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Elftes Kapitel.

Jansen und seine Begleiterinnen hatten indeß ihren Weg fortgesetzt, viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt, um darüber nachzudenken, in welcher Gesellschaft Schnetz an ihnen vorübergefahren sein mochte. Sie machten auch keinen gewöhnlichen Morgen-Spaziergang, denn es handelte sich um nichts Geringeres, als um die erste Bekanntschaft eines Kindes mit seiner neuen Mutter, ja um noch Mehr. Julie hatte gestern Abend ihren dringenden Wunsch erklärt, Fränzchen sofort zu sich zu nehmen; der Plan, mit Angelica zusammenzuziehen, war wieder aufgegeben worden, da diese gute Seele sich nicht entschließen konnte, ihre Hausleute zu verlassen, die zum großen Theil von ihr lebten. So hatte Julie Raum genug, und unausgesprochen wirkte wohl auch die Rücksicht mit, ihrem Freunde und sich selbst durch die Gegenwart des Kindes das Probejahr zu erleichtern. Da Alles, was ihr Bündniß unauflöslicher machen mußte, ihrem Freunde hochwillkommen war, wurde gleich der andere Tag zur Ausführung des Unternehmens bestimmt.

Aber so lebhaft Jansen den Gedanken aufgegriffen und unterstützt hatte, – je näher es jetzt seiner Ausführung kam, je zweifelhafter wurde er, ob es ganz ohne Kampf gelingen würde, das Kind aus der gewohnten Umgebung loszumachen und in ein neues Verhältniß einzuführen. Nicht minder beklommen war Julien zu Muth; was ihr gestern Abend leicht und selbstverständlich erschienen war, kam ihr heut am hellen Tage doch als ein Wagestück vor, das ihr mit jedem Schritte näher zum Ziel das Herz ängstlicher klopfen machte. Wenn das Kind sich nicht an sie gewöhnen wollte? Wenn sie selbst bei allem guten Willen nicht gleich ein Herz zu ihm fassen, oder die Kunst nicht so leicht lernen konnte, es in der rechten Weise zu behandeln?

Sie verstummte über diesen Gedanken und ging unwillkürlich langsamer. Auch Jansen hielt den Schritt zurück, so daß die gute Angelica, die ganz munter und sorgenfrei mitging, alle Augenblicke stehen bleiben mußte, um auf die Nachzügler zu warten.

Sie verlor aber ihre gute Laune nicht, vielmehr schien es, als ob das Glück ihrer vergötterten schönen Freundin, der Antheil daran, der ihr selbst als der Schutzheiligen des heimlichen Bundes zukam, nicht zum Wenigsten auch die Autorität, die ihr die Stellung als Protectorin über den verehrten Meister einräumte, ihren Humor ungewöhnlich anfeuerte, so daß sie sich auf ihre eigene Hand in den lustigsten Reden erging, wenn die beiden Anderen das Recht der Liebenden, langweilig zu sein, allzu sehr mißbrauchten.

Kinder! rief sie, wieder einmal stillstehend und sich mit ihrem Tuch das erhitzte Gesicht fächelnd, – es ist das erste Mal in meinem Leben, daß ich bei einem heimlichen Liebespaar den Elephanten spiele, aber ich schwöre es bei dem Thurmknopf der protestantischen Kirche dort, – nie wieder, wenn mir nicht wenigstens Equipage gehalten wird! Daß ihr nicht sehr unterhaltlich seid, ist in der Ordnung und immer noch besser, als wenn ihr beständig in Sonetten sprächt, wie Romeo und Julie, was ich schon auf dem Theater höchst verrückt gefunden habe. Aber neben euch her zu schleichen durch diese Saharaglut, ihr immer im Schneckentempo, da ihr vor inneren Flammen die äußere Hitze gar nicht mehr spürt, ist mehr, als ein betagtes Mädchen meiner Complexion ertragen kann. Wir werden uns also in die nächste Droschke schwingen, wo ich die Augen zumachen und darüber nachdenken kann, warum die Liebe, die doch eine so lustige Erfindung ist, die gescheitesten Menschen melancholisch zu machen pflegt.

