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Die Flügelthür, die nach dem Mittelsaal führte, that sich auf, und an der Schwelle, von ein paar Seitenlampen gerade hinlänglich beleuchtet, zeigte sich auf einem rothbehangenen Gerüst ein Puppentheater, das beinah die ganze Breite der Thüröffnung ausfüllte. Rasch war der Tisch bei Seite geschoben und die Stühle für die Zuschauer in Reihen gestellt. Als Jeder seinen Platz eingenommen, begann hinter der Scene eine kurze Introduction auf der Flöte, worauf der Vorhang der kleinen Bühne in die Höhe ging und eine Puppe in Frack und schwarzen Höschen, den Hut in der Hand, mit der Miene eines Regisseurs, der eine officielle Mittheilung zu machen hat, oder eines Theaterdichters, der sich hinter den Coulissen für einen etwaigen Hervorruf bereit gehalten, folgenden Prolog zum Besten gab:
Seid mir gegrüßt, ihr Paradiesgesellen,
Und Dank, daß ihr mich gastlich aufgenommen!
Trank ja auch ich aus jenen heil'gen Quellen,
Die einzig Kindern nur und Thoren frommen:
Wahrheit und Schönheit! Wo nach Krämerellen
Man Waaren werthet, sind wir schlecht willkommen;
Drum sehnt die Dichtung, aus der Welt verwiesen,
Sich heim nach längst verlornen Paradiesen.
Denn dies Geschlecht, das sich so herrlich däucht,
Wie kläglich ist's dem Schönen untreu worden!
Wer still, statt daß er auch nach Golde keucht,
Auf Ew'ges sinnt, scheint nur die Zeit zu morden.
Wo wird von Andacht noch ein Auge feucht,
Wenn Liebe seufzt in schmelzenden Accorden?
Und zeigt sich Schönheit schleierlos, ist vollends
Kein Maß und Ziel des Schmähens und des Grollens.
Es tönt die alte Klage bei den Dichtern,
Sie blieben unbelohnt und unverstanden;
Die Menge sei gemein, die Besten nüchtern,
Die Männer stumpf, die Frau'n in engen Banden.
Doch heut – wo ist die Stimme, die nur schüchtern
Zu läugnen wagt, daß alle Träume schwanden,
Und daß im hellen, grellen Tageslichte
Nur wie Gespenster umgehn die Gedichte?
O jene Zeit, da kein Geschäft der Menge
Gewicht'ger war, als jenes: dichtgeschaart
Der Muse lauschen, die in keuscher Strenge
Des Lebens Tiefen pythisch offenbart!
Heut sieht man nur noch Cassensturmgedränge,
Wenn Albernheit mit Sinnenreiz sich paart.
Ein großes Schicksal, ein phantastisch Scherzen
Entzündet nicht mehr diese kalten Herzen.
Nun gar der Teufel, der auf deutschen Bühnen
Verpönt, er käme denn in Goethe's Namen,
Sein Faustrecht möcht' er brauchen hier im Grünen,
Da man im Paradies entbehrt der Damen.
Hier, wo man hold ist allem Freien, Kühnen,
Braucht seine freche Kraft nicht zu erlahmen.
Und seinen Mimen gilt's nicht als Verbrechen,
Wenn sie in Versen, ja, in Reimen sprechen.
O diese Truppe, die fürwahr den Stempel
Der weihevollsten Kunstbegabung trägt!
Nie Zank und Streit in ihrem Musentempel,
Kein Rollenneid, der böse Tücken hegt;
Genügsam mit der Gage (welch Exempel!),
Nie krank gemeldet, stets gut aufgelegt –
Doch still! Wir hassen alles Gunstgebettel, –
Das Nähere besagt der Anschlagzettel.
Der kleine Prolog machte eine anständige Verbeugung, der Vorhang fiel von Neuem, diesmal aber rollte ein Blatt mit herab, auf welchem in schöner großer Fracturschrift zu lesen stand:
Die schlimmen Brüder.
Puppenspiel in drei Aufzügen und einem Vorspiel.
Personen des Vorspiels:
Die Brüder:
Kaspar, ein Poet,
Melchior, ein Maler,
Balthasar, ein Musiker,
Hans Leberecht, ein junger Kaufmann.
Hinz Gottgetreu, ein Rathsschreiber.
Kunz Leisegang, ein Gewandschneider.
Der Wirth zum Elephanten.
Ein Fremder.
Die Schaarwache, der Nachtwächter.
Ort: Eine kleine deutsche Stadt.
Zeit: Das dunkle Mittelalter.
Scene des Vorspiels: Die Wirthsstube zum Elephanten.
Nun ging der Vorhang zum zweiten Mal in die Höhe, und man sah in eine sehr niedlich und genau im ältesten gothischen Stil möblirte Trinkstube, in welcher an einem Tische links Hans und Hinz, die beiden jungen Bürger, beim Becher saßen, während rechts an einem kleineren Tisch in der dunklen Ecke der »Fremde« Platz genommen hatte, in einen langen schwarzen Mantel gehüllt, ein Barettchen mit schwarzer Hahnenfeder auf dem gelblich unheimlichen Stutzkopf. Der Wirth hielt sich, der Befehle seiner Gäste gewärtig, im Hintergründe.
Darauf begann das Spiel.
Hans Leberecht.
Zum Henker, Hinz, was fällt dir ein?
Sitzest und stierst ins Glas hinein?
Ein rechtes Mannsbild sollt' sich schämen,
Um ein falsch Mädel sich zu grämen.
