Victor Hugo
Victor Hugo's sämmtliche poetische Werke. Zweiter Band
Victor Hugo

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Einem Wanderer.

Wer am Abend spät
Abenteuern geht
Am Raine,
Hüte sich, daß nicht
Fallend er sich bricht
Die Beine.

Dunkel Meer und Strand,
Nebel decken Sand
Und Steine.
Keine Hütt' erspäht
Ihr, so weit ihr seht,
Nicht Eine.

Diebe schleichen sacht,
Nehmen Dir bei Nacht
Das Deine.
Oft in Sumpf und Dorn
Führt der Feen Zorn
Im Haine.

Meid' ihr Waldrevier,
Und begegnen Dir
Wird Keine.
Geister ziehn nicht heim
Nachts, sie tanzen beim
Mondenscheine.

Das Narrenlied.

Zehnte Ballade.

O Wandrer, der Du Nachts mit Deinem treuen Hunde
Nach einem heißen Tag noch magst des Weges ziehn,
Wohin doch reitest Du in dieser späten Stunde?
Wo führst Du heute denn Dein müdes Pferd noch hin?

Nacht ist's! – Und fürchtest Du nicht diebische Gesellen,
Die in dem Gurt den Stahl sich in den Weg Dir stellen?
Nicht alte Wölfe, die hervor aus Busch und Baum
Mit jähem Satz, und wenn auch lichte Funken sprängen
Vom Huf des Rosses, sich Dir an den Sattel hängen,
Und beißen in Dein Fleisch, daß Blut sich mischt und Schaum?

Und bangt Dir nicht, daß Dich die Nachtkobolde necken,
Die dehnend unter'm Fuß des Weges Länge strecken?
Du glaubst ein Schloß zu sehn, und Fenster, hell erglüht
Im schönsten hellsten Glanz erscheint es Deinem Ahnen,
Du siehst im Hofe sich ergehn die Goldfasanen,
Du gehst dem Schimmer zu, – der stets zurück sich zieht.

Bleib fern dem Orte, wo die Hexen Sabbath halten,
Wo sich im Tanze drehn dämonische Gestalten,
Den Mauern, gottverflucht, durch Teufelsspuck entweiht,
Dem Zauberschloß, erbaut durch finstre Höllenmächte,
Das, öd am hellen Tag, die Finsterniß der Nächte
Erhellt mit rothem Glanz der Scheiben weit und breit.

O Wandrer, der so rasch Du mit dem treuen Hunde
Nach heißem Tage magst bei Nacht des Weges ziehn,
Wohin doch reitest Du so spät noch, in der Stunde
Der Rast, wo führst Du heut Dein müdes Pferd noch hin?

Oktober, 1825.


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