Jansen's Wohnung lag in einer der alten Gassen zwischen der Stadt und der Auer-Vorstadt. Wer hier an dem rasch dahinfließenden Bach, einem abgezweigten Wasserarm der Isar, den niedrigen Häuschen mit kleinen Vorgärten, Höfchen und malerischem Gewinkel vorübergeht, glaubt sich weit von der Hauptstadt in ein alterthümliches Landstädtchen versetzt, so still und menschenleer sind hier Wege und Stege, so unbefangen treibt hier Jeder vor allen Nachbaraugen sein Gewerb, wäscht sein Linnen und seinen Salat in der nämlichen Welle und sitzt in Hemdärmeln unter der Thür. Das Haus unseres Freundes stand ein wenig zurück in einer Art Sackgasse, so daß man nicht an der Thür vorfahren konnte. Es gehörte einem braven und rüstigen Manne, der ehemals Lehrer an einer Gewerbeschule in der Provinz gewesen und jetzt als Ingenieur bei verschiedenen Eisenbahnbauten beschäftigt war. Da ihn seine Arbeit viele Monate des Jahres auf Reisen herumführte, hatte er seiner kleinen Frau, einer munteren, lebensklugen und an Leib und Seele kerngesunden Pfälzerin, ihre alte Mutter zur Hülfe und Gesellschaft ins Haus genommen; eine vortreffliche alte Frau, die ziemlich taub war, aber gleichwohl auch mit den Kindern sich so gut zu verständigen wußte, daß diese sich keine liebere Gesellschaft wünschten, als die Großmama, die ihnen alle ihre kleinen Wünsche an den Augen ablas.

Sie saß eben auf ihrem gewöhnlichen Platz in der tiefen Fensternische, ihre jüngste, erst zweijährige Enkelin auf dem Schooß, das fünfjährige Pflegekind auf einem Schemel vor ihr, als die Thür sich öffnete und ihre Tochter den Bildhauer und die beiden Damen hereinführte. Jansen war ihr besonderer Günstling, und sein Kind hatte sie nicht minder ins Herz geschlossen, als ihre leiblichen Enkel. Als daher jetzt auf einmal ohne alle Vorbereitung und Ankündigung zwei fremde Fräuleins, von denen die Eine auffallend schön war, ihr als Verwandte des Bildhauers vorgestellt wurden, die Fränzchen kennen zu lernen wünschten, wollte ihr die Sache nicht recht geheuer vorkommen. Zumal die Eine der Fremden, die Schöne, das kleine Mädchen, das große Augen machte, sofort auf ihren Schooß zog, es küßte und streichelte und allerlei Naschwerk und Spielzeug aus der Tasche zog, womit sie um die Freundschaft des Kindes warb. Jansen saß stumm und wunderlich blickend dabei. Zum ersten Mal kam ihm sein liebes Kind nicht so hübsch und vortheilhaft vor, wie er es wohl gewünscht hätte. Es hatte allerdings Zug für Zug das Gesicht des Vaters und zum Glück auch dessen helle, strahlende Augen, dazu einen Kopf voll dunkelbrauner Locken und schwarze Brauen, welche die Augensterne noch glänzender erscheinen ließen. Auch fand es offenbar an der schönen »Tante«, die ihm so gute Sachen und gute Worte gab, großes Wohlgefallen und benahm sich für seine jungen Jahre höchst manierlich. Aber trotzdem lag eine geheime Befangenheit auf all den Menschen, die in dem niedrigen Zimmerchen um den Tisch am Sopha beisammensaßen. Weder Jansen noch Julie hatten sich überlegt, wie sie ihr Vorhaben schicklich in Worte kleiden sollten, da ihr Verhältniß ja bisher keinen der üblichen Namen führte und diesen beiden gut bürgerlich gesinnten Frauen das Verlöbniß eines verheiratheten Mannes und die Mutterrechte seiner »Braut« an seinem Kinde nicht so leicht klar gemacht werden konnten.

