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Widmung

An Anna.

Dir, geliebte Münchnerin,
Geb' ich dieses Buch zu eigen,
Einen Spiegel, dir darin
Unsre Isarstadt zu zeigen.

Bilder ziehen mannichfalt
Sommerwolkenhaft vorüber,
Nun zu klarer Form geballt,
Nun verflatternd, schattentrüber.

Jugendthorheit, ernste Schuld,
Uebermüth'ge Maskenspiele,
Kampfeswerthe Frauenhuld,
Leichter Sinn und hohe Ziele –

Alles däucht dir wohlbekannt,
Und du nennst vertraute Namen,
Denn dein schönes Heimathland
Grüßt dich aus des Spiegels Rahmen.

Siehst du aber durch die Luft
Einen goldnen Schimmer gleiten,
Der umwebt mit Märchenduft
Unscheinbare Wirklichkeiten,

Glaub' es, nicht die Muse warf
Ihren Schleier aus, den schönen,
Alles, wie sie kann und darf,
Paradiesisch zu versöhnen:

Nein, du siehst den Abglanz nur
Jenes Sterns ob meinem Leben,
Der mir auf der Isarflur
Heimath, Glück und dich gegeben.

 

Erstes Buch.

Erstes Kapitel.

Es war eines Sonntags im Hochsommer des Jahres 1869.

Die Luft, durch ein nächtliches Gewitter gereinigt, zitterte noch von jener weichen, erquicklichen Sonnenglut, die im tieferen Süden das Athmen so leicht macht, aber diesseits der Alpen nur selten die ersten Frühstunden überdauert. Und doch läuteten die Glocken, die von der Münchener Frauenkirche fern hinaus über die Theresienwiese und den Hain der Bavaria tönten, schon das Hochamt ein. Kein menschliches Ohr schien hier draußen ihnen zu lauschen. Die eherne Riesenjungfrau hob ihren Kranz in tiefster Einsamkeit über ihrem Haupt empor und blickte so träumerisch verwundert vor sich hin, als sänne sie darüber nach, ob jetzt wohl eine gelegene Stunde sei, von ihrem granitnen Sockel herabzusteigen und einmal die Stadt zu durchwandeln, die heute wie ausgestorben über dem öden grünen Plan ihre Thürme und Giebel erhob. Kaum flog einmal ein Vogel aus dem Wäldchen hinter der Ruhmeshalle hervor, flatterte taumelnd um die Schulter der Riesin, oder ruhte einen Augenblick auf der Mähne des Löwen, der gelassen hinaushorchend sich an das Knie seiner hohen Herrin schmiegte. Drüben aber läutete es lange fort. Die Luft war wie schlaftrunken von der immer noch wachsenden Hitze, dem Summen und Klingen und dem kräftigen Geruch der Wiese, die gestern erst frisch gemäht worden war. Nun endlich schwieg das Geläut, und es war ringsum Nichts mehr zu hören, als fern aus einem Hause in einer der äußersten Straßen eine Flöte, die in unregelmäßigen Absätzen gespielt wurde, wie wenn dem Spieler zwischen den einzelnen Passagen der Athem ausginge, oder er über anderen Gedanken der Noten vergäße.

Das Fenster, aus dem dieses wunderliche Spiel in den Sommertag hinausklang, öffnete sich im oberen Geschoß eines Hinterhauses, dergleichen sich in dieser westlichen Vorstadt viele befinden. Es sind meistens völlig schmucklose, kastenartige Gebäude, ringsum fensterlos bis auf die Nordseite, in welcher große viereckige Ausschnitte angebracht sind, mit allerlei Vorrichtungen, um ein möglichst ruhiges Oberlicht herzustellen. Niemals wirbelt hier im Sommer ein Rauchwölkchen über das flache Dach, einen wirthlichen Herd verkündend, und kein profaner Küchengeruch dringt, wie in den meisten anderen Münchener Häusern, dem Eintretenden schon an der Schwelle entgegen. Aus den geöffneten Fenstern zieht nur ein leichter, unsichtbarer Tabaksdunst ins Freie, angenehm gemischt mit dem stärkenden Duft von Firnissen, Oelen und Terpentin, der andeutet, daß hier nur das heilige Feuer der Kunst genährt und auf stillen Altären – in Gestalt dreibeiniger Staffeleien und Bildhauerpostamente – Opfer gebracht werden, die ihre Priester nicht einmal immer vor dem Hunger zu schützen vermögen.

