Victor Hugo
Victor Hugo's sämmtliche poetische Werke. Zweiter Band
Victor Hugo

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XIX.

Sarah, die Badende.

Es ließen Sonn' und Wind, wo dicht die Buchen stehen,
Ihrüber's Angesicht den Blätterschatten wehen.

Alfred de Vigny.

Sarah schaukelt hin und wieder
  Ihre Glieder
In der Hängematt' und ruht
Ueber'm Becken einer Quelle,
  Deren Welle
Kommt aus des Ilyssus' Flut.

Und die schwanke Binsenmatte
  Strahlt der glatte
Born zurück und sie, der Frau'n
Schönste, diese Maid, die weiße,
  Die die heiße
Stirne neigt, um sich zu schau'n.

Streift die Schaukel dann im schnellen
  Flug die Wellen,
Zittern sie bewegt zum Gruß,
Es entsteigt ihr Hals den Wogen
  Schöngebogen,
Und ihr marmorweißer Fuß.

In die Wellen wagt zu schlagen
  Sie mit Zagen
Mit dem Fuß, der rosig thaut,
Weil ihr Bild sie ihr entstellen;
  Ob der Wellen
Frischer Kühle lacht sie laut.

Bleibst Du hier verborgen stehen,
  Wirst Du sehen
Bald das nackte Kind mit Lust
Aus dem Bade sich erheben
  Und hinschweben,
Mit den Armen vor der Brust.

Wie ein Stern ist sie zu schauen,
  Die der blauen
Flut entsteigt und hold gebückt,
Triefend horcht, ob Niemand lauert,
  Leise schauert
An der Luft und um sich blickt.

Sieh sie dort, die scheue Taube,
  Unterm Laube
Zagend, ob kein Unfall droht;
Schwirrt um sie mit leiser Tücke
  Eine Mücke,
Wie Granaten glüht sie roth.

Blühend schaust Du, ohne Hülle
  Ihre Fülle,
Und ihr blaues Aug' im Traum
Siehst Du blitzen, gleich dem Sterne,
  Der von Ferne
Strahlt im blauen Himmelsraum.

Und sie wischt sich ab die Glieder,
  Und hernieder
Rinnt's, wie Regen tropft vom Ast:
Gleich als wenn gelöst zu Falle
  Kämen alle
Perlen, die ihr Halsband faßt.

Sarah zögert dem Behagen
  Zu entsagen,
Eile, wahrlich, hat sie nicht,
Und indem sie spielt und gaukelt,
  Und sich schaukelt,
Lächelt leis ihr Mund und spricht:

»Wär' ich eine Kapudane,
  Ja, Sultane,
Ambra müßt' ins Bad mir thaun,
Sprudeln müßt' es aus dem Rachen
  Eines Drachen
Zwischen goldner Greifen Klau'n.

Weich in seidnen Hängewiegen
Würd' ich liegen,
  Die sich schmiegen, Wellen gleich,
Und die Ottomanne würde
  Meine Bürde
Tragen, schwellend, düstereich.

Jede Laune würd' ich stillen,
  Ohne Hüllen
Plätschert' ich im Wellenschooß,
Sicher, daß im Hain, dem dunkeln,
  Nirgends funkeln
Späheraugen, – sorgenlos.

Keiner wagt' es, mich zu schauen,
  Todegrauen
Schützte rings mein Paradies,
Durch Heiducken und Eunuchen
  Müßt' er suchen
Seinen Weg, durch Schwert und Spieß.

Läßig über Saal und Treppe
  Meine Schleppe
Streifen ließ' ich, schön beschuht
Mit den prächtigsten Sandalen,
  Welche strahlen
Feurig in Rubinen-Glut.« –

So sich zur Prinzessin träumend,
  Müßig säumend
Schaukelt sich das schöne Kind,
Nur zum Spiel die Sinne lenkend,
  Nicht bedenkend,
Daß beschwingt die Tage sind.

Und von ihrem Fuße spritzen
Tropfen, blitzen
  Auf das Gras und übersprühn
Ihres Hemdes Falten, fliegend
  Und sich wiegend
Hoch am Busch im Ufergrün.

Die Gespielen ziehn, die frischen,
  All inzwischen
Mit der Sens' auf's Ackerland,
Ziehn dahin in hellen Haufen,
  Rennen, laufen,
Hüpfen lustig, Hand in Hand.

Und sie lachen, singen, necken
  Sie, die Kecken,
Jede spottet, wie sie mag:
»Noch nicht angekleidet? – Schäme
  Dich, Bequeme –
Heut, an einem Erntetag!«

Juli, 1828.


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