Victor Hugo
Victor Hugo's sämmtliche poetische Werke. Zweiter Band
Victor Hugo

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Lied des Circus.

Panem et circenses.

Juvenal.

Elfte Ode.

  Cäsar, Großmüthigster, zum Feste,
  Das Du bereitet, nahn die Gäste
  Von Ost und West, beim Hörnerklang.
  Heil Dir, Unsterblicher, Gerechter,
  Augustus' Erbe, Heil! Die Fechter,
O Cäsar, grüßen Dich auf ihrem Todesgang.

Roms Kaiser bringt allein von Allen, die da thronen,
In warmem Menschenblut den Göttern Libationen.
Bei unsern Festen ist der Tod willkommner Gast.
Die Ungeheuer sind nur da, uns zu ergötzen,
Der Circus raucht von Blut, Hyrkaniens Tiger hetzen
Wir auf Barbaren, – Mensch und Bestie schnaubt und rast.

Kolosse, hoch gethürmt, Erzriesen, Porphyr-Vasen,
Schiffsanker, Fahnen rings, von Zephyrn aufgeblasen,
Die um die Marmorwand des Todtenfelds sich reihn;
Zum Himmel steigt empor des Weihrauchs duftge Wolke:
Denn des Gemetzels Dampf – so ist's dem Römervolke
Genehm – muß stets vermischt mit würz'gen Düften sein.

Die Eisenthore thun sich auf, die Riegel knarren,
Die Menge preßt sich durch, sie will nicht länger harren,
Die Panther fahren auf vor Schreck im dunkeln Stall.
Und brausend, brüllend wälzt mit tausendstimmigem Rufen
Ein Strom, der überschäumt, hinan die Marmorstufen
Das Weltbeherrschervolk sich, ein gewalt'ger Schwall.

Im Stuhl von Elfenbein schon sitzen die Aedilen;
Flußpferde schwimmen plump daher mit Krokodilen
Im breiten Graben, der sich um den Circus schlingt.
Dumpf von fünfhundert Leu'n dringt das Gebrüll zum Ohre
Des Volks, Bestalinen antworten sich, dem Chore
Der Chor, der den Altar des keuschen Feuers bringt.

Glutäugig, Hals und Brust entblößt, mit losem Haare,
Stellt frech die Buhlerin den Dreifuß zum Altare;
Cypressenlaub umhüllt das heilige Asyl.
Die Senatoren gehn in breitverbrämten Togen,
Ein Schwarm von Königen kommt ihnen nachgezogen
Und Sklaven, ihr Gefolg, und der Clienten viel.

Bei jeder Jungfrau sitzt ehrwürdig die Matrone,
Auf der Tribunen Ruf erscheinen an dem Throne
Die Prätorianer, die sich dicht im Kreise reihn.
Der Chor der Cybele, die Priester, singen, Possen
Reißt eine Gauklerschaar, am Gangesstrom entsprossen,
Bis sich die Fechter nahn, die sich dem Tode weihn.

Ha, die Gefangnen! – Die Zuschauer klatschen, rufen
Den Fechtern drohend zu, die an den Tempelstufen
Des Manes Cäsar fing, der Irmensul entrückt.
Sie treten ein, – es nennt der Lictor jeden Namen, –
Die zum Vergnügen Roms hieher zu sterben kamen,
Ein Brandmal an der Stirn, vom Consul aufgedrückt.

In ihren Reihen gehn Judäa's Söhne schweigend,
Die Häupter unter'm Druck geheimer Schande neigend,
Dann Gallier, – trotzig schaun sie sich, verwegen um, –
Verworfne Christen, die zum Tod gelassen gehen,
Nicht murrend, seufzend um sich nach den Henkern sehen,
In Demuth leiden sie und sterben wehrlos, stumm.

Bald speit die Mauer, starr von Schwertern und von Spießen,
Die Bestien aus, die jäh hervor, laut brüllend schießen,
Und auf die Beute stürzt sich das Gethier ergrimmt. –
Ein Purpurbaldachin dehnt über'm Kaisersitze
Sich aus, damit das Licht, so lang die Sonnenhitze
Auf's Schlachtfeld brennt, dem Herrn ins Auge milder glimmt.

  Cäsar, Großmüthigster, zum Feste,
  Das Du bereitet, nahn die Gäste
  Von Ost und West, beim Hörnerklang.
  Heil Dir, Unsterblicher, Gerechter,
  Augustus' Erbe, Heil! Die Fechter,
O Cäsar, grüßen Dich auf ihrem Todesgang.

Januar, 1824.


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