Sie mochten Beide auf die guten Dienste ihres getreuen »Elephanten« gerechnet haben, dem sonst das Wort in heiteren und ernsten Dingen nicht zu fehlen pflegte. Angelica aber schien bei dem Eintritt in dieses friedliche kleine Wohnzimmerchen ebenfalls ihren Humor draußen gelassen zu haben. Sie hatte nur den Tact, die anderen Kinder zu bewundern und besonders mit dem zweijährigen Nesthäkchen sich zu schaffen zu machen, welches sie »einen entzückenden Balg mit wahrhaft Rubens'schem Colorit« nannte.

So war eine gute halbe Stunde vergangen, Alles erschöpft, was bei einem ersten Besuche vorzubringen ist, und immer noch die Hauptsache nicht berührt worden. Da kam die kleine Hausfrau, die hin und wieder mit der Alten in der Fensternische einen bedeutsamen Blick gewechselt hatte, ihrem alten Freunde und Hausgenoffen zu Hülfe, indem sie ausstand und ihn bat, ihr einen Augenblick in das Nebenzimmer zu folgen, sie habe ihm noch etwas zu sagen, was den Damen sehr uninteressant sein würde.

So führte sie ihn in das Arbeitszimmer ihres abwesenden Mannes, zog die Thür fest hinter sich ins Schloß, und sobald sie mit ihm unter vier Augen war, ging sie sofort auf die Sache los.

Lieber Freund, sagte sie in ihrem lebhaften Pfälzer Dialekt, mit Weglassung aller N's am Ende der Wörter und einer Menge jener zierlichen Mundartigkeiten, die hübschen Pfälzerinnen so hübsch vom Munde fließen, – jetzt beichten Sie einmal gleich frischweg, was das Alles zu bedeuten hat. Meinen Sie im Ernst, mir was weis machen zu können, daß ich nicht merken sollt', dieses reizende Frauenzimmer sei so etwas wie Ihr Schätzchen und nicht eine bloße Cousine im siebzehnten Grad? Nun, ich habe gewiß nichts dagegen, wenn Sie ein liebenswürdig Fräulein lieb haben; dafür sind Sie Künstler und ja auch noch kein Jubelgreis in Silberlocken; und dies Frauenzimmer könnt' mir selber das Herz abstehlen, wenn ich ein Mannsbild wär'. Aber es ist da noch was Besonderes dahinter, das lass' ich mir nicht ausreden, und das Gethu' und Gehabe mit dem Kind, das hat seine Ursach'. Hat sie nicht gefragt, ob das Fränzche gern zu ihr kommen möcht' und all die schöne Sachen sehen, die sie noch zu Haus hält'? Nun bitt' ich Sie, lieber Jansen, so einer bloßen Liebschaft ist doch sonst nichts daran gelegen, ein Kind zu sich ins Haus zu locken, das ihren Schatz immer an ältere Herzensabenteuer erinnern muß.

Sie haben es errathen, beste Frau, erwiederte Jansen und drückte ihr wahrhaft erleichtert die Hand. Sie sind klug wie der Tag und würden auch einem geschickteren Diplomaten, als ich bin, seine geheimsten Pläne aus der Brust stehlen. Wer hätte auch ein besseres Recht, Alles zu wissen, was unser liebes Kind betrifft, als Sie, theure Freundin, die Sie es mir bis heute mit solcher Muttertreue gepflegt haben. Aber nun hören Sie mich ruhig an. Es ist freilich eine seltsame Geschichte, und der rechte Weg durch all diese Wirrsale nicht so ganz klar. Aber wenn Sie jenes seltene Wesen erst so genau kennen werden, wie ich –

Und nun begann er, die Geschichte seiner letzten Wochen der aufmerksam zuhorchenden Frau zu berichten, und schloß damit, daß er unter diesen Umständen seiner Julie den Wunsch, das Kind bei sich zu haben, nicht habe ausreden mögen, zumal sie ihm damit den größten Beweis gebe, wie ernstlich sie es mit seinem Glück meine, wenn sie auch für das Kind zu sorgen anfange, das ihm nächst ihr selbst das Theuerste sei.

