennt.
    Durch die Nacht mit schrillend rauhen
    Tönen fliehn sie, anzuschauen,
    Wie der Wolke Schooß, der grauen,
    Den ein Blitzstrahl zuckend trennt.

  Da sind sie! – Schließt im Saal die Fenster!
  Vorüber rauscht die wilde Flut!
  Wie lärmt sie draußen, der Gespenster,
  Vampyre, Drachen grause Brut!
  Wie Gras im Winde schaukelnd, knarren
  Am Dach die losgerissnen Sparren,
  Des Thores Angeln selbst, die starren,
  Die rost'gen, schüttelt ihre Wuth.

Ein Höllenlärm, ein Heulen, Stöhnen, Jammern!
Ein wildes Heer, vom Sturm dahergeweht!
Es kracht die Wand, es ächzen alle Klammern,
Die Mauer wankt, die kaum noch widersteht.
Es rast heran ein Schwarm von Höllenknechten,
Und, wie entwurzelt, vor den finstern Mächten
Neigt sich das Haus zur Linken und zur Rechten,
Und bebt, wie sich ein Blatt im Winde dreht.

  Prophet, wenn Du von dieser Heerde
  Mich rettest, dieser Höllenschaar,
  Dann beug' ich tief mein Haupt zur Erde
  Vor Deinem rauchenden Altar.
  Gib, daß an diesem Damm der Wände
  Der wilde Höllensturm verende! –
  Wie sie am Fenster kratzen! – Wende,
  Prophet, o wende die Gefahr!

     Fort, entflohn sind die Gespenster,
    Und es schlägt der Höllenchor
    Mit den Klau'n nicht mehr ans Fenster,
    Stößt nicht wetternd mehr ans Thor.
    Kettenklirren, wirres Zanken
    In der Luft; .. im Walde schwanken
    Eichen, wie zerzauste Ranken,
    Angebrannt, geknickt, wie Rohr.

      Das Rauschen ihrer Flügel
      Verliert sich nach und nach,
      Und fern am letzten Hügel
      Verhallt es allgemach, –
      Wie zitternd durch die stille
      Mondnacht sich schwingt der schrille
      Gesang der müden Grille, –
      Wie Hagel rauscht auf's Dach.

        Seltsame, verworrne
        Laute, sterbend schon; –
        Wie, wenn auf dem Horne
        Bläst der Wüste Sohn,
        Weit umher im Kreise
        Die arab'sche Weise
        Klingt, erlöschend leise,
        Wie im Traum ein Ton.

          Der Spuck der Grüfte
          Verrauscht, es zieht
          Durch dunkle Lüfte
          Der Schwarm und flieht,
          In Wolken hausend,
          Die Nacht durchsausend,
          Wie Wellen brausend,
          Die Niemand sieht.

            Weit von hinnen
            Rauscht's im Trab,
            Also rinnen
            Tropfen ab,
            Wimmern Waisen
            Ihre leisen
            Klageweisen
            Um ein Grab.

              Gesinde,
              Fahr zu,
              Verschwinde
              Im Nu!
              Nacht, fege
              Die Wege,
              Und Pflege
              Der Ruh!

August, 1828.


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