Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Achtes Kapitel.

Am anderen Morgen brachte Felix einen ganzen Arm voll von seinen Skizzenbüchern zu Jansen. Dieser schien sie mit Interesse durchzusehen, ließ sich geduldig die Reise-Abenteuer erzählen, zu denen manche dieser Blätter nur flüchtige Illustrationen waren, äußerte aber kein Wort über den künstlerischen Werth, den die Zeichnungen etwa haben mochten.

Als das letzte Blatt umgewendet war und Jansen nur mit einem stillen Hm! die Bücher und Büchlein zu einem kleinen Thurm übereinanderschichtete, mußte sich Felix zu fragen entschließen, ob er nicht doch Fortschritte gemacht habe?

Fortschritte? Je nun, wie man's nimmt.

Und wie nimmst du's, alter Freund?

Ich? Hm! Ich nehme es im geographischen Sinne.

Du bist sehr gütig. Ich verstehe vollkommen.

Sei nicht böse, mein Theuerster, sondern verstehe mich recht. Ich meine, auf dem Wege des Dilettantismus, auf welchem du bis dato einhergeschlendert, ist überhaupt jeder Fortschritt, und wenn man äußerlich dabei die ganze Welt umsegelte, nur illusorisch, da es doch immer nur auf eine Kreisbewegung hinausläuft. Uebrigens ist es recht schade darum.

Um was?

Daß du nun Ernst machen willst mit der Kunst. Du wärst ein so beneidenswerther Dilettant geblieben, denn du hast alle dazu nöthigen Gaden in ungewöhnlichem Maße.

Und diese sind?

Selbstvertrauen, Zeit und Geld. Nein, werde nicht böse. Ich meine es wahrhaftig ernst mit dir, und daß ich's überhaupt gut meine, brauche ich doch wohl nicht zu versichern. Ganz im Ernst: diese deine Reiseblätter sind so geschickt gemacht, daß alle illustrirten Zeitungen sich glücklich schätzen könnten, wenn sie solche Special-Artisten hätten. Und doch, da du nun Künstler werden willst, wollt' ich, sie wären nicht halb so geschickt.

Wenn es weiter nichts ist – dazu kann Rath werden. Wie viel Talent zur Ungeschicklichkeit ich habe, wirst du bald sehen, wenn du mir etwas zu kneten giebst.

Der Bildhauer schüttelte leise den Kopf. Es sind nicht die Hände, sagte er, es ist der Sinn, der bei dir schon eine ganz respectable Reife und Fertigkeit erlangt hat, nur leider in einer falschen Richtung. Denn siehst du, Geliebtester, gerade was dir selbst in deinen Sächelchen am besten gefallen und Unkundigen imponirt haben mag, das Flotte, Fixe, der sogenannte Künstlerstrich, das gerade ist dir am meisten im Wege, um in die rechte Bahn einzulenken. Es ist, wie wenn Einer, statt auf dem gewöhnlichen Wege schreiben zu lernen, mit dem Stenographiren anfinge. Da wird sein Lebtag kein rechter Kalligraph daraus. Denn das Wesen des Dilettantismus im Großen und Kleinen, wie das der Stenographie, ist die Abbreviatur; statt der Form, respective des Buchstabens, ein Zeichen zu setzen, worüber dann mit der Zeit alles eigentliche Gefühl, ja, das Bedürfniß und die Werthschätzung der gewachsenen organischen Form zum Henker geht. Woher kommt es denn, daß Dilettanten so viel rascher fertig werden, als die rechten Künstler? Weil sie mit ihrem abgekürzten Verfahren immer nur auf das losgehen, was ihnen das Wesentlichste dünkt: Aehnlichkeit, Lebendigkeit, Eleganz des Vortrags. Darum sind sie oft unglaublich geübt, die Proportionen, zum Beispiel eines Gesichtes, aufzufassen und mit ein paar Pünktchen und Strichelchen hinzuhexen, daß Alles schreit: Nein, wie ähnlich! wie sprechend! und wie geschwind! Der rechte Künstler weiß, daß die Zeit der Hervorbringung gar nicht das Maß der Trefflichkeit ist; und da er nicht bloß so einen allgemeinen Größensinn, sondern das eigentliche Formgefühl hat, so ruht er nicht eher, bis er diesem genug gethan, bis er gleichsam von innen heraus nachgeschaffen hat, was die Fühlfäden seiner Augen von außen betastet und ergriffen haben.

