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Viertes Kapitel.

Damit öffnete er die kleine Thür, welche die beiden Werkstätten von einander trennte, und ging Felix voran.

Du wirst einen alten Bekannten wiederfinden, sagte er. Mich soll wundern, ob Freund Homo sich deiner noch entsinnt. Er hat freilich Zeit gehabt, alt und stumpf zu werden.

Der Hund lag noch wie vorhin vor dem alten Sopha auf der Strohmatte und schien ruhig fortgeschlafen zu haben, obwohl das Mädchen sich neben ihn gesetzt hatte und beide Füße in sein dickes Fell wie in einen Fußteppich vergrub. Es war dem alten Thier offenbar nicht unbequem, sondern eher vergnüglich, von den kleinen Schuhen gekraut und getreten zu werden. Wenigstens gab es von Zeit zu Zeit ein behagliches Knurren von sich wie ein spinnender Kater.

Dem Mädchen selbst war inzwischen die Zeit lang geworden. Erst hatte sie, da sie die Stimmen draußen im Garten hörte, sich auf einen Schemel dicht ans Fenster geschwungen und, das Röckchen über die nackten Schultern ziehend, um nicht etwa von einem Vorübergehenden draußen gesehen zu werden, neugierig zwischen die Rosen hinausgespäht. Der fremde junge Herr, der mit Jansen so lange und ernsthaft sprach, gefiel ihr ausnehmend, seine hohe, schlanke Gestalt, der kleine Kopf auf den breiten Schultern, der Feuerblick der braunen Augen, der so verloren umherflog. Daß er was Vornehmes sein müsse, hatte sie gleich erkannt. Als er dann aber mit Jansen in der Laube verschwand, wurde ihr der Lauerposten oben am Fenster unbequem. Langsam und nachdenklich stieg sie herunter, stellte sich vor einen kleinen Spiegel an der Wand und betrachtete darin mit Muße ihre junge Gestalt, die ihr jetzt erst, da ein Künstler sie nachbildete, als etwas Besonderes vorkam. Nur mit ihrem Gesicht war sie heut noch weniger zufrieden als sonst und probirte, ob es sich nicht verbessern lasse, wenn sie den Mund möglichst zu spitzen, die Nasenflügel einzuziehen und die Augen aufzureißen suchte. Sie ärgerte sich sehr, daß sie sich nicht so schön machen konnte, wie die Gypsköpfe oben auf dem Wandgestelle. Dazwischen mußte sie plötzlich lachen über das abscheulich verzwickte Gesicht, das dabei herauskam, ihr alter Leichtsinn flackerte hell auf, sie streckte ihrem Spiegelbilde die Zunge heraus und freute sich, wie hübsch roth dieselbe zwischen den blitzenden weißen Zähnen sich ausnahm. Dann schüttelte sie ihre dichten rothen Haare und ging, ein Liedchen singend und mit den Händen im Takt dazu sich die nackten Schultern klatschend, auf und ab, daß die Sperlinge aufgeschreckt wurden und zum Fenster hinausschwirrten. Lange stand sie dann und betrachtete die Abgüsse und Thonmodelle rings an den Wänden, und besonders die angefangene Marmorbüste war ihr interessant. Sie mußte dabei wieder an den Fremden draußen in der Laube denken, dem in ähnlicher Haltung der Kopf aus den stattlichen Schultern herauswuchs; dann wurde ihr auch das langweilig, und sie verspürte überdies einen kleinen Hunger. Im Schrank hinten in der Ecke, auf den sie der Bildhauer angewiesen, fand sie in der That ein paar Brödchen und eine angeschenkte Flasche Rothwein. Außerdem aber lag da allerlei Trödel übereinander, ein Maskenanzug, ein Stück goldbedruckter Ledertapete, Fetzen von blauem und rothem großblumigem Seidenstoff und Brocat, ein aus Pappe geschnittener und mit schönen Goldstrahlen bemalter Heiligenschein, der einmal zu einem lebenden Bilde oder einem andern profanen Zweck gedient haben mochte. Den ergriff das müßige Kind und befestigte ihn an den zwei noch wohlerhaltenen Bändern um ihren eigenen Kopf, worauf sie wieder vor den Spiegel lief, sich zulächelte und Gesichter schnitt. Dann zog sie ein Stück blauen Damast aus dem Kram hervor und drapirte das wie ein Mäntelchen um ihre weißen Schultern. Die Haare flossen ganz frei darüber herab, so daß sie nun von fern, wenn man die entblößte Brust nicht sah, einer mittelalterlichen Madonna glich, die aus ihrem Bildrahmen getreten war und sich unter diese bunte Gesellschaft verirrt hatte. Sie selbst kam sich sehr schön und verehrungswürdig in dieser Verkleidung vor und freute sich heimlich auf die Ueberraschung und Bewunderung des Bildhauers, wenn er sie so finden würde. Um dies bequemer abzuwarten, hatte sie sich auf das Sopha gesetzt, ein Glas Wein aus einen Stuhl neben sich gestellt und angefangen, ein Brödchen zu essen. Eine Mappe mit Photographien nach berühmten alten Bildern war ihr in die Hände gefallen, die hatte sie aufgeschlagen auf ihre Kniee gelegt, die Füße auf den Rücken des Hundes gestellt, und saß nun so schon eine halbe Stunde, in das Betrachten der Bilder vertieft, die sie meist sehr garstig fand, als die kleine Thür aufging und Jansen wieder hereintrat.