Das Haus, von dem wir reden, kehrte seine blinde Südseite gegen einen kleinen Hof, auf dem eine Menge Sandstein- und Marmorblöcke von verschiedener Größe herumlagen. Die vier Atelierfenster der Nordseite sahen in ein wohlgepflegtes, schmales Gärtchen, das sie vor jedem unbequemen Reflexlicht schützte. Um einen kleinen, dünn und schläfrig plätschernden Springbrunnen in der Mitte blühten Rosen in großer Pracht und Fülle, und die benachbarten Beete mit allerhand Küchengewächsen waren von dichten Reseda-Rabatten eingefaßt. Hier konnte der erwähnte Oel- und Terpentingeruch freilich nicht aufkommen, zumal nur in den beiden oberen Ateliers gemalt wurde, unten aber, wie man schon im Hof an den Steinblöcken wahrnahm, ein Bildhauer sein Wesen trieb.

Künstler, da sie sich einer ewigen Feiertagsstimmung bei ihrem Thun erfreuen, pflegen keine Anhänger einer strengen Sonntagsfeier zu sein; sie müßten denn, wie es in einer sogenannten »Kunststadt« nicht Wenige thun, im Lauf der Jahre sich der geschäftsmäßigen Fabrikation von Kunstvereinsbildern oder marmornen Salonfigürchen ergeben haben und unter anderen Gewohnheiten solider Bürger auch der Ruhe am siebenten Tage fröhnen, da sie es »Gott sei Dank nicht mehr so nöthig haben«, fleißig zu sein und selbst am Feiertag zu schaffen.

Die Insassen jenes Häuschens aber waren nicht von diesem Schlage.

Unten im Erdgeschoß hatte man an dem einen Fenster alle prakticabeln Scheiben geöffnet, um in den sonnenlosen Raum möglichst viel von der durchglühten Luft einströmen zu lassen, vielleicht auch um den Blumenduft hereinzulocken, oder das Flötenspiel, das aus dem oberen Fenster erklang. Ein Sperlingsschwarm, der hier ein altes Gastrecht zu genießen schien, benutzte die Gelegenheit, aus dem Gärtchen herein und wieder hinaus zu schwirren, zwischen den Epheuranken, mit denen eine Wand des Ateliers dicht umzogen war, lärmend und sich zankend hin und her zu fliegen, um jeden Winkel nach verlorenen Brodkrumen zu durchstöbern. Sie schienen übrigens bei alledem so gut gezogen, daß sie außer diesem Tumult keinen weiteren Unfug anrichteten, obwohl freilich die Büsten und Thonmodelle, die auf Borden und Gestellen rings herum standen, mancherlei Spuren ihres Besuches zeigten. Auf den feuchten Tüchern aber, mit welchen eine große Gruppe, mitten in dem mächtigen Raume sorgfältig umwickelt war, um den frischen Thon vor dem Eintrocknen zu schützen, saß ein alter, ziemlich ruppiger, aber würdevoll um sich blickender Spatz, augenscheinlich der Häuptling des wilden Heeres, dem die gelinde Kühle diesen Sitz angenehm zu machen schien. Er nahm keinen Theil an dem Schwirren und Schwatzen des jüngeren Volks, sondern betrachtete mit kunstverständigem Ernst den Meister in der grauen Blouse, der seinen Modellirstuhl nahe ans Fenster gerückt hatte und beschäftigt war, die Statue einer tanzenden Bacchantin nach dem lebenden Modell durchzubilden.