Sind ihrer mehr.
Hinz Gottgetreu.
So Keine nimmer.
Hans.
Der Herrgott schuf das Frauenzimmer
Dem Mann zur Lust und Augenweide,
Nicht zu Verdruß und Herzeleide.
König Salomo der Weise spricht:
»Die Falsche war die Rechte nicht!«
Such dir 'ne Andre!
Hinz.
Ha, verdammt!
Thät' ich sie mustern allesammt,
Eine Liebste wie mein Lenchen hold
Bis an den Tod nicht finden sollt',
So schön und sittig, treu und lieb –
Hans.
Bis sie nun doch im Sprenkel hängen blieb.
Haha, so geht's; als wie beim Tanz:
Von Hand zu Hand.
Hinz.
Ich sag' dir, Hans,
's ist schwarze Kunst im Spiel dabei,
Liebestränke und Hexerei.
Lenchen! mein Lenchen!
Hans.
Hm! Vielleicht
Hat seine Reimkunst ihr das Herz erweicht.
Bist selbst ja so'n studirter Druckser,
Hast ihr mit Verselein hofirt;
Nun hast du's, wenn ein andrer Federfuchser
Bei deinem Schätzchen besser prosperirt.
Es bleibt doch in der Zunft.
Hinz.
Der Rattenfänger,
Komödiant, Hanswurst und Bänkelsänger,
Ein Findling, vater- und mutterlos,
Der 's Gnadenbrod der Stadt genoß,
Und will zum Dank sich nun erfrechen,
Erbgesessne Bürger auszustechen,
Einen Mann, der
jura absolvirt,
Beim Ehrbarn Rath als Secretar fungirt,
Hat sein Auskommen, sein ehrlich Brod,
Und dieser Strohlump – schwere Noth!
Hans.
Da sieht man, wohin Gelahrtheit führt,
Ich, Gottseidank! hab' nicht studirt,
Hauptbuch und Kladde sind meine Jura,
All' meine Schreibkunst Wechsel und Factura;
So, ohne viel Brimborium,
Thal ich nach einer Braut mich um,
So recht von meinem eignen Schick und Schnitt.
Zehntausend Gulden kriegt sie mit,
Ein schlicht einfältig Gemüth und Wesen,
Thät nie in keinem Reimbuch lesen.
Die ist sicher vor solchen Käuzen,
Obzwar sie prangt mit tausend Reizen.
Herr Wirth, he, eine frische Kanne,
Aufs Wohl meiner Jungfer Braut, Marianne!
Kunz Leisegang tritt ein.
Kunz.
Servus, ihr Herrn!
Wirth.
Grüß' Gott, Herr Leisegang!
Schon Feierabend?
Kunz.
Sonnenuntergang.
Hab' geschafft, daß mir die Rippen krachten,
Unsereins darf den Schweiß nicht achten.
Doch Himmel!
Wirth.
Was?
Kunz.
Sitzt dort nicht –?
Wirth.
Wer?
Kunz.
O Je!
Herr Leberecht –?
Wirth.
Nun wer denn sonst?
Kunz.
O weh!
Hans.
Sieh! unser Meister Nadelöhr!
Guten Abend, Meister! Setzt Euch dreist hieher;
Ist noch ein Plätzchen.
Kunz ( zögernd).
Hans.
Sagt doch, das neue Kleid mit Pelzbesatz,
So ich bestellt für meinen Schatz –
Kunz.
Ward heute fertig sammt der Flügelhauben.
Mein Lehrbursch trug es an ihr Haus.
Die Jungfer Braut sah just heraus –
Indessen –
Hans.
Was?
Kunz.
Er traut' sich nicht
Es abzuliefern.
Hans.
So ein Brautgesicht
Hat doch noch Keinem Angst gemacht.
Haha!
Kunz.
Auch, sagt mein Bub', hab' sie gelacht.
Der aber, dem ihr Lachen galt,
Ein junger Herr, gar schmuck und wohlgestalt –
Hans.
Ein junger –?
Kunz.
Herr! Am Fenstersims
Stand er und that so weit nichts Schlimm's,
Da er der Jungfer nur die Hände
Gar höflich küßt' und drückt' ohn' Ende.
Dem Jungen ward's nicht recht geheuer,
Lief weg, als brennt' ihn's Höllenfeuer.
In meiner Werkstatt liegt das Kleid;
Wenn Ihr befehlt –
Hans.
Bei meinem Eid,
Licht muß ich haben! Ein junger – sagt Ihr,
Ein junger Fant, der schamlos wagt', ihr
Die Hand zu küssen auf offner Gasse?
Kunz.
's war dämmrig schon. Er that's vielleicht zum Spaße.
Mein Bub' sagt, wenn er ihn recht erkannt,
Sei's von den »schlimmen Brüdern« Der gewesen,
Der sich die Malerkunst erlesen.
Hans.
Der Melchior? Ha, Schurke! Mord und Brand!
Hinz.
Nun sieh, ich bin nicht schadenfroh,
Doch jetzt ergeht dir's eben so.
Dein Schätzchen, schlicht einfältiglich,
Zu einem Pinsel macht sie dich
Um einen Malergesell'n.
Hans.
Ha, Rache!
Hinz.
Wie schlägt nur gleich die Glut dir aus dem Dache!
Weißt noch, wie Salomo's Weisheit spricht:
»Die Falsche war die Rechte nicht« –?
Ja, ja,
solamen miserorum
Socios habere.