Er hatte sich so in Eifer geredet, daß ihm, als er fertig war, nichts natürlicher und richtiger schien, als diese seine Meinung. Daher war er sehr betroffen, als die kleine Frau ihm jetzt mit einem bedenklichen Ausdruck ins Gesicht sah und gegen ihre Gewohnheit feierlich und langsam sagte: Wollen Sie mir's nicht übel nehmen, lieber Freund, aber da würden Sie den dümmsten Streich machen, den Sie in Ihrer Lage und Ihren Jahren überhaupt noch machen können. So! Und nun wissen Sie's, und obwohl es nicht höflich klingt, meine Meinung ist es nun einmal und meiner Mutter ihre gewiß auch, und wenn Sie das Herz nicht dazu haben, will ich's meinethalb' dem schönen Fräulein selbst ins Gesicht sagen, mit aller Lieb' und Hochachtung, deren sie in jeder Hinsicht werth sein mag. Was? Das Kind soll ich hergeben, an ein ledig Frauenzimmer, dem sein Herr Vater den Hof macht? An eine schöne Dame, die ihr Lebtag nicht viel davon gewußt hat, wie man so ein jung Pflänzche begießen oder an ein Stöckchen binden soll, wenn es Miene macht, schief zu wachsen, und was es an Luft und Sonnenschein bedarf?

Wir würden natürlich eine erfahrene Kinderfrau nehmen, wagte er kleinlaut einzuwerfen.

Die lebhafte Frau, die vor Eifer ganz roch im Gesicht geworden war, sah ihn mit einem mitleidig vorwurfsvollen Blick von der Seite an.

So? sagte sie. Eine Kindsfrau? Also damit, meinen Sie, soll ich mich zufrieden geben? Nein, und wenn Sie zehnmal der leibliche Vater des Kindes sind und ich nur die Pflegemutter, so nehm' ich mir doch heraus, zu sagen, daß Sie nichts davon verstehen und eben nur so schwätzen, weil Sie blind verliebt sind. O bester Freund, meinen Sie denn, weil ich kein Recht hab', zu sagen: ich leid's einmal nicht, ich geb' das Kind nicht heraus, das ich so lang' wie meine eigenen lieb gehabt hab', – darum würd' ich mich nicht doch mit Händen und Füßen wehren, wenn ihm jetzt 'was geschehen soll, was ihm so schädlich wär', als wenn Sie ihm Branntwein zu trinken gäben? Ja, schauen Sie mich nur so groß an; es ist doch, wie ich sage. Ein Kind taugt nur in ganz reine Verhältnisse, nehmen Sie mir das Wort nicht übel. Oder was wollen Sie Ihrem Fränzchen sagen, wenn es fragt, ob denn die schöne Dame, bei der es wohnt, dem Papa seine Frau sei, weil er sie immer so herzt und küßt, wenn er kommt und geht, wie der Mann seiner Pflegemama mit Der gethan hat, oder vielmehr noch viel zärtlicher? Meinen Sie, das klein' herzig' Ding habe nicht zwei Augen im Kopf und ganz kluge Gedanken dahinter? Und wenn Sie sich auch noch so sehr in Acht nehmen – es ist doch nicht richtig mit der ganzen Sach'. Ihr Fräulein Liebste hat den Kopf voll anderer Dinge, als was dem Kinde Noch thut, und wird nicht den ganzen Tag mit ihm plaudern, spielen und lernen, wie die Großmutter und unsere anderen Kinder. Ueberlegen Sie's nur einmal und schlagen sich's dann aus dem Sinn. Sehen Sie, Sie haben mir manchmal gesagt, Sie wären froh, wenn Sie einmal etwas wüssten, womit Sie mir meine Lieb' und Treue für das Kind vergelten könnten, und ich hab' Sie immer ausgelacht mit der dummen Red'. Aber heut lach' ich gar nicht, heut sag' ich Ihnen ganz ernsthaft: wenn Sie wirklich glauben, Sie seien mir was schuldig geworden, so vergelten Sie mir's dadurch, daß Sie mir das Kind nicht nehmen, sondern es lassen, wo ihm wohl ist.