In demselben Moment schnellte sie wie durch eine Feder in die Höhe, so ungestüm, daß der alte Hund dumpf heulend und sich schüttelnd ebenfalls aus seiner Ruhe auffuhr. Hinter dem Bildhauer hatte sie den jungen Fremden eintreten sehen und stand nun, das knappe blaue Seidenfähnchen, so gut es gehen wollte, über der Brust zusammenziehend, mit zornigen Blicken und vor Aufregung am ganzen Leibe zitternd mitten im Atelier.

Sie brauchen sich nicht zu fürchten, Kind, sagte der Bildhauer. Der Herr hier ist auch Künstler. Himmel, wie schön haben Sie sich herausgeputzt! Der Heiligenschein steht Ihnen vortrefflich. Drehen Sie sich doch einmal herum –

Sie schüttelte heftig den Kopf. Lassen Sie mich gehn! Ich komme nie wieder! sagte sie halblaut. Sie haben mir nicht Wort gehalten! O, es ist schändlich!

Aber, Zenz –!

Nein, nie wieder! Sie haben mich betrogen – Sie wissen wohl, was Sie mir versprochen haben, und doch –

Wenn du nur hören wolltest! Ich kann dir heilig versichern –

Kopfschüttelnd und mit glühendem Gesicht lief sie zu dem Stuhl, auf dem sie ihr Oberkleid und ein Strohhütchen abgelegt hatte, griff hastig nach Beidem und schoß wie ein Pfeil durch die kleine Seitenthür in das zweite Atelier.

Der Bildhauer wollte ihr nach, mußte aber an der verriegelten Thür wieder umkehren. Unmuthig wandte er sich wieder zu Felix, der das Mädchen kaum beachtet hatte über einer stürmischen Wiedererkennungsscene mit dem Hunde; das gewaltige Thier war mit jugendlicher Lebhaftigkeit ihm entgegengesprungen, hatte heiser bellend seine schweren Pfoten auf die Brust des alten Freundes gelegt und wollte nicht wieder von ihm ablassen.

Kennst du mich wirklich noch, treue Seele! rief der junge Mann, ihm den mächtigen Kopf zausend und mit Rührung dem alten Getreuen in die großen, schon etwas getrübten Augen blickend. Da sieh, Hans, mit welcher Feierlichkeit ich hier empfangen werde! Aber was habe ich dem Mädel zu Leide gethan? Pflegen in eurem gesegneten Lande der freien Kunst die Modelle um den Tugendpreis zu concurriren?