Hans.
Vor's hohe Forum,
Vor's Halsgericht schlepp' ich den Wicht!
Tausend Dublonen reu'n mich nicht,
Ihm einen Strick dafür zu kaufen,
Müßt' ich bis Wien zum Kaiser laufen –
Doch nein! wir machen kürzern Proceß.
Ins Fäustchen lacht er sich, indeß
Wir mit Querelen Geld und Zeit verderben.
Der Hundsfott, der Filou muß sterben,
Und sie mit ihm auf Einen Streich!
Kunz.
Ich bitt' Euch, Herr, wer wird auch gleich
Hans.
Schweig, Schneiderseele! Hinz, sag an:
Bist du mein Freund? Bist du ein Mann?
Hinz.
Ich denke wohl.
Hans.
Kommt alle Zwei.
Sagt, rathet, was zu machen sei.
Laßt uns die Köpfe zusammenstecken,
Einen sichern Mordplan auszuhecken.
Der Fremde.
Herr Wirth!
Wirth.
Befehlen, Euer Gnaden?
Der Fremde.
Was sind nur das für Kameraden?
Wirth.
Die dort? Sind von den Honoratioren,
Wohlangesehn und wohlgeboren.
Herr Leberecht, der mit Geld nicht kargt,
Besitzt das große Gewölb am Markt.
Herr Gottgetreu, Amtssecretar,
Bringt's noch zum Bürgermeister gar.
Der Dritte –
Der Fremde.
Nach Denen frag' ich nicht;
Sein Gewerb' steht Jedem im Gesicht.
Von jenen Zweien laßt mich hören,
Die dort den Tröpfen die Ruhe stören.
Wirth.
Tröpfen? Hm hm! Ihr redet frei;
Nehmt Euch in Acht vor der Polizei.
Indeß, was schiert es mich? Von wegen
Den Zwei'n, die schamlos und verwegen
Die Mädel ihnen abgetrumpft,
Herr, das ist eine Schelmenzunft,
Die, wenn sie Herrn im Städtlein wären,
Das Unterst' thäten zu oberst kehren.
Ein dritter Bruder ist noch dabei;
Die Bürschlein hob man alle drei
Ein's Morgens vor zwanzig Jahren auf
Am Findelhaus, drei muntre Knaben,
Nackt und bloß wie die jungen Raben,
Gab ihnen flugs die heilig' Tauf',
Und wurden, wie's just im Kalender stand,
Kaspar, Melcher und Baltzer genannt.
War ein groß Gewunder und Gezeter,
Wer die Mütter wären, oder die Väter.
Doch da sie wuchsen und wurden groß,
Sah man, sie stammten aus Einem Schooß:
So gleich an Blut und Farb' und Wesen,
Als wie nur Drillinge je gewesen.
Auch zeugt' ihr Temp'rament nicht minder,
Daß sie nicht Stadt- noch Landeskinder,
Wie denn auch, wer die Brut erzeugt,
Bis heute Niemand kund geworden.
Doch hätten sie Zigeunerhorden
Mit wilder Stuten Milch gesäugt,
Sie hätten nicht übler gerathen können.
Unsre Stadt – das Lob muß man ihr gönnen –
Pflag stets der Sitt' und Ehrbarkeit;
Gott's Wort zu üben war allezeit
Unser Bemühn und schönster Ruhm;
Man hält hier viel auf sein Christenthum.
Seit hundert Jahren kam's nicht vor,
Daß ein Mägdlein seinen Kranz verlor;
Darum auch unser Findelhaus
Sich nahm nur wie ein Zierath aus.
Aber seitdem die fremden Rangen
Darinnen Unterkunft empfangen
Und wuchsen kaum aus den Kinderschuh'n,
Ihr wildes Blut ließ sie nicht ruhn,
Vollführten die tollsten Schwänk' und Streich',
Machten die Nacht dem Tage gleich,
Und alles Vermahnen und strenge Zucht
An der Teufelsbrut blieb ohne Frucht.
Der Fremde.
Hm! Teufelsbrut! Ihr redet frei.
Nehmt Euch in Acht vor der Polizei.
Wirth.
O Herr, so heißen sie alle Leute.
Die Weiber nur sind auf ihrer Seite,
Weil sie so frechlich gehn einher.
Man thät sie bei Zeiten in die Lehr'.
Aus Einem, der Lust bezeigt zu Sprachen,
Wollt' man einen Schulmagister machen.
Den Zweiten, der kritzelt' an allen Wänden,
Thät man zum Meister Tüncher senden.
Den Dritten, der schön zu singen wüßt',
Nahm in die Lehr' der Stadtzinkenist.
Doch kamen die Lehrherrn bald gelaufen,
Thäten sich schier die Haar' ausraufen:
Kein' Unterweisung wolle flecken,
Der Teufel müss' in den Buben stecken,
Hätten in wenig Wochen schon
Ihnen abgelernt die ganze Lection
Und trieben's nun auf eigne Hand,
Der ehrsamen Zunft zu Schimpf und Schand'.
Der Aeltest', der zum Präceptor verdorben,
Hatt' eine Bande Gaukler geworben,
Ein neues Schauspiel angestellt,
Da lief und gaffte nun alle Welt.
Der Zweite Täflein begann zu malen
Mit Farben hell wie Sonnenstrahlen,
Männlein und Weiblein, als ob sie lebten,
Ordentlich aus dem Rahmen strebten,
Und wer ein solches Bild besaß,
Der lieben Heiligen ganz vergaß.