Uebrigens, fuhr er nach einer kurzen Pause fort, indem er die nassen Tücher von seiner Tänzerin abwickelte, magst du immerhin glauben, daß dies alles nur meine Privatmeinung und nichts Besseres als ein überspannter Begriff von der wahren Kunst sei. Im gewöhnlichen Leben unterscheidet man ja den Künstler vom Dilettanten nur dadurch, daß Jener das Ding berufsmäßig und Dieser zu seinem Vergnügen betreibt. Danach wärst du von dem Augenblick an ein Künstler, wo du den Baron, den Staatsmann oder Juristen, den homme d'action, der in dir steckt, an den Nagel hingest und regelmäßig eine Anzahl Stunden des Tages dir die Finger mit Thon beschmutztest. Bleibst du beharrlich dabei, so müßte es nicht mit rechten Dingen zugehen, wenn du nicht im Laufe einiger Jahre das nöthige Handwerk so wacker inne hättest, wie irgend Einer. Auch Akademieprofessor zu werden, ist kein unerreichbares Ziel deines Ehrgeizes. Und wenn ich trotz alledem fortfahren sollte, dich im Stillen für einen geborenen Dilettanten zu halten, so könntest du gnädig auf mich herablächeln und feurige Kohlen auf mein Haupt sammeln, indem du mich zum Ehren-Mitgliede deiner Akademie vorschlügst. O theurer Sohn, ich sage dir, wenn du vielen unserer gefeierten Größen die Nieren prüfst, es kommt nicht viel Anderes zu Tage, als ein mit frechem Schein, elegantem Aufputz und allenfalls ein paar sogenannten »Ideen« verhülltes und beschönigtes Dilettantenthum. Ich kenne Maler, die eine Hand und einen Fuß, einen Pferdekopf oder einen Eichbaum mit so unfehlbarer Flottheit hinschreiben, wie – nun eben wie ein rechtschaffener Stenograph eine Kammerrede von zwei Stunden auf ein Octavblatt bringt. Aber Gott verzeiht ihnen, denn sie wissen längst nicht mehr, was sie thun, und da das liebe Publicum noch gröbere Sinne, noch stumpferes Naturgefühl und noch mehr Respect vor dem Schein hat – so ist ja auch Alles, wie es sein soll, und Keiner kann sich beklagen, daß er betrogen werde.

Auf diese Rede war es eine ganze Weile still im Atelier. Man hörte das Herumschwirren der Spatzen, Homo's tiefe Athemzüge, da der alte Herr sich bereits wieder seines Morgenschlafs erfreute, und in der Heiligen-Fabrik nebenan das Klirren, Kratzen und Picken von sechs bis acht Meißeln in den Händen der Gesellen, die rüstig bei ihrer Arbeit waren.

Ich danke dir, Dädalus, sagte Felix endlich. Du hast gewiß im Allgemeinen vollkommen Recht, und ich finde es höchst freundschaftlich von dir, daß du mich gründlich abzuschrecken suchst. Aber mit deiner Erlaubniß muß ich dabei bleiben, daß ich erst durch eigenen Schaden klug werden will. Wenn du mir in Jahr und Tag noch dieselbe Predigt hältst, sollst du sehen, wie reumüthig ich an meine Brust schlagen und mich von all meinen Sünden bekehren werde. Jetzt aber – gieb mir erst was zu sündigen. Siehst du, der Rock ist schon herunter, es brauchen bloß noch die Hemdärmel aufgestreift zu werden.

Sei es denn! erwiederte Jansen mit einem gutmüthigen Lächeln. Also nicht, wie Gott will, sondern wie du willst! Hier!

Er ging zu dem großen Schrank und nahm einen Todtenkopf heraus, den er auf ein Tischchen neben das Fenster legte. Zugleich schob er einen Modellirstuhl aus dem Winkel herbei, stellte ihn vor das Tischchen und deutete stumm auf einen großen Thonklumpen, der feuchtglänzend in einer Bütte lag.

Wollen wir Phrenologie studiren? lachte Felix, mit einiger Beklommenheit, da ihm eine Ahnung aufstieg.

Nein, mein Theurer, sondern wir wollen uns Mühe geben, dieses runde Beingehäuse möglichst genau nachzubilden. Mit dem Fleisch hat es noch so lange Zeit, bis wir erst mit dem Knochenwerk Bescheid wissen.