Mit dieser hat's eine eigne Bewandtniß, erwiederte Jansen ärgerlich. Sie hat mir erst nach langem Weigern den Gefallen gethan, mir Modell zu stehen, und ich werde Mühe haben, das scheue Ding wieder zahm zu machen. Sie ist vater- und mutterlos, wie sie mir wenigstens erzählt hat. Ich traf sie mehrmals auf ihrem Wege nach einer Blumenfabrik, wo sie sich mühsam ihr Brod verdient. Ihr Figürchen gefiel mir, und die kleine Stumpfnase sah nicht nach allzu strengen Grundsätzen aus. Aber sie ließ mich erst gewaltig abfahren, obwohl ich, da ich älter aussehe als meine Jahre, schon spröderen Kindern Vertrauen eingeflößt habe; bis das letzte Mittel denn auch diesmal half.

Das letzte Mittel?

Die Bemerkung, es sei wohl auch nicht so sehr der Mühe werth, wie ich geglaubt, und sie möge am Ende klug daran thun, sich nur in Kleidern zu zeigen. Das konnte die kleine Eitelkeit nicht auf sich sitzen lassen, und so willigte sie ein, zu kommen, außer mir aber dürfe nie ein Mensch im Atelier sein. Diesen Pact hab' ich unbedachter Weise gebrochen, indem ich dich hereinließ.

Felix war vor die Statue der Bacchantin getreten. Wenn du ihr nicht sehr geschmeichelt hast, muß man dir zu diesem Funde Glück wünschen, sagte er. Ueberhaupt – so viel ich bei meinem heutigen Durchschlendern der Stadt habe bemerken können, wirst du alle Ursache haben, mit dem Gewächs hier zu Lande zufrieden zu sein.

Jansen antwortete nicht. Er schien in den Anblick des Freundes verloren, der eben im günstigsten Licht ihm gegenüber stand. Dann ging er brummend nach dem Schrank, in welchem das Mädchen vorhin herumgekramt hatte, suchte eine Weile in den Schubfächern und kehrte dann, eine große Scheere auf dem Rücken haltend, zu Felix zurück, der in selbstvergessener Bewunderung immer noch die Tänzerin betrachtete.

Du mußt mir nun vor Allem erlauben, theurer Sohn, dich wieder vernünftig zuzustutzen. Setz dich dort auf den Schemel. In weniger als fünf Minuten ist es gethan, und dein borghesischer Fechter-Nacken, der das Beste an dir ist, wieder aus all dem Gestrüppe herausgeschält.

Felix weigerte sich zuerst lachend, ließ es dann aber doch geschehen, daß der Freund ihm mit sicherer Hand die Locken stutzte und den Vollbart auf eine schmalere Form einschränkte. So! sagte er, jetzt kann man sich mit dir sehen lassen. Und zur Belohnung für deinen Gehorsam will ich dir Etwas zeigen, was bisher nur wenige sterbliche Augen zu sehen bekommen haben.

Er näherte sich der großen verhüllten Gruppe, die in der Mitte des Ateliers stand, und fing an behutsam die feuchten Tücher abzuwickeln, in die das Werk von allen Seiten eingeschlagen war.

Eine Jünglingsgestalt von übermenschlicher Größe und Kraft kam zum Vorschein, in der schönsten natürlichen Anmuth auf den Boden hingestreckt. Eben schien der Schlaf von den Augen gewichen zu sein. Denn er hatte den Kopf ein wenig erhoben, den Oberleib auf den rechten Arm gestützt, den linken gegen die Stirn bewegt, wie um sich die Nebel eines tiefen Traumes von den Brauen zu streichen. Vor ihm – vom Beschauer gesehen hinter ihm – ruhte, auf das eine Knie niedergelassen, ein junges Weib in einer Geberde unschuldigen Staunens vornübergebeugt. Diese Figur war in der Ausführung noch erheblich zurück gegen die männliche, an der kaum noch in den üppigen Haaren und an Händen und Füßen etwas ins Feine zu arbeiten blieb. Dennoch, obwohl die Züge des weiblichen Gesichts fast nur aus dem Gröbsten angegeben waren, die schönen Glieder durchaus als die Arbeit weniger Tage erschienen, war der Wurf des Ganzen so groß und glücklich, die Neigung des Nackens und die Geberde der Arme so sprechend, daß man den vollen Eindruck des Ganzen schon aus dem werdenden Werk verstehen und die beiden herrlichen Gestalten einander werth und ebenbürtig finden mußte.