Dieses war ein junges, kaum achtzehnjähriges Mädchen, das auf einer kleinen Erhöhung dem Bildhauer gegenüber stand und mit den zurückgeworfenen Armen sich an einem von der Decke herabhangenden Querstabe festhielt; denn die Statue hielt ein Tamburin in den wild in die Höhe geschleuderten Händen, und diese Geberde war nicht gerade die bequemste. Gleichwohl hatte das Mädchen schon eine gute halbe Stunde in ihr ausgehalten, ohne sich zu beklagen oder nach einer Ruhepause zu verlangen. Obwohl sie den Kopf mit den aufgelösten rothen Haaren, die ihr bis über die Hüfte herabreichten, weit in den Nacken zurückbiegen mußte, verfolgte sie doch mit gespannter Neugier – die kleinen Augen fast zugedrückt, so daß ihre langen goldblonden Wimpern die Fläche der Wangen streiften – jede Bewegung des Meisters, jeden seiner prüfenden und vergleichenden Blicke. Es schien ihr unendlich zu schmeicheln, daß ihre junge Schönheit der Gegenstand eines so gewissenhaften Studiums war, und über dieser Befriedigung ihrer Eitelkeit vergaß sie die Ermüdung. Sie war auch wirklich von seltener Schlankheit und Anmuth des Wuchses; aus dem groben braunen Kattunröckchen, das fest um die Hüfte zugeschnürt war, sproßte, wie eine schöne Blume aus irdener Scherbe, ein junges Körperchen hervor von so tadelloser Weiße und Zartheit, als ob das arme Kind keine andere Beschäftigung hätte, als seiner Haut zu pflegen. Das Gesicht war nicht eben schön; ein plattgedrücktes Näschen mit breiten Nasenflügeln saß über einem großen, immer halb geöffneten Munde. Aber in den unedel gebildeten Kinnladen, die dem Gesicht etwas Wildes, fast Thierisches gaben, glänzten die prachtvollsten Zähne, und ein gutmüthiges, harmlos-kindliches Lächeln belebte die vollen Lippen und die sonst ziemlich ausdruckslosen Augen. Auch die Farbe des Gesichts leuchtete vom durchsichtigsten Weiß, nur hie und da mit ein paar leichten Sommersprossen angesprengt, von denen sich die letzten bis über Hals und Brust verloren. Es war drollig zu beobachten, wie sie ihre eigene Schönheit gleichsam mitstudirte, da sie derselben von einem Anderen eine so ernstliche Aufmerksamkeit gewidmet sah. Und über dieser respectvollen Behandlung ihrer jungen Person schien sie alles Verfängliche, was sonst hier ins Spiel kommen konnte, völlig zu vergessen.

Sie werden müde sein, Zenz, sagte der Bildhauer. Wollen Sie nicht einmal ausruhen?

Sie schüttelte lachend ihre rochen Haare. Es ist hier so kühl, sagte sie, ohne sich sonst zu rühren. Man spürt sich selber gar nicht, so in der freien Luft, und dazu der schöne Resedageruch draußen im Garten – ich mein', ich könnt' bis an den Abend so fort stehen.

Um so besser! Ich wollte schon fragen, ob Sie nicht frieren und lieber ein Tuch um die Schultern nehmen möchten. Ich brauche die anderen Partieen nicht; ich bin gerade an den Armen. –

Er arbeitete ernst und ruhig fort. In seinem unscheinbaren Gesicht, das von schlichtem, graublondem Haar umrahmt war, fielen auf den ersten Blick nur die Augen auf, die mit ungewöhnlicher Kraft und Helle leuchteten. Wenn er sie fest auf einen bestimmten Punkt gerichtet hatte, war es, als ob sie das, was sie betrachteten, gleichsam in Besitz nähmen oder sich dienstbar machten. Dabei konnte man nichts Ruhigeres und weniger Herausforderndes sehen, als diese Augen.

Wer spielt denn da oben die Flöte? fragte das Mädchen. Das erste Mal, heut' vor acht Tagen, war es über uns ganz still. Heute geht es alle Augenblicke trapp, trapp – und dabei wird gespielt – und dann hört es wieder eine Weile auf.

Da oben hat ein guter Freund von mir sein Atelier, versetzte der Bildhauer; ein Schlachtenmaler, Herr Rosenbusch. Wenn es mit seiner Arbeit einmal nicht recht vorwärts will, nimmt er die Flöte zur Hand und geht so auf und ab, bläs't dazu und vertieft sich in seine Gedanken, und bleibt dann wieder vor der Staffelei stehen und besieht sich sein Bild; und das treibt er so fort, bis er's endlich heraus hat. Warum lachen Sie, Zenz?

Ich lache bloß über den Namen. Rosenbusch! Und dabei malt er Schlachten? Ist es ein Jude?

Ich glaube nicht. Aber wenn Sie jetzt einmal eine Pause machen wollten – der Nacken muß Ihnen schon ganz steif geworden sein –

Sie ließ sofort die Querstange aus den Händen und sprang von dem Fußgestell herunter. Während er mit dem Modellirholz die eben durchgebildeten Formen glättete, stand sie dicht neben ihm, die Arme mit einer ihr eigenen Geschmeidigkeit über den Rücken gekreuzt, und betrachtete aufmerksam das schöne Werk, das in der letzten Stunde so sichtbare Fortschritte gemacht hatte. Nur in der oberen Hälfte freilich. Denn die lebhaft bewegten Hüften und Schenkel der Tänzerin, nur durch tief herabflatternde Haare verhüllt, waren noch im skizzenhaftesten Zustande.