Der Dritte mit seiner Liederkunst
Erregt' nun gar eine lohe Brunst.
Wenn er vorbei an der Kirche ging
Und an zu singen und spielen fing,
Flugs liefen ihm trotz Sünd' und Schmach
Die Beter aus allen Stühlen nach,
Ob auch der Küster mit stärkstem Ton
Orgelt' sein
Kyri' eleïson.
Nun frag' ich, Herr, gesteht mir frei,
Ob das nicht Blendwerk der Hölle sei!
Der Fremde.
Mag sein. Versteh' nicht viel davon.
Hans.
Nun denn, so sei's! So soll's gelingen,
Das Schalksgezücht –
Hinz.
Da hör' ich singen.
Mich dünkt, sie sind's.
Hans.
Kommt! Laßt uns fort
Wir reden mehr an anderm Ort.
Kunz.
Zu spät!
Melchior ( singt draußen vor der Thür):
Im Weine wie spiegelt
Die Welt sich so schön!
Wer fastet und klügelt,
Wird's nimmer verstehn.
Drum Flaschen entsiegelt
Und Herzen entzügelt,
Und Geister beflügelt
Zu himmlischen Höh'n!
( Kaspar und Melchior treten ein.)
Wirth ( zum Fremden).
Seht Ihr sie dort? Sind heut nur Zwei,
Der Musikus ist nicht dabei.
Ein armer Wirth muß auch den schlimmsten Gästen
Einschenken nach Begehr vom Besten.
Mein Allerbestes doch, mein einzig Kind
Hab' wohl verwahrt, daß mir's kein Schlecker find't
Wißt ja wohl, wie das Sprichwort sagt:
Bewahrt ist bester als beklagt.
Kaspar.
Warum nur heut' die Schwermuth mich umspinnt,
Das Blut wie Theer zäh durch die Adern rinnt?
Dein Singsang widert mir!
So klein, so jämmerlich, so unwerth der Begier
Scheint mir, was sonst mich lockt' im Leben.
Die süße Sünde selbst, die Götterlust,
Nach dem Versagten hinzustreben,
Engt mir wie Nebelqualm die Brust,
Und nichts kann diese dumpfe Stirn beleben.
Melchior.
Koste nur erst vom Blut der Reben,
So wirst du neu dein selbst bewußt.
Oder sind's dort die Krämerfratzen,
Ihr hämisch Aeugeln, giftig Schwatzen,
Was dir den freien Athem engt?
Kaspar.
Nein! Ob ich gleich den Schreiber gern vermeide,
Dem ich verdarb die Lebensfreude.
Du weißt, das Ding hat sich an mich gehängt,
Hab' keinen Schritt darum gethan,
Nur sie nicht eben weggedrängt.
Nun aber gähnt der Ueberdruß mich an
Bei ihr und Allen, möchte von hinnen,
Zu meinem Schauplatz mir die Welt gewinnen,
Mit Adlern in die Wette schweifen,
Statt hier den Spatzen vorzupfeifen.
Hältst du's denn aus?
Melchior.
Ich wär' es auch schon satt.
Nur daß es mich gekitzelt hat,
Dem Pfeffersack, dem dünkelhaften dort
Sein Mädel wegzukapern, just zum Torr.
Dem Gecken!
Hans.
Verfluchter Farbenkleckser,
Du sollst mir –
Melchior.
Habt Ihr was gesagt?
Hans.
Hoho! Wer hätte das gewagt!
Solch einen berühmten Frau'nbehexer
Läßt Jeder weislich unbeschrie'n.
Melchior.
Wollt's Euch auch rathen! – Sieh nur Diesen!
Zum Stichblatt möcht' er gerne mich erkiesen.
Doch mag der Großhanns nicht vom Leder ziehn.
Hans.
Ha, wartet nur! Nicht hier, doch kommt die Zeit!
Ich bin in Eurer Schuld, elender Prahler.
Die Lebrechts waren stets courante Zahler,
Doch halten sie auf Sicherheit.
Haha!
Hinz.
Da ist der Dritte!
( Man hört eine Flöte hinter der Scene.)
Melchior ( lacht).
Bruder Baltzer
Spielt draußen gratis einen Walzer,
Daß Hans mit Hinz den Kehraus mag beginnen,
Da's ihnen fehlt an Tänzerinnen.
Kasper.
Schone der Ueberwundnen! – Wie das Lied
Mit weichem Zauber durch die Stille zieht
Und allen Aufruhr schwichtigt! – Doch warum
Bricht es nun plötzlich ab? Den sanften Tönen
Folgt wilder Lärm –
Melchior.
Kaspar.
Stöhnen –
Ein Schrei um Hülfe –
Melchior.
Alles wieder stumm!
( Balthasar stürzt herein, den bloßen Degen in der Rechten, die Flöte in der Linken.)
Melchior.
Nun, Bruder, sprich, was gab's?
Balthasar.
Guten Abend, Brüder!
Was es gegeben? Ha, nicht viel:
Ein Kerl, der sich verbat mein Flötenspiel;
Der Naseweise kritisirt nicht wieder.
Wein! bringt mir Wein!
Hans.
Das Maß der Ungebühr
Ist voll! (
ab.)
Hinz.
Ein Blinder greift's mit Händen.
Gute Nacht, ihr Herren! (
ab.)
Kunz.
Nun kommt's von allen Enden! ( ab.)
Wirth.
O Unheilstag! Ein Mord vor meiner Thür!