Ein Ausruf des Entzückens entfuhr dem Freunde. Dann stand er wohl eine Viertelstunde ohne sich zu regen vor der gewaltigen Gruppe und schien den Meister völlig über seinem Werke zu vergessen.

Erst der Hund, der wieder zu ihm heranschlich und ihm die Hand leckte, riß ihn aus seinem Verstummen.

Der alte Hans lebt noch! rief er, sich zu Jansen umwendend; vielmehr: dies ist denn doch erst der ganze, echte und rechte Dädalus, der das Fliegen gründlich versteht. Höre, Alter, ich komme mir nachträglich ordentlich verrückt und unverschämt vor, daß ich mich dir vorhin als eine Art Kunstgenossen präsentirt habe.

Du wirst morgen auf den Kunstverein gehen und dort wieder Courage kriegen, wenn du die andern Collegen kennen lernst, erwiederte Jansen trocken. Uebrigens freut es mich, daß dir die Sache einigermaßen einleuchtet. Du entsinnst dich, wie ich schon vor Jahren den Keim zu dieser Arbeit mit mir herumtrug. Der erste Mensch dem ersten Weibe gegenüber, wie er sich noch kaum getraut, die Erscheinung, die ihn selbst erst zum vollen Menschen macht, mit Händen zu greifen; und sie nun dagegen, als Frauenzimmer weit früher gereift und während seines Schlafs schon selbst zur Besinnung gekommen, von Sehnsucht und Freude hingerissen zu Dem, der ihr Herr sein und sie erst recht zum Weibe machen soll, – es sind da so Sachen, die einem ins Blut gehen; allerlei Nachdenkliches und Geheimnißvolles wird in der Phantasie aufgeregt, und doch geht es nicht über unsere Mittel hinaus. Ich habe mehr als Eine Skizze dazu gemacht und mir immer nicht genug gethan. Erst in diesem Frühjahr, als ich eines Tages mit Schrecken bemerkte, wie das lausige Geschäft nebenan, das Geldverdienen und Pfaffen und Weibern es recht machen, mich zu demoralisiren drohte – hab' ich einmal drei Wochen lang keinen Fuß in die Heiligenfabrik gesetzt, mich hier eingeschlossen und mir wieder die Seele ausgeweitet mit dieser Arbeit. Ich weiß, daß ich sie nur für ein ganz kleines Häuflein ehrlicher, malcontenter Freunde mache. Wo soll dergleichen auch hin heutzutage? Die große Kunst ist heimathlos geworden und hat keine Stätte, wo sie ihr Haupt hinlege. Eine tanzende Bacchantin findet allenfalls noch einen Liebhaber in einem Geldmanne, der sie in eine Nische seines Salons aufstellt und an die Figurantinnen dabei denkt, die er zu unterhalten pflegt. Aber Adam und Eva – vor dem Sündenfall, in all ihrer rohen und herben Urkraft, gleichsam den frischen Erdgeruch noch um sich verbreitend – das ist zu einer Decoration so wenig zu brauchen, wie auf einem Kapellen-Altar. Schon die brutalen Proportionen über Lebensgröße! Item, es sind meine alten Lieblinge, und wenn sie mir Freude machen, wen geht es was an?

Felix antwortete nicht. Er war wieder ganz in Anschauen versunken.

Ein guter Freund, den du auch noch kennen lernen wirst, fuhr der Meister fort, ein gewisser Schnetz, der gern den Thersites spielt, hat mir gerathen, dem Adam eine Füsilier-Uniform anzuziehen und das Weib als barmherzige Schwester zu maskiren, ihr ein Arzneiglas und einen Löffel in die Hände zu geben. So würde die Gruppe als Giebelfüllung an einem Lazareth vielleicht Anklang finden. Diese Satire auf den Zustand unserer Kunst ist so schlagend, daß ich gute Lust hätte, mir den Spaß zu machen. Meine ersten Menschen, die noch von allen Gebrechen unseres verpesteten Jahrhunderts keine Ahnung hatten, über einem Siechenhaus thronend – was sagst du zu diesem Humor über Lebensgröße?

