Victor Hugo
Victor Hugo's sämmtliche poetische Werke. Zweiter Band
Victor Hugo

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An Ramon, Herzog von Bemav.

Por la boca de su berida.

Guillen de Castro.

Einundzwanzigste Ode.

Ich sah, wie Deine Augen flammten,
Dein Lächeln kenn' ich, herb, verstört,
Es ist das Lächeln des Verdammten,
Wenn er sein Todesurtheil hört.
Ich drückte Deine Hand, ich fühlte
Das Leid, das Dir im Herzen wühlte,
Sah Dein Gesicht, von Gram entstellt,
Den düstern Blick, der gleicht dem Funkeln
Des Blitzes auf dem Meer, dem dunkeln,
Der seine Tiefen nicht erhellt.

Du sprachst: »Warum mich so verletzen?
Ist Einer, der mich seufzend fand?
Nie werden meine Thränen netzen
Des Bruders oder Freundes Hand.
Ich habe Keinen! ... Nie erfahren
Hab' ich, was Freude heißt. Ersparen
Mögt ihr mir drum des Mitleids Hohn.
Zu schwer bezahlt' ich meine Schmerzen,
Als daß ich einem fremden Herzen
Gönnt' einen Theil auch nur davon.

Und sind es Wunden denn, die brennen,
Ein Unglück, das der Thränen werth? –
Ja, was die Andern Freude nennen,
Mir hat's in Kummer sich verkehrt.
Nichts blieb von meinen Jugendträumen,
Und keine Früchte seh' ich keimen,
Die Blüthen fielen auf den Grund.
Kalt ist die Glut der süßen Triebe,
Und meinen Namen wird mit Liebe
Aussprechen nie ein Frauenmund.

Kein Weib! Kein Kind! – Nie hat geschlagen
Ein Herz an meinem – öd und leer!
Ich hörte nie die Stimme fragen
Der Eifersucht: »Wo kommst Du her?«
Todt ist mein Wünschen und mein Hoffen,
Und in der Zukunft seh' ich offen
Das Thor des finstern Höllenraums.
Der Schatten sah ich viele schweben
Schon durch mein nächtlich düstres Leben,
Doch nie die Göttin meines Traums.

Stets aufrecht ging ich meiner Wege,
Was auch das Schicksal mir geraubt.
Doch um so schwerer sind die Schläge
Gefallen auf mein freies Haupt.
Den Jugendträumen, dem Vergnügen,
Dem Ruhm – sie mögen Andern lügen –
Lagt' ich wie Cato stolz Ade.
Mein Lenz dahin! – Ich trag' es stille!
So ist's einmal des Schicksals Wille.
Leid' ich, wer weiß von meinem Weh?

Sind wir des Schicksals Sklaven, – schweigen
Laßt uns vom Dolch, auf uns gezückt.
Du willst, ich soll die Male zeigen
Der Ketten, die mich wund gedrückt?
Soll ich den Augen sie enthüllen,
Damit sie sich mit Thränen füllen?
Geht! – Jedem schmeckt nicht jede Kost.
Laßt mich allein mit meinem Grimme.
Mich stören kann nur Eure Stimme,
Nein, lieber Kummer noch als Trost!

Vom Leben lernt' ich mich zu trennen.
Was liegt daran, ob froh und frei,
Ob düster meine Augen brennen?
Neid oder Mitleid – einerlei!
Was liegt, wenn nun geleert der Becher,
Daran, daß für den durst'gen Zecher
Am Rand ein bittrer Thau noch klebt?
Hat wohl ein Schiff besiegt die Wellen,
Die zornigen, die es zerschellen,
Weil aus der Flut sein Mast sich hebt?

Laßt nach dem Glück die Andern laufen:
Laßt einsam mich in meiner Nacht.
Was ist die Welt? – Ein wirrer Haufen,
Der durcheinander weint und lacht.
Wie alle Adamskinder trage
Ich meine Bürde ohne Klage,
Ich brauche Niemand, der sie trägt.
Rauscht nur vorüber, Well' auf Welle,
Was kümmert's Euch, an welcher Schwelle
Sich einst mein Schatten niederlegt!« –

So grollst Du heimlich, Seufzer schwellen
Die Brust, die Lippen flüstern bang,
Wie das Gemurmel leiser Quellen,
Wie ein verlorner Harfenklang.
Dein Unglück ist Dein Ruhm. – O zürne
Nur ihm, da um die Siegerstirne
Sich nie ein Kranz von Blüthen schlingt,
Dir kann die Freude nicht erscheinen:
Du weißt ja, daß die Musen weinen
Zum Vorspiel, eh' die Saite klingt.

So wie die Pflugschaar das Gefilde
Umwühlt, durchfurcht, mit scharfem Stahl
Die Scholle trennt, bis sich die Milde
Der Abenddämm'rung senkt zu Thal,
So läßt das Unglück keine Stunde
Dir Ruhe, schlägt Dir Wund' auf Wunde,
Zu segnen Deines Geistes Flur;
Denn wenn sein Flammenschwert, das blanke,
Die Seele Dir zerreißt, o danke,
Mein Freund: – befruchten will es nur!

November, 1825.


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