( Folgt den drei Bürgern, die eilig das Gemach verlassen haben.)
Balthasar.
Lauf' nicht zu hitzig, würd'ger Biedermann!
Kommst immer noch bei Zeiten an,
Dich der Bescherung zu erfreuen.
Der Eidam läuft dir nicht davon.
Melchior.
Wer ist's?
Balthasar.
Sein künft'ger Schwiegersohn,
Der Garkoch vom Marienthor,
Den der Papa um seines Gelds erkor,
Ein Kerl wie'n Stückfaß; ich hab's angezapft,
's ist wohl indessen ausgelaufen,
Haha! Der Schächer kam dahergestapft,
Droht', er stäche mich übern Haufen,
Wollt' ich hier ferner Ständchen singen.
Nun pfeift er selbst auf dem letzten Loch,
Der schnöde Wanst!
Melchior.
Das fehlte noch!
Balthasar.
Kathrinchen! – Muß ihr doch die Kunde bringen,
Daß sie den wüsten Freier los.
Mein ist sie, mein das Kind in ihrem Schooß.
Kathrinchen!
Melchior.
Still! Wenn sie nun wiederkehren –
Balthasar.
Werden uns ihrer schon erwehren.
Den Riegel vor!
Melchior.
Das hilft auch groß!
Klirrt entzwei bei dem ersten Stoß.
Balthasar.
Hinauf in meines Liebchens Zelle,
Zum Fenster dort hinaus und sacht und schnelle
Wie Katzen dann von Dach zu Dach!
Melchior.
Sie schössen uns Karthaunenkugeln nach.
Nein, hört: im Keller liegt ein Pulverfaß.
'Nen Spahn hinein, und hui! wohl oder übel
Fliegen wir sausend sammt dem Giebel
Den Sternen zu.
Balthasar.
Ein schlechter Spaß!
He, Kaspar, bist du ein Poet
Und willst doch keinen Einfall haben,
Wenn uns das Wasser an die Kehle geht?
Kaspar.
Ich wollt', ich wäre todt und längst begraben.
Was kümmert's mich, wie es ein Ende nimmt
War mir's ja doch nur vorbestimmt,
In diesem Sumpf erbärmlich zu ersticken.
Wo ist ein Endziel zu erblicken,
Ein Kranz, der noch des Ringens werth,
Ein Kampfpreis, der den Sieger ehrt?
Im flachgemeinen Cirkelschritt
Das Rad zu drehn, an eklem Tagewerke
Vernutzen seine Jugendstärke,
Nur daß der Bauch nicht Mangel litt',
Hochzeits- und Kindtaufcarmen machen,
Pfahlbürger kitzeln, damit sie lachen,
Und zwischendurch, als einz'ger Zeitvertreib,
Begehren nach seines Nächsten Weib –
Heißt das ein menschenwürdig Leben?
Ward dazu uns die Seelenglut gegeben,
Die lodernd strebt zum Sternenkreis?
Balthasar.
Was ist ihm heut?
Melchior.
Der Teufel weiß!
Kam schon so malcontent hier an.
Kaspar.
Oft wenn ich stieg den alten Thurm hinan
Und sah die Welt sich lachend breiten,
Die Städte blinken, helle Ströme ziehn,
Die Schiffe stolz hinuntergleiten
Und in den Duft des Horizonts entfliehn,
Da rief's in mir: O nehmt mich mit!
Entführt mich diesem Krämerstaube,
Daß länger nicht mein inn'rer Sinn vertaube!
Ich wollte wohl ein Herz mir fassen,
Die Räthsel auszudeuten dieses Seins,
Wollten sie mich nur schauen lassen
Die ganze Fülle des beseelten Scheins.
Doch darf der Maulwurf, der im Acker wühlt,
Vom Wald zu reden sich vermessen?
Die Sehnsucht, Höh'n und Tiefen zu durchmessen,
Wird von dem
Freien nur gekühlt.
Der Bettler ohne Freund und Sippe
Wo fänd' er gastlich offen Herd und Haus?
Von jeder unwirthbaren Klippe
Stürmt' er von Neuem in das Nichts hinaus!
Balthasar
Nun, beim Gewitter, Bruderherz,
Nicht ganz verständlich ist mir dieser Schmerz.
Doch merk' ich wohl, es wird nichts übrig bleiben,
Als uns zumal dem Teufel zu verschreiben.
Der Fremde
( steht plötzlich auf, tritt aus dem Hintergrunde hervor).
Das habt ihr näher, als ihr meint.
Balthasar
Ha, was ist das?
Melchior
Wer seid Ihr, guter Freund?
Kaspar
Ihr habt gehorcht?
Der Fremde
Wer will dem Vater wehren,
Wenn seine Kinder plaudern, zuzuhören?
Balthasar
Melchior.
Wie ihm die Augen funkeln –
Mir graut!
Kaspar.
Was triebt Ihr dort im Dunkeln?
Wer seid Ihr?
Der Fremde.
Sagt dir's ahnend nicht der Geist,
Daß du nur Fleisch von meinem Fleische sei'st?
Was bildend gährt in dir – und dir – und dir.
Was euch gelüsten läßt nach freien Künsten,
Ist euer Erbtheil ja von mir,
Der ich, vom ew'gen Bildner selbst entstammt,
Zu ew'ger Unrast, ew'ger Qual verdammt
Mich mühe, nach der Art der Affen,
Lebend'ge Schöpfung stümpernd nachzuschaffen,
Ein gaukelnd Spottgebild der Dinge,
Die wesenhaft in stiller Majestät
Die ew'ge Liebe fortbewegt im Ringe,
Vom Schöpferodem angeweht.