Sie hatte ihm die beiden Hände hingereicht, die er, immer noch mit abgewendetem Gesicht, ergriff und herzlich drückte. Meine beste Freundin, sagte er, Sie meinen es so gut mit unserem Kinde –

Und mit seinem Vater, fuhr sie eifrig fort, und selbst mit seines Vaters schöner Freundin, mit der ich keinen Scheffel Salz zu essen brauch', um alles Gute zu glauben, was Sie ihr nachgesagt haben. Aber eben deßhalb und weil wir doch gerade bei diesem Kapitel sind: fassen Sie nun auch gleich einen herzhaften Entschluß, lieber Jansen, und betreiben Sie die Scheidung um jeden Preis und so rasch als möglich. Sehen Sie, ich bin nur eine einfache Frau und hab' nicht viel von der Welt gesehen, aber doch genug, um zu wissen, daß mit dem besten Willen nicht Alles immer nach der Schnur gehen kann, und wenn als die Herren Künstler mehr als nöthig über die Schnur zu hauen lieben – Sie sind nicht so Einer, der's nur aus Muthwillen thät'. Ich weiß ja auch, warum Sie's bisher nicht anders gewollt haben. Aber jetzt – glauben Sie mir, jetzt sind Sie es drei Menschen schuldig, Alles daran zu setzen, um reine Luft zu schaffen, in der Sie ein neues Leben anfangen können. Und wenn Sie auch jetzt den Kopf schütteln, als ob Sie sagen wollten, es ist unmöglich, – glauben Sie mir –

Die Thür wurde plötzlich geöffnet, und Fränzchen kam hereingesprungen, eine candirte Frucht in der Hand, die es angebissen hatte und die nun die Pflegemutter durchaus kosten sollte. Jansen nahm das liebe Ding in die Arme, drückte es heftig an sein Herz und küßte ihm die strahlenden Augen. Dann gab er es der kleinen Frau zurück und sagte mit bewegter Stimme: Da haben Sie sie wieder. Gott lohne Ihnen Ihre Güte und Klugheit. Wir sprechen ein andermal zu Ende.

Er trat in das Zimmer zurück, wo die Freundinnen gewartet hatten, auf einen ziemlich mühsamen Versuch der Verständigung mit der schwerhörigen Alten beschränkt. Julie sah es Jansen an den Augen an, daß sein Gespräch nicht den gewünschten Erfolg gehabt hatte; so schwer es ihr aber wurde, auf ihren Plan zu verzichten und das Kind nicht sogleich mit sich zu nehmen, so enthielt sie sich doch aller voreiligen Einreden und begnügte sich mit dem Versprechen, daß Fränzchen sie sehr bald besuchen sollte.

Erst im Wagen theilte ihnen Jansen Alles mit, was die kleine Frau eingewendet hatte. Julie hörte es stumm mit gesenkten Augen und glühenden Wangen. Angelica aber versuchte in ihrer drolligen Manier sich dagegen zu verwahren, als ob das Project, dem auch sie als der weise Schutzgeist der beiden thörichten Verliebten ihre Zustimmung gegeben, so ganz verrückt oder unzweckmäßig gewesen wäre. Unvermerkt aber gerieth sie von dem Schelten auf die eigensinnige kleine Frau in das Lob derselben hinein, indem sie behauptete, als Porträtmalerin sei sie Menschenkennerin genug, um gleich zu wissen, was hinter einem Gesicht für eine Gemüthsart stecke. Und da müsse sie denn sagen, wenn das liebe Kind nicht bei Julie sein solle, könne es in der weiten Gotteswelt nirgend besser aufgehoben sein, als in diesem Hause.

Julie verharrte in ihrem Schweigen. Das Herz war ihr schwer geworden; zum ersten Mal hatte sie die Ahnung überkommen, daß in diesem schönen Glück nicht Alles Sonnenschein sein und bleiben könne, daß Gewitter am Horizont lauerten, die vom ersten Windstoß emporgewälzt, sich über ihrem und ihres Geliebten Haupt entladen könnten.


Druck der Union Deutsche Verlagsgesellschaft
in Stuttgart

 


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