Ein ganzes Gerippe soll ich –?

Knochen an Knöchelchen, bis wir unten bei der großen Zehe anlangen. Wir verbinden so den anatomischen Cursus mit dem Formen-Exercitium. Ja, Liebster, fuhr er lächelnd fort, als er seines Schülers entsetzte Miene sah, wenn du etwa geglaubt hast, mit appetitlichem weißem Weiberfleisch deine Lehrzeit zu beginnen, so hast du dich sehr getäuscht. Indessen, da du auf diesem Gebiet schon hinlängliche Vorstudien gemacht hast –

Er stockte plötzlich. Auf dem Flure draußen hörte man eine wohlklingende weibliche Stimme die Worte sagen:

Komme ich hier nach dem Atelier von Fräulein Minna Engelken?

Bitte sich nur gefälligst eine Treppe höher zu bemühen, antwortete der heisere Baß des Hausmeisters. Die Thüre rechts, – der Name steht auf dem Schilde, – das Fräulein sind schon seit zwei Stunden anwesend.

Ich danke.

Jansen war bei dem ersten Ton der Stimme nach der Thür geeilt; er öffnete sie jetzt ein wenig und spähte hinaus. Dann kam er zu Felix zurück, das Gesicht von einem leichten Roth überflogen, und ging schweigend an seine Arbeit.

Wer war die Dame? fragte Felix ohne besondere Neugier.

Die Fremde von gestern. Seltsam: wie ich diese unbekannte Stimme hörte, stand mir plötzlich das Gesicht wieder vor Augen.

Felix schwieg. Er war an seinen Modellirstuhl getreten, hatte eine tüchtige Thonkugel in der Größe des Schädels zu bearbeiten begonnen und schien ganz in seine Aufgabe vertieft.

Kaum aber hatten sie eine Viertelstunde lang so schweigsam neben einander fortgearbeitet, als es leise an der großen Thür klopfte und Rosenbusch mit einer aufgeregt lustigen und pfiffigen Miene hereintrat.

Er nickte den Freunden zu, trat dicht an sie heran und sagte mit geheimnißvoller Wichtigkeit: Wißt ihr, wer oben ist? Die Dame aus der Pinakothek! Angelica malt sie – sie hat es durchgesetzt – ein fabelhaft resolutes Frauenzimmer! Und verschwiegen wie der Teufel. Stellt euch vor, ich finde sie heute früh ihr Atelier aufräumend, wie wenn die Königin ihren Besuch hätte ansagen lassen. Es sieht ja ohnedies schon immer verdammt elegant und niedlich bei ihr aus, Blumen, wo man hintritt, und ein treibhäuslicher Parfüm, daß einem übel und weh davon wird. Nun heute erst – die reine Putzstube! Was Teufel, Angelica, sag' ich, ist heute Ihr Geburtstag, oder wollen Sie sich verloben, oder malen Sie eine russische Fürstin? – Denn die gestrige Geschichte hatt' ich längst vergessen. Sie aber, indem sie noch das alte gelbseidene Kissen auf dem Lehnstuhl umkehrt, auf die Seite, wo es weniger Flecken hat, sie sieht mich kaum an und sagt: Machen Sie, daß Sie an die Arbeit kommen, Herr von Röschen – so nennt sie mich immer, wenn sie ungnädig ist – für Sie bin ich heute nicht zu Hause. – Auf diese Weise warf sie mich ohne Weiteres moralisch zur Thür hinaus, und ich gestehe, ich mag das wohl an ihr leiden; Energie, Unverfrorenheit, der Muth seiner Meinung sind immer hübsch, selbst bei einem Frauenzimmer. Also zieh' ich ab und wundere mich, und hatte schon eben die Farben aufgesetzt, da kommt was die Treppe herauf – richtig zu Angelica, und da die Wand zwischen uns nicht sehr dick ist, und sie sich zuerst keinen Zwang anthaten, kriege ich die ganze Heimlichkeit 'raus: daß es unsere Schönheit von gestern ist, daß sie gemalt wird und mit dem Vornamen Julie heißt. Und nun frage ich euch, Freunde und Kunstgenossen, sind wir Männer oder feige Memmen? Sollen wir's uns gefallen lassen, daß dieses Teufelsmädel uns einen solchen Fang vor der Nase wegfischt, daß unter unserm eignen Dache ein solcher Ausbund von Schönheit uns vorenthalten wird? Oder sollen wir wie ein Mann hinaufstürmen und im Namen der Kunst die Thür dieser mißgünstigen Collegin belagern, bis sie mit Güte oder Gewalt sich uns aufthut?