Ich aber schäumte, nur Geschöpf zu sein,
Und schuf gleich Ihm – doch wollte Nichts gedeihn.
Die Zeiten rollten unbezwungen
Und haben mein Gebild verschlungen.
Seit Anno Eins war's vollends schlimm bestellt:
Mir sank der Muth, was zu beginnen;
Vom Geist, so hieß es, kommt das Heil der Welt
Und alles Unheil von den Sinnen.
Fragt nur die Pfaffen, die seit alter Zeit
In meine Schliche trefflich eingeweiht,
Die lehren es euch bündig sonder Zweifel:
Der Künste Vater ist der Teufel!
( Wirft Hut und Mantel ab und steht in dämonischer Maske vor ihnen.)
Balthasar.
Der Teufel! Ha, und ich sein Sohn –
Und ihr –?
Melchior.
Mir zuckt's durch alle Glieder!
Kaspar.
Erkenn' ich diese Züge wieder?
Sah ich sie nicht in meinen Träumen schon? –
Wer du auch seist, du hast von meinem Sinn
Die bange Dumpfheit weggehoben;
Ich danke dir!
Balthasar.
Er tritt zum Fremden hin. –
Er zittert nicht!
Der Fremde.
Den Muth'gen muß ich loben.
Doch auch von meinen andern Söhnen
Wird Jeder bald sich zu mir hingewöhnen,
Der ich mit Vaterstolz bekenne,
Daß ich euch meine lieben Söhne nenne,
An denen ich Wohlgefallen habe.
Melchior.
Verehrter Herr –, mit schuldigem Respect:
Eh' ihr uns nicht das Wo und Wie entdeckt
Und Euren Paß gezeigt –
Der Fremde.
Vorwitz'ger Knabe,
Auch darin meines Blutes Sproß,
Hör' an, welch ein Geheimniß, tief und groß,
Gleich jenem, das euch Pfaffenmund gelehrt,
Die Teufelskindschaft euch bewährt.
Es war ein Tag, wo ich mit neuem Grimme
Die alte Schmach erwog, da rings umher
Mich zu verhöhnen schien die Glockenstimme.
Auf Monte Cavo saß ich, sah das Meer,
Das Er erschuf, in Sonntagswonne blauen,
Die Erde prahlen: wer ist groß wie Er?
Wo nur ein Kreuz von Holz und Stein zu schauen,
Ein Feldkapellchen seinen Giebel hob,
Plärrten Gebete Männer, Kinder, Frauen.
In Weihrauchqualme sangen sie sein Lob;
So friedlich lag die Welt, als sei auf immer
Der Streit gebannt und Alles froh darob.
Und ich gedachte knirschend, wie es schlimmer
Von Jahr' zu Jahren mir erging, und wie
Mein stolzes Reich zu stürzen droht' in Trümmer.
Die Helfer, denen Antheil ich verlieh
An meiner Herrschaft, wurden lahm und feige,
Und jämmerlich im Trüben fischten sie.
Wenn ein Jahrtausend mehr noch geht zur Neige,
Wer bürgt, ob ich nicht selbst, ein frommer Knecht,
Peccavi stammelnd meinen Nacken beuge?
Seit er den Sohn gezeugt, da eben recht
In meine Netze schien die Welt zu fallen,
Ward mir Geschlecht abtrünnig um Geschlecht.
Und wie ich das erwog mit Fäusteballen,
Da neben mir: »Thu's doch dem Alten gleich!«
Hort' ich die Stimme meiner Muhme schallen.
»Schaff' einen Sohn und Erben deinem Reich
Der, wenn die müden Jahre dir beginnen,
Statt deiner herrsche, frech und freudenreich.
»Aus deinem Blute soll er Kraft gewinnen,
Ein Uebermensch, der Sterbliche verführt
Unwiderstehlich durch vollkomm'ne Sinnen.
»Wenn
Jenes Sohn die zahmen Herzen rührt,
Die süße Wollust ihnen feig verleidet
Und sinnenkalt die Brunst der Seelen schürt:
»Soll
deiner Alles, was da Augen werdet
Und Sinne labt, ausstreuen durch die Welt,
Daß Himmelsfreuden Keiner mehr beneidet.
»Und wenn der todesfrohe Gottesheld
Vom Reiz des Weibes streng sich abgewendet,
Sei
deiner fruchtbar wie ein Weizenfeld.
»Dann, eh' dies sinkende Jahrhundert endet,
Ist Dein der Sieg und Jener abgethan;
Dafür sei dir mein Schlangenwort verpfändet!«
Kaspar.
Ein Plan – tief wie die Hölle!
Melchior.
Teuflisch ganz!
Balthasar.
Welch ein Rival dem Sohn des Zimmermanns!
Der Fremde.
Kaum war's gedacht, so sah ich meinem Plan
Die flinke Helf'rin, die beim Seelenfange
Den Köder wirft, »Gelegenheit« sich nahn.
Nach einem Kirchlein dort am Bergeshange
Schritt eine Dirne, schön wie jene schier,
Die einst im Paradies gelauscht der Schlange.
Das junge Blut voll schlummernder Begier,
Das schwarze Auge voll verhalt'nem Feuer,
Denn siebzehn heiße Sommer blühten ihr.
