Victor Hugo
Victor Hugo's sämmtliche poetische Werke. Zweiter Band
Victor Hugo

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Buonaparte

De Deo.

Elfte Ode.

I.

Wenn in der Erde Schlund die Städte niedertauchen,
Und flücht'ges Gift der Wind streut über Meer und Land,
Wenn rasend brüllt der Sturm und die Vulkane rauchen,
  Da hebt sich rächend Gottes Hand;
Und wenn die arge Welt durch diese Warnungszeichen
  Des Himmels sich nicht läßt erweichen,
  Dann kommt ein Mann, den Gott erkor,
Als Gottesgeißel, statt der blinden Länderplagen,
  Tritt ein Lebendiger hervor.

Oft durch der Völker Reih'n zieh'n Männer, die im Grimme
Gott auserwählt, sein Fluch ist's, der sie hebt und trägt,
Ihr Zug ist Ein Triumph, bis sie die Donnerstimme,
  Die sie berief, zu Boden schlägt.
Von Nimrods Geist beseelt, erhab'ne Ungeheuer,
  Regieren sie mit Schwert und Feuer
  Die armen Völker schwerbedrückt.
Im freveln Ruhmesglanz, vernichtend Frucht und Blüthen,
Als Gottes Boten einst erscheinen sie, – und wüthen,
  Als hätte Satan sie geschickt.

II.

    Als jüngst den Thron mit frecher Stirne
    Gestürzt die Völkerkönigin,
    Wie eine zügellose Dirne
    Gab sie sich den Parteien hin.
    Dem königsmörderischen Drachen,
    Der sich im Chaos voll den Rachen
    Gestopft, entsprang nun ein Despot.
    So schlingt das Meer oft fette Auen
    Hinab, und aus dem Schlund, o Grauen,
    Hebt ein Vulkan sich düsterroth.

Erst zog er an den Nil und trieb den Feind von dannen,
Ein General des Volks, Trotz bietend einer Welt,
Als wollt' er Hohn im Grab noch sprechen den Tyrannen,
  So thront' er stolz in seinem Zelt. –
Er kam zurück, das Haupt von seinen Kampfgenossen:
  Und Frankreichs Freudenthränen flossen,
  Und heller schien dem Volk die Luft.
Der Pharaonen Staub stampft' er und ihre Krone,
Und, mitten unter'm Nichts, von einem Riesenthrone
  Nur träumt' er auf der Riesengruft.

Der Purpur, den er stahl, er taucht' ihn in die Welle
Des königlichen Bluts, das ehrlos er vergoß.
Groß war in Vincennes den Rebellen der Rebelle, –
  Im Louvre war der Kaiser groß.
Fast eines Gotts bedarf's, zu weihen solchen Degen,
  Roms Priesterkönig gab den Segen
  Und hat den Schicksalsmann geweiht.
Der hatte vor sich selbst wohl insgeheim ein Bangen,
Die blut'ge Krone wollt' er darum nur empfangen
  Aus einer Hand, die gern verzeiht.

III.

    Gott, wenn er will, der ewig Gute,
    Der Sünder durch Verbrecher oft
    Bestraft, zerbricht die Völkerruthe
    Wohl früher, als die Welt gehofft.
    Er, dem einst Gott geführt den Degen,
    Nennt: »Herr der Welt!« sich nun verwegen,
    Und reckt sich bis zum Himmelsdom:
    Trotzt dem Gesetz, dem heilig alten,
    Doch, wenn er glaubt, das Glück zu halten,
    Entwischt dem Riesen das Phantom.

IV.

In seiner Frevel Nacht, die Siege grell erhellten,
Uneingedenk des Herrn der Welt, der ihn gesandt,
Zog dieser Mann von Stadt zu Stadt mit seinen Zelten,
  Und im Triumph von Land zu Land.
Sein grimmes Heer, es half zum Siege dem Geschlechte
  Des Galgacus, sie wurden Knechte,
  Die tapfern Söhne des Pelag .
Wenn er zu ihrem Herd heimführte seine Braven,
Besiegte Kön'ge lud er dann zu seinen Sklaven,
  Den Siegeln, ein zum Festgelag.

Zehn Reiche nahm er weg und machte draus Provinzen.
Und nicht genug war dies, noch höher stieg der Hohn.
Ausruhen wollt' er nur, von einem Hof von Prinzen
  Umgeben, aus Europa's Thron.
Die Adler schickt' er aus, die manches Land durchflogen,
  Gewalt'ge Völkerheere zogen
  In langem Strom dem Norden zu.
Die Klippe sand er dort, die lange schon ihm drohte.
Die Völker schliefen: doch die Brunst, die morgenrothe,
  Hat sie geweckt aus ihrer Ruh'!

     Ein König fiel er, groß vor Allen!
    Doch was Verwegnes schwebt ihm vor?
    Wohl nur, um nicht mehr halb zu fallen,
    Rafft' er noch einmal sich empor.
    Dann schaffte, weit von seinen Reichen,
    Man ihn, den stolzen Mann, den bleichen,
    Gefangen fort in eine Welt
    Gleich ihm zertrümmert und geborsten:
    Auf einem Felsen sollt' er horsten,
    Wie er, zerrissen und zerschellt.

Hier, wie ein Lavastrom, erkaltet' er, es standen
Besiegte um ihn her, jetzt Sieger, – harte Qual!
Und der Tyrann – der Rest von einem! – fand in Banden
  Sich beim Erwachen auch einmal.
Den Jubel hört' er noch beim Bau der neuen Throne,
  Er wies dem Schiffsmann mit der Krone
  Das Riff, – ein Leuchtthurm, strahlend weit.
Er starb. – Als das Gerücht erscholl in unfern Städten,
Da fühlte Jedermann sich ledig selbst der Ketten,
  Von dem Gefangenen befreit.

So wankt der Uebermuth und geht dem Sturz entgegen.
Ein Hauch erhebt, ein Blick zerstört des Riesen Macht.
Sein Sattel war sein Thron, sein Scepter war sein Degen,
  Sein Kaiserthum nur Eine Schlacht.
Die Geißel, die er einst geschwungen, ward zur Ruthe
  Ihm selbst, ihm war nicht mehr zu Muthe
  Wie einst im kühnen Schlachtenspiel.
Er stürzt sich in sein Herz, wie in den Schlund der Höhle, –
Ruhm und Verbrechen zog vorbei an seiner Seele,
  Doch Elend fand er nur am Ziel.

V.

    Ihr Völker, die ihr huldigt gerne
    Den Henkern, wie dem Opferlamm:
    Gönnt seinen kurzen Glanz dem Sterne! –
    Es war kein ächter Heldenstamm.
    Heroen, die der Tag vergöttert,
    Und die der Nachwelt Fluch zerschmettert,
    Sie täuschen Den nur, der nicht wacht.
    Das find die nächtlichen Auroren,
    Durchzuckt von rothen Meteoren,
    Nach denen keine Sonne lacht.

März 1822


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