Sind Sie zufrieden, Kind? fragte der Künstler. Aber freilich, Ihnen könnt' ich's nur allenfalls in Marmor zu Dank machen, und eigentlich sind Sie überhaupt mehr ein Fressen für einen Maler. Das schlohweiße Fellchen und die flammende Mähne – vor zweitausend Jahren, als man noch Statuen aus Gold und Elfenbein machte, da wären Sie an Ihrem Platz gewesen.

Gold und Elfenbein? wiederholte sie nachdenklich. Das müssen reiche Leute gewesen sein. Uebrigens – ich bin auch mit recht schönem weißem Marmor zufrieden – wie der junge Herr da hinten, den Sie nicht fertig gemacht haben.

Gefällt er Ihnen? Es ist lange her, daß ich die Büste anfing. Nicht wahr, es sieht gut aus, wie der kleine, feste Rundkopf aus den breiten Schultern herauswächs't. Schade, daß ich das Gesicht nur angelegt habe. Das würde Ihnen auch gefallen haben.

Werden Sie denn auch mich porträtiren, da in dem Thon? Ich meine, so daß es ganz ähnlich ist, daß meine Bekanntinnen gleich sagen: das ist die rothe Zenz?

Es kommt darauf an. Ihr Stumpfnäschen und die kleinen, spitzen Ohren könnt' ich schon brauchen. Aber Sie wissen, Kind, ich hätte noch ganz andere Wünsche, und wenn Sie die erfüllen, werde ich das Gesicht so machen, daß kein Mensch auf den Gedanken kommt, die rothe Zenz hätte mir Modell gestanden. Haben Sie sich's überlegt, was ich Ihnen vor acht Tagen gesagt habe? –

Er sah sie nicht an, während er das sagte, sondern strich und knetete emsig an dem weichen Thon weiter.

Sie that, als ob sie seine Worte nicht gehört hätte, drehte sich auf dem Absatz herum und ging, ihre dicken Haare wie ein Mäntelchen um die Schultern wickelnd, nach einem Winkel des Ateliers, wo ein großer, schwarzer Neufundländer mit weißem Brustfell, die Nase in die Vorderpfoten gedrückt, auf einer Strohmatte lag und leise aus dem Schlaf murrte. Das Mädchen bückte sich zu ihm hinab und fing an, ihm sacht den Kopf zu krauen, wovon er nur mit einem kurzen Aufblinzeln seiner altersblöden Augen Notiz nahm.

Der ist nicht gerade galant, sagte das Mädchen lachend. Meine Freundin hat einen kleinen Rattenfänger, wenn ich dem das Fell streichle, wird er wie toll vor Vergnügen, und ich hab' nur zu thun, daß er mir nicht das ganze Gesicht und Hals und Hände abschleckt mit seiner kleinen rosenrothen Zunge. Dieser hier ist so ehrbar wie ein Großvater. Wie heißt er eigentlich?

Homo.

Homo? Ein curioser Name. Was heißt das?

Es ist Latein und heißt so viel wie »Mensch«. Der alte Bursch hat einmal vor Jahren, als sein Herr gerade im Begriff war, den Kopf zu verlieren, so viel Menschenverstand bewiesen, daß beschlossen wurde, ihn umzutaufen. Seitdem hat er seinem Namen niemals Schande gemacht. Sie sehen also, Kind, in wie guter Gesellschaft Sie sich befinden. Wenn ich selbst auch noch nicht in die Großvaterjahre gekommen bin, Ihr Vater könnt' ich doch beinahe sein, und daß Sie überhaupt bei mir sicher sind, daß ich gewissenhaft halte, was ich Ihnen versprochen habe – ich dächte, diese beiden Sitzungen hätten Sie davon überzeugt. Und darum –