Mache es nur fertig, Hans! rief der Jüngling. Träume den Traum nur zu Ende, und ich stehe dir dafür, so blöde und schläfrig die Menschen gewöhnlich hintappen, dieser Blitz des Genies wird ihnen die Schuppen von den Augen reißen. Warum bist du denn mit der Eva noch nicht weiter gekommen?

Weil ich immer noch kein Modell gefunden habe und mir die Arbeit nicht verpfuschen will durch bloßes Zusammenstoppeln meiner Erinnerungen oder die übliche ultima ratio einer Anleihe bei der Venus von Milo. O, mein Bester, das herrliche Gewächs hier, das dir heut' auf der Straße in die Augen gestochen hat – basta; du wirst in einiger Zeit anders davon denken. Zu einem munteren Püppchen, wie meine Tänzerin, reicht das allenfalls noch aus, was die deutschen Corsettfabrikanten, die Schulbänke und unsere armselige Hungerkost von der lieben Natur übrig lassen. Aber eine künftige Menschheitsmutter, noch von keinem Hauch der Dürftigkeit und Verbildung angekränkelt, sondern frisch aus der Hand des Schöpfers hervorgegangen, – was wollen dagegen unsere berufsmäßigen Modelle sagen, oder die Nähmamsellen und Blumenmacherinnen, die für Geld und gute Worte sich um die Kunst verdient machen? Eine Römerin vielleicht, eine Griechin – irgend ein wildes Naturkind, das unter einem glücklicheren Himmel aufgesprossen ist! Und darum brennt mir hier der Boden unter den Füßen, und wenn man nicht seine Bleigewichte daran hätte –

Er verstummte plötzlich. Ein düsterer Schatten flog über sein Gesicht. Felix scheute sich, mit einer Frage Mehr aus ihm herauszulocken, als Jansen ihm freiwillig vertrauen wollte.

In diesem Augenblick schlug es draußen auf einer Thurmuhr Zwölf, und sogleich fiel das mittägliche Gebetläuten ein und füllte ein paar Minuten lang die Pause, die im Gespräch der beiden Freunde entstanden war.

Der Bildhauer machte sich daran, die Gruppe, nachdem er sie von Neuem angespritzt, wieder in die Tücher zu hüllen. Dann ging er, während Felix schweigend die übrigen, zum Theil wohlbekannten Bildwerke betrachtete, zu einem Tisch im Winkel, wo er den Thonstaub von Gesicht und Händen wusch und den Arbeitskittel mit einem leichten Sommerrock vertauschte.

Und jetzt, sagte er, als er seine Toilette beendigt hatte, jetzt begleitest du mich in unser Hochamt, das keinen Sonn- und Feiertag versäumt wird. Mit dem Glockenschlag Zwölf verlassen wir Arbeitsbienen unsere Zellen und schwärmen nach der großen Blumenwiese, Pinakothek genannt, wo wir unseren Bedarf an Wachs und Honig für die ganze Woche einsammeln. Hörst du über uns die Thür gehen? Der Zellennachbar im oberen Stock ist eine sehr brave Haut, Maximilian Rosenbusch mit Namen, von seinen Freunden der Kürze wegen Röschen genannt; ein guter Junge, von Natur durchaus nicht auf einen Raufbold angelegt, vielmehr auf allerlei zartere Musenkünste. Er steht im Verdacht, heimlich an einem Bande Frühlingslieder zu dichten, und seine Flöte hättest du noch vor einer Stunde hier oben hören können. Dabei malt er die tapfersten Schlachtenbilder, meist im Wallensteiner und Schwedencostüm, wo es sehr blutig zugeht und kein Pardon gegeben wird. In dem Atelier neben dem seinen aber haus't ein Fräulein, als Frauenzimmer höchst achtbar und auch als Malerin gar nicht zu verachten; sie heißt unter ihren Bekannten Angelica, ihr christlicher Name ist Minna Engelken. Dieses gute Geschöpf – aber da kommen sie schon draußen die Treppe herunter. Du kannst nun gleich ihre Bekanntschaft machen.


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