Die langen Wimpern zuckten, wie in scheuer
Befürchtung, daß die Flamme möcht' entlodern,
Verrathend, daß es drinnen nicht geheuer.
Der rothe Mund schien süße Kost zu fodern,
Die Brüstlein bebten: sollen wir noch lang
Hier eingesargt in dumpfer Enge modern?
Ich sah alsbald an Farbe, Blick und Gang,
Dies blühende Geschöpf sei reif zum Schaffen
Und meiner Arglist ein bequemer Fang.
Auch machte mir die Mutter nicht zu schaffen,
Die sonst getreu bewacht ihr einzig Kind,
Denn kürzlich sangen ihr ins Grab die Pfaffen.
Nun schritt die Waise, noch wie thränenblind,
Vom Friedhof weg, wo sie gebetet hatte,
Und trat ins Kirchlein; ich ihr nach geschwind.
Ein schöner Jüngling, kaum umkraus't das glatte
Gesicht vom ersten Flaum, stellt' ich mich dar,
Wohl jedem Mägdlein so erwünscht als Gatte.
Sie that, als würde mein sie nicht gewahr,
Und warf im leeren Schiff sich eilig nieder,
Gebetlein murmelnd vor dem Hochaltar.
Mir – sag' ich's nur – war erst der Ort zuwider.
Denn vom Altare sah die Trinität
Fast drohend auf uns her, so ernst und bieder.
Dann lacht' ich: wenn ihr dorten Schildwach steht,
Sollt ihr mir Zeugen sein, daß diese Ehe
Ganz ehrsam nach der Ordnung vor sich geht.
Und also kniet' ich in des Mägdleins Nähe
Und fing ihr eifrig an ins Ohr zu raunen
Das alte Lied von Liebeslust und -Wehe.
Da schrak sie auf, mit Zittern. Durch die braunen
Thaufrischen Wangen glomm ein zornig Glühn;
Ich hatte meine Noth, sie umzulaunen.
Zu ruchlos schien es ihr, zu frevelkühn,
An heil'ger Stätte, Vater, Sohn und Geist
Grad ins Gesicht, sich werbend zu bemühn,
Um Eine, die seit Tagen erst verwais't
Vom frischen Grabe weg, in Tempelhallen
Der Mutter fromme Kindspflicht erweis't.
Doch meinem Zauber mußte sie verfallen
Je mehr und mehr. Die Klapperschlangenkraft
Der Sünde, die gewaltigste von allen,
Die stets, je schwindelnder der Abgrund klafft,
Nur desto mächt'ger zieht ins Bodenlose,
Gab sie zuletzt im Traum der Leidenschaft
Dem Teufel hin zu stürmischem Gekose –
So, ohne mich durch Engel anzukünd'gen,
Brach ich mir frisch vom Strauch die junge Rose.
Und fast in diesem tollen Schäferstündchen
Empfand ich, was für Menschensöhn' und -Töchter
Die gottlos süße Wonne sei, zu sünd'gen.
Im eignen Haus des Herrn, trotz aller Wächter
Hatt' ich ihm keck dies Paroli gebogen:
Da schlug ich auf mein hellstes Hohngelächter.
Kaspar.
Hört auf! Beim ew'gen Firmament, mir graut!
Melchior.
Es überläuft mir eisigkalt die Haut!
Balthasar.
Ist dies ein Spuk? Äfft uns der Wein?
Kaspar.
Und wir – wir sollten seine Kinder sein?
Der Fremde.
Mein Lachen, da der Taumel kaum verflogen,
Erweckte sie. Mit Grausen ward sie inne,
Daß um ihr ewig Heil ich sie betrogen.
Nie trug so bittre Frucht die süße Minne.
Mit wildem Schrei, der mich sogar erschreckte,
Fuhr sie empor, und Nacht umfing die Sinne.
Das Kleid, das ihren weißen Leib bedeckte,
Riß sie entzwei und floh den Bergen zu,
Wo wie ein wildes Thier sie sich versteckte.
Gern hält' ich dort die schöne Braut in Ruh
Manchmal besucht, den Honigmond genossen,
Doch wagt' ich nur verstohlen mich hinzu.
Wie rasend hätte sie mich fortgestoßen,
Und da des Kindes Leben in Gefahr,
Dürft' ich die arme Mutter nicht erboßen.
Doch endlich, da die Zeit erfüllet war
Und ihre Stunde kam – nur meine Muhme
Bot sich bereit zur Wehemutter dar –,
Da, in der Felsenwildniß, wo nicht Blume
Noch Baum gedieh, nicht Ochs noch Esel sangen
Lobpsalmen zu des neuen Heilands Ruhme,
Genas sie jener Frucht, die sie empfangen;
Doch das gebrechliche Gefäß zerbrach,
Und Tod entfärbt' der Kreisenden die Wangen.
Mein Mühmchen aber hielt sich brav und sprach:
Freut Euch! Drillinge sind's, und mir will scheinen,
Sie arten ganz und gar dem Vater nach.
Da sah ich froh die schwarzbehaarten Kleinen
Am Boden zappeln, ha! mein eigen Blut!
Nun nahm ich's kecklich auf mit dem Dreieinen.
Doch aufzuziehn die hülflos junge Brut
Fühlt' ich mich selber ungeschickt und träge
Und gab euch hier dem Findelhaus in Hut.
Ihr solltet wandeln erst der Armuth Wege,
Zu schärfen euren Witz und eu'r Gelüsten,
Umschränkt von des gemeinen Volks Gehege.
