Victor Hugo
Victor Hugo's sämmtliche poetische Werke. Zweiter Band
Victor Hugo

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XXX.

Maurische Romanze.

Es gibt zwei Romanzen, eine arabische und eine spanische, über die Rache, welche der Bastard Mudarra an seinem Oheim Rodrigo de Lara, dem Mörder seiner Brüder, nahm. Ueber die spanische Romanze vergl. Note IX. Sie ist schön, aber der Verfasser dieses Buches erinnert sich irgendwo eine spanische Uebersetzung der maurischen Romanze gelesen zu haben, und es scheint ihm, daß diese noch schöner war. Seine Bearbeitung schließt sich mehr an die arabische Version als an das spanische Gedicht an, wenn sie überhaupt Beziehungen zu einer von Beiden hat. Die kastilische Romanze ist etwas trocken, man merkt es, daß ein Maure dabei die ehrenvolle Rolle spielt.

Es wäre an der Zeit, daß man darauf dächte, den Romanzero general nach den wenigen Exemplaren, die noch davon existiren, im Urtext und in Uebersetzung, maurisch und spanisch, wieder neu herauszugeben. Es sind vergrabene Schätze und nahe daran, verloren zu gehen. Der Verfasser wiederholt es hier: es sind zwei Iliaden, die eine gothisch, die andere arabisch.

Dixô le: – dime buen hombre,
Lo que preguntarte queria.

Romancero general.

Don Rodrigo jagt im Walde,
Mittags an der Bergeshalde,
Schützend sich vor'm Sonnenbrand,
Ohne Harnisch, ohne Degen,
Eilt er sich ins Gras zu legen.
Er, »der Kühne« zubenannt.

Und die finstre Stirne senkt er,
An den Mauren-Bastard denkt er,
Dessen Ohm er selber ist,
An Mudarra, dem er sieben
Brüder schlug mit Mörderhieben,
Lara's Blut, vor kurzer Frist.

Ihn zu fordern vor sein Eisen,
Würd' er Spanien's Gau'n durchreisen
Von Figuère bis Setuval,
Einer müßte dann zur Erde
Sinken ... Ha, ein Mann zu Pferde
Hält vor ihm mit einem Mal.

Maure oder Christ, – Herr Ritter,
Nie den Kelch des Lebens bitter
Mache Gottes Güte Dir!
– Schenke Gott Dir seine Gnade,
Reitersmann, den seine Pfade
Führen hier vorbei an mir.

– Maure oder Christ, – Herr Ritter,
Dem die Ruhe hier nicht bitter
Schmeckt in schattig kühler Luft,
Willst den Namen Du mir melden,
Daß ich weiß, ob einen Helden
Ich getroffen oder Schuft?

Don Rodrigo ist mein Namen,
Aus der Lara edlem Samen, –
Da Du gern zu fragen scheinst.
Donna Sancha, ist, o Bester,
Nach des Priesters Wort mir Schwester,
Dessen, der getauft mich einst.

Ihn erwart' ich hier, ihn suche
Ich, Mudarra, dem ich fluche,
Ihn, den Bastard, lange schon,
Der in Aliatar's Flotte
Kommandirt die Galeote,
Ihn, der Renegatin Sohn.

Sucht er nicht mir auszuweichen,
Ich erkenn' ihn an dem Zeichen
Unsres Hauses, das er führt,
Eine Klinge trägt der Heide,
Immer bloß und ohne Scheide,
Die am Knopf ein Demant ziert.

Ja, bei meinem Christenthume,
Sterben soll er, mir zum Ruhme,
Fallen nur durch meine Hand!
Darum ist es, daß ich wandre ...
Don Rodrigo, spricht der Andre,
Bist von Lara Du genannt?

Nun, der Bastard, dem Ihr fluchet,
Der Mudarra, den Ihr suchet, –
Er ist's, der hier vor Euch steht.
Er, der Richter und der Rächer,
Rette Dich, verdammter Schächer! ...
Jener murmelt: – Du kommst spät!

– Der des Maurenkönigs Flotte
Führt, Aliatars Galeote,
Ich bin's, der hier vor Dir steht,
Ich, mein Dolch und meine Rache,
Aus nun fecht' ich meine Sache! ...
Jener murmelt: – Du kommst spät!

– Viel zu früh für Dich, o Ritter!
Oder schmeckt das Leben bitter
Dir vielleicht? ... Du bebst, Dein Muth
Ist erloschen ohne Zweifel:
Deine Seele gib dem Teufel,
Schurke, mir gehört Dein Blut!

Hilft mir meine gute Klinge
Und mein Gott, daß ich's vollbringe,
Zittre, Schurke, dann vor mir.
Kennst Du Deinen Herrn? da steht er,
Deine Seele, Du Verräther,
Reiß' ich aus den Zähnen Dir.

Ha, daß ich Dich endlich treffe,
Ich, der Donna Sancha Neffe!
Löschen meines Hasses Brand,
Sterben mußst Du, Ohm, vorüber
Ist nun Deine Zeit! ... – Mein lieber
Neffe, gleich bin ich zur Hand!

Kannst die Ungeduld Du zähmen?
Nur mein Schwert dort will ich nehmen.
– Längre Frist nicht haben darfst
Du, mein Ohm, als meine Brüder,
Die erbarmunglos Du nieder
Schlugst und in die Grube warfst.

Für die Renegatin Rache!
Auszufechten ihre Sache,
Trug ich nackt bis heut mein Erz,
Weil ich Dir, Du Mörder, fluchte,
Weil ich eine Scheide suchte,
Für den Demantstahl, – Dein Herz!

Mai, 1828.


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