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Es war spät, als Jansen kam. Er hatte den Abend wie gewöhnlich bei Julien zugebracht und dann Angelica nach Hause begleitet, die sich jedesmal von Neuem darüber beklagte, daß sie gezwungen werde, zwei Liebesleuten Zwang anzuthun. Julie aber bestand darauf, während dieses Probejahrs von ihr »bemuttert« zu werden, und so ergab sie sich darein und wußte sich so klug zu betragen, daß gerade ihre Gegenwart diesen glücklichen Stunden einen eigenen Reiz gedämpfter Leidenschaftlichkeit gab. Der Nachglanz davon lag noch auf Jansen's Gesicht, als er in den Salon eintrat. Es entstand eine plötzliche Stille; Alle sahen auf ihn, der Niemand so recht zu sehen schien, außer der Hausfrau, die er mit einem Händedruck begrüßte. Sie empfing ihn mit ausgesuchter Liebenswürdigkeit, nahm ihn sofort für sich allein in Beschlag und strafte ihn für seine Verspätung nur mit einer Anspielung auf ältere und bessere Rechte, denen sie natürlich nachstehen müsse.
Läugnen Sie es nur nicht, sagte sie lächelnd: es hat Sie einen heroischen Entschluß gekostet, sich überhaupt loszureißen. Freilich pflegt es einem Manne nicht im Geringsten schwer zu werden, eine Frau zu verlassen, um zu einer anderen zu gehen; wenn er aber eine Schönheit im Stich lassen muß, um einer alten Frau ein bischen den Hof zu machen, kann man ihm das Opfer nicht hoch genug anrechnen.
Sie irren, Gräfin, erwiederte er heiter. Nicht von Einer habe ich mich losreißen müssen, sondern von Zweien, zwei ältlichen Mädchen, wie sie selbst sich zu nennen pflegen, mit eben so wenig Recht und eben so wenig im Ernst, wie Sie, gnädige Gräfin, sich zu den alten Frauen rechnen. Aber wenn es mich auch wirklich ein Opfer gekostet hätte, Sie hätten es um mich verdient. Ich weiß, wie undankbar ich mich im vorigen Jahre gegen Sie benommen habe. Und Sie haben mir's nicht nachgetragen.
Es giebt leider Menschen, denen man nichts übel nehmen kann. Ils le savent, et ils en abusent. Aber was ist das? –
Sie hielt plötzlich inne. Ihr scharfes Auge hatte bemerkt, daß drüben am andern Ende des Salons einer der jungen Damen unwohl geworden war und die älteren sich um sie bemühten. Sie war im Nu an ihrer Seite und ordnete leise und sicher das Nöthige an. Das ohnmächtige Mädchen wurde ins Schlafzimmer getragen und kam dort bald wieder zu sich. Als die Gräfin zurückkehrte, sagte sie im Vorbeigehen zu Jansen: Das arme Kind! Neun Stunden täglich üben und dabei nichts zu essen. Was giebt es für Existenzen! – Dann zu den Uebrigen: Es geht dem Fräulein schon besser. Nur die übermäßige Hitze war Schuld daran. Vielleicht, wenn wir die Gasflammen ein Weilchen auslöschten, würde die Temperatur erträglicher werde«.
Einige junge Leute beeilten sich, diesen Wink zu vollziehen. Als der Lüster