Nun kann ich wohl mit Vaterstolz mich brüsten,
Die Lehrzeit sei vollbracht, mein Plan gelungen;
Doch eh wir uns zu größern Dingen rüsten,
Kommt an mein Vaterherz, ihr Teufelsjungen!
( Heftiges Pochen an der Thür. Lärm draußen.)
Halloh! Die wilde Meute naht.
Ich sehe wohl, zu Zärtlichkeiten
Ist hier kein Raum. Wir müssen in der That
Platz machen diesen Biederleuten,
Und meiner Söhne Kraft und Kühne
Erprob' ich jetzt auf einer größern Bühne.
Ein Fürst, ein frommer Knecht der Pfaffen,
Und seine Fürstin, engelgleich geschaffen,
Wallen vereint die schmale Bahn,
Dem eignen Volk ein Vorbild jeder Tugend.
Philisterhaft duckmäusert dort die Jugend,
Und kläglich ist's um
meine Macht gethan.
Da sollt ihr hin, die Luft befrei'n
Vom Brodem ekler Weihrauchdünste.
Und durch Magie der freien Künste
So Fürst wie Volk der Sünde weihn.
( Neues Pochen.)
Der Lärmen wächst. – Nun? bleibt ihr stumm?
Hat euch mein Evangelium
Entgeistert völlig?
Kaspar.
Vater, habt Geduld!
Wir sind verwirrt von all dem Ungeheuern.
Melchior.
Wie sollen wir Euch Lieb' und Dank betheuern?
Die Stimme der Natur in unserm Blut
Gott weiß! war lange eingelullt.
Balthasar.
Es ist mir kaum sehr kindlich noch zu Muth.
( Die Thür kracht. Geschrei draußen.)
Der Fremde.
Der freche Pöbel! Doch wie sehr er tobt,
Er soll alsbald das Nachsehn haben.
Kommt, meine theuren jungen Raben;
Hier dieser Mantel wird uns frommen,
Den Doctor Faustus schon erprobt.
Heran zu mir, dann mag die Meute kommen.
Hinab und hinauf,
Ins Niedre, ins Hohe!
Lodernde Lohe,
Schließe dich auf
( Er stampft mit dem Fuß, während er die Söhne an sich zieht. Der Boden öffnet sich, sie versinken, eine Flamme schlägt in die Hohe. In demselben Augenblick bricht die Thür ein.)
( Hans Hinz, Kunz, der Wirth, die Schaarwache dringen herein.)
Hans ( sich bekreuzend).
Alle guten Geister!
Hinz.
Seht! ha, seht!
Kunz.
Beim Blitz – wir kommen schon zu spät!
Der Teufel thät die schlimmen Brüder holen –
Gelobt sei Gott der Herr!
Hinz.
Und wir
In seinen gnädigen Schutz befohlen.
Amen!
( Alle entblößen das Haupt, falten die Hände. Man hört draußen die Stimme des Nachtwächters:)
Bewahrt das Feuer und das Licht,
Daß dieser Stadt kein Schade geschicht.
Zehn ist die Glock!
( Er bläs't auf dem Horn. Während der Vorhang fällt, geht das Blasen in eine liebliche Melodie über, die Flöte ahmt Nachtigallenschlag nach. Als sie verstummt, tritt auf)
So viel für heut. Doch gönn' uns die geehrte
Versammlung noch Gehör auf drei Minuten,
Daß nicht die Phantasie, auf falscher Fährte
Fortdichtend, sich verirr' in Höllengluten.
Von Söhnen, die der Vater selbst erklärte
Für Teufelsbrut, steht Arges zu vermuthen,
Ein freches Schauspiel, voll pikanter Sachen,
Die Offenbach und Parny neidisch machen.
Wer dies erwartet, fände sich betrogen,
Denn die Tendenz des Dichters ist moralisch.
Die Brüder, an den Fürstenhof gezogen,
Beginnen zwar wie billig infernalisch.
Der Fürst bezeigt sich ihnen sehr gewogen,
Bald leben Hof und Land sardanapalisch,
Und selbst die Fürstin, diese reine Lilie,
Verfällt dem Reiz der teuflischen Familie.
Kaspar, der Dichter, – der gemeine Name
Wird flugs vertauscht in dieser höhern Sphäre –
Schleicht singend sich ins Herz der hohen Dame,
Und auch die Brüder machen rasch Carrière.
Doch hilft wie immer, zu des Teufels Grame,
Das Böse nur, daß sich das Gute mehre:
Die Fürstin, die gewankt von Pflicht und Treue,
Besiegelt tragisch endend ihre Reue.
Genüg' es euch an dieser dürft'gen Skizze;
Ihr wißt nun doch, wohin der Dichter zielt:
Daß Satanas, trotz seinem dreisten Witze,
Den hohen Einsatz wiederum verspielt.
Die Söhne sprengen, da die Jugendhitze
Verraucht, das Band, das sie gefesselt hielt,
Und Sinnenkraft und -Schöne, rein gebadet
In Schuld und Schmerz, sind wieder gottbegnadet.
So nehmt denn heut vorlieb. Im schlimmsten Fall:
Was liegt daran, wenn Seifenblasen platzen?
Sie spiegelten in leichtem Flug das All,
Die Lieblichkeit der Welt und ihre Fratzen.
Ein Kind – und solche Kinder sind wir all' –
Ergötzt sich dran; und ob Philister schwatzen
Und weise Leute eifernd sich empören:
Den Kindern wird das Paradies gehören!