Ich würde dir rathen, Rosenbusch, ganz sacht wieder hinaufzugehen und deine Kampflust an der Schlacht bei Lützen auszulassen, versetzte Jansen ohne eine Miene zu verziehen. Wenn aber die Aufregung dich nicht arbeiten läßt, so bringe der Dame deine Huldigung durch die Wand auf der Flöte dar. Vielleicht wird man dich einladen, herumzukommen und einige deiner Verse zu declamiren.

Schnöder Spötter! rief der Schlachtenmaler. Ich dachte Euch einen Dienst zu leisten durch diese Botschaft. Aber Ihr klebt an der Scholle und seid keines freien Aufschwungs fähig. Behüt' Euch Gott! Ich sehe, daß ich hier nicht verstanden werde.

Er rannte aus der Thür, und bald darauf hörten sie wirklich oben die Flöte sich in den schmelzendsten Passagen ergehen.

Diese Sprache schien aber nebenan nicht verstanden zu werden. Angelica's Thür blieb fest verschlossen, und als sie sich nach ein paar Stunden öffnete, kamen leichte Tritte die Stufen herab, und die Horchenden unten mußten daraus schließen, daß die Sitzung vorüber sei.

Indessen war die Mittagszeit herangekommen, die Gehülfen nebenan hatten die Arbeit eingestellt und das Atelier verlassen. Auch Jansen, obwohl er sonst vor zwei Uhr selten eine Pause machte, legte jetzt das Modellirholz nieder. Komm, sagte er; du mußt nun doch auch deine Antrittsvisite bei unsern Hausgenossen machen.

Sie stiegen die Treppe hinauf und traten zuerst bei Rosenbusch ein. Dieser, da man von seinem Flötenspiel keine Notiz genommen, hatte sich wieder an seine Staffelei gesetzt und eifrig seinen Aerger zu vermalen gesucht. Es sah abenteuerlich genug bei ihm aus; fast wie in einer Rüstkammer starrten die Wände von alten Waffen, Hellebarden, Musketen und Schwertern, dazwischen riesenhafte Stiefel mit Radsporen, Lederkoller, Sättel und seltsame Steigbügel. Eine kolossale alte Pauke stand auf einem verfallenen Gestell vor einem wurmstichigen Lehnstuhl und diente als Tisch, um allerlei Kleinkram aus der Hand zu legen. Vor dem Fenster blühten Cactuspflanzen mit großen rothen Dolden, und in einem zierlichen Drahtkäfig dazwischen liefen zwei weiße Mäuse rastlos hin und her, pfiffen und sahen mit ihren rothen Aeugelchen scheu die neuen Gesichter an.

Die Schlacht bei Lützen stand auf der Staffelei; es war eine ganz wackere Arbeit, die Felix mit bestem Gewissen loben konnte. Besonders die Pferde tummelten sich voll Leben und Frische, und der junge Freiherr wollte es kaum glauben, als der Maler gestand, daß er selbst nie in seinem Leben ein Pferd bestiegen habe. Nachdem sie eine Weile darüber hin und her gescherzt und Rosenbusch der Romantik eine eifrige Schutzrede gehalten hatte, warf er den alten, viel geflickten schwedischen Waffenrock ab, in welchem er immer malte, um, wie er sagte, die rechte historische Inspiration zu haben, und bekleidete sich trotz der Hitze mit einem veilchenfarbenen Sammetrock, da er die Freunde bei ihrem Besuch nebenan begleiten wollte.

Ein freundliches »Herein!« erklang, als sie an Angelica's Thür klopften. Rosenbusch hatte nicht zu viel gesagt: das Atelier glich in der That einem festlich aufgeputzten Treibhause, dem die Zeichnungen, Studienköpfe und angefangenen Blumenstücke nur als Decoration dienten. Die Malerin hatte sich eigens in der Ostwand ein Fenster ausbrechen lassen, um – so oft sie nicht zur Arbeit das reine Nordlicht brauchte – ihren Pflanzen, die sie mit wissenschaftlicher Kenntniß pflegte, Sonne zu gönnen. Dieselben waren dankbar dafür und rankten und wucherten so üppig durcheinander, daß die schlanken Stämme der Palmen und Ficus fast schon bis an die Decke reichten.