Nein, nein, nein, nein! rief sie, plötzlich aufspringend, sich im Kreise drehend und den Kopf dabei so gewaltsam schüttelnd, daß ihre Haare sie wie ein Feuerrad umflogen. Warum fangen Sie wieder davon an, Herr Jansen? Sie halten mich für eine recht einfältige und leichtsinnige Person, nicht wahr? und denken, mit der Zeit könnte ich Ihnen nichts abschlagen. Aber Sie irren sich sehr. Ich mache mir nichts aus gewissen Dummheiten, das ist wahr, und daß ich hier bei Ihnen so herumgehe, scheint mir gar keine Sünde und Schande zu sein. Auf einem Ball im vorigen Winter, wozu wir die Blumen gemacht hatten und dafür durch das Toilettenzimmer zusehen durften – so gar viel anders, als ich hier gehe und stehe, haben sich die vornehmen Damen auch nicht vor den Augen der Herren präsentirt, und darunter waren noch dazu eine Menge Offiziere, und nicht einmal Künstler, wie Sie, die bloß ernsthafte Kunstgedanken haben bei einem bloßen Nacken und Hals. Aber wenn ich Ihnen auch das zu Gefallen gethan habe – von Mehr darf nicht die Rede sein. Zwar – meine Freundin, der ich's gesagt habe, meint auch, es sei nichts dabei; sie könnt' ja auch allenfalls mitkommen. Aber das nun vollends – das würde mir so gênant sein, daß ich hernach keinem Menschen mehr grade ins Gesicht sehen könnte. Nein, nein, nein, ich thu's nicht, nun und nimmermehr!

Du hast Recht, Kind, unterbrach der Bildhauer ihre eifrige Rede, plötzlich aus dem Sie ins Du fallend. Dergleichen braucht auch kein Dritter zu wissen, und wenn es dir so sehr unangenehm ist, will ich dir auch nicht wieder damit kommen. Obwohl – schade ist es freilich! Ich könnte das Figürchen so aus Einem Gusse fertig bringen, in der Hälfte der Zeit, die ich nun mit dem Herumsuchen nach etwas Passendem verderben muß.

Sie erwiederte nichts hierauf, trat aber jetzt von selbst wieder auf das Fußgestell und hing sich in die Querstange ein.

Ist es so recht? fragte sie. Steh' ich wieder wie vorher?

Er nickte nur mit dem Kopf, ohne nach ihr hinzusehen.

Warum sind Sie mir nun böse? sagte sie nach einer Weile. Ich kann doch nichts dafür, daß ich nicht so bin, wie meine Freundin. Die hat freilich schon mehr erlebt, die ist auch schon mehr als einmal verliebt gewesen. Aber ich –

Du hast noch nie einen Liebsten gehabt, Zenz?

Nein. So einen richtigen Liebsten, für den man durchs Feuer gehen möchte, noch nie. Meine rothen Haare haben da draußen in Salzburg, wo ich die meiste Zeit gelebt hab', nicht viel Glück gemacht, und ich mein', ich war ihnen auch zu garstig. Ich hätt' ein Hundegesicht, hat 'mal Einer gesagt. Erst im letzten Jahr, wo ich auf einmal noch einen Schuß gethan hab' und auch ein bischen voller geworden bin, erst da sind mir manchmal die Herren nachgegangen, und mit Einem, es war ein recht sauberer junger Mensch, hab' ich auch eine Art Verhältniß gehabt. Er war aber so blöde, daß er mich dauerte, und so ist es nicht weit zwischen uns gekommen, bis er eines schönen Tages an einer Krankheit gestorben ist, und hernach hab' ich erst gemerkt, daß ich ihn nicht gar arg geliebt hatte, denn ich hab' nicht einmal geweint um ihn. Seitdem hab' ich mich wohl in Acht genommen, mich nicht wieder zu vergaffen. Die Männer sind schlecht, das sagen Alle, die 'was erfahren haben. Und ich – wenn ich Einen gern hätt' – so recht von Herzen mit Schmerzen –

Nun, Zenz, was thätest du dann?

Sie schwieg einen Augenblick und ließ dann plötzlich die Arme dicht am Leibe herabsinken. Es war, als überlaufe ein Frösteln ihre zarte Haut, sie schüttelte sich und zog die blanken Schultern in die Höhe.

Was ich dann thäte? wiederholte sie wie für sich; – Alles, was er wollte! Und darum ist es besser so – viel besser –

Du bist ein braves Kind, Zenz! brummte er langsam mit dem Kopf nickend. Komm, da ist meine Hand; schlage ein, und hiermit verspreche ich dir, es soll ein- für allemal zwischen uns nie wieder die Rede sein von dem, was du nicht hören willst!


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