Angelica stand mit von der Arbeit glühenden Wangen, einen alten Strohhut schief aufgesetzt, in einer uralten Maljacke vor der Staffelei und war so hitzig mit dem »Stimmen« des Hintergrundes beschäftigt, daß sie den eintretenden Freunden nur zunickte, ohne sich in der Arbeit stören zu lassen.

Sie ist fort! rief sie ihnen entgegen. Ich hätte euch sonst mit dem besten Willen nicht hereinlassen dürfen. Kinder, ihr habt keine Vorstellung, was das für eine entzückende Person ist! Wenn ich ein Mann wäre, die müßte ich heirathen, oder ich schösse mir eine Kugel vor den Kopf!

Sie ergehn sich wieder einmal in gewagten Behauptungen, warf Rosenbusch hin, indem er sich ein wenig auf den Zehen hob und den dichten Bart strich. Lassen Sie doch einmal sehen, ob es denn gar so gefährlich ist.

Angelica trat von der Staffelei zurück.

Meine Herren, sagte sie, ich hoffe, Sie werden mich loben. Entweder verstehe ich vom Malen so viel wie eine gebratene Gans, oder dies wird mein bestes Bild und endlich einmal ein wirkliches Kunstwerk. Aber seht auch nur diese Formen! Alles groß, einfach, nobel, wie gar nicht unter unserm heimathlichen Himmel gewachsen, sondern

Gereift auf einer schönern Flur,
In einem wärmern Sonnenlichte. –

Ich habe das Bild erst alla prima malen wollen. Aber noch zur rechten Zeit ist mir eingefallen, daß ich sehr dumm daran thäte. Je länger ich das himmlische Gesicht studiren kann, je glücklicher bin ich ja. Sehen Sie nur diesen Wuchs, Jansen. Ist Ihnen dergleichen schon oft vorgekommen?

Die Dame hat Stil, bemerkte Rosenbusch mit möglichst kühler Miene. Uebrigens die Jüngste scheint sie nicht mehr zu sein, oder Ihre Untermalung giebt ihr zehn Jahre zu viel.

Sie sind ein seltsamer Sterblicher, Herr von Röschen, versetzte die Künstlerin gereizt. In der Kunst schwärmen Sie sonst nur für altes Leder, aber im Leben ist Ihnen kein Backfischteint rosenknospenhaft und atlassen genug. Meine Schönheit hier hat mir freilich selbst gesagt, daß sie bereits – aber ich werde kein Narr sein und ein solches Mädchengeheimniß den Herren auf die Nase binden. Dafür aber stehe ich Ihnen: noch in zwanzig Jahren, wenn gewisse kleine zopfige Puppenköpfe längst verblüht und verhutzelt sind, sieht Die da noch so aus, daß die Leute auf der Straße stehen bleiben, um ihr nachzuschauen.

Und darf man fragen, was für ein Landeskind sie ist? sagte Felix.

Warum nicht? Sie macht kein Hehl daraus, daß sie eine Sächsin ist – obgleich man es ihr an der Sprache nie anhören würde, noch daß sie Julie S. heißt und vor Jahr und Tag ihre alte Mutter verloren hat, also nun ganz mutterseelenallein in der Welt steht. Uebrigens haben wir nicht etwa Familienklatsch gehalten, sondern die tiefsinnigsten Kunstgespräche geführt. Sie hat mehr Verständniß, kann ich Ihnen sagen, als mancher unserer Herren Collegen. Und nun müssen Sie mich entschuldigen, meine Herren, wenn ich mich nicht stören lasse, sondern heute noch den Hintergrund fertig mache, ehe die Farben eintrocknen.

Jansen hatte bisher keine Silbe gesprochen. Jetzt trat er an Angelica heran, reichte ihr die Hand und sagte: Wenn Sie sich's nicht noch verderben, liebe Freundin, so werden Sie da etwas zu Stande bringen, was Ihnen alle Ehre macht. Adieu!

Er wandte sich kurz ab und schritt ernsthaft vor sich hin blickend aus dem Atelier.


 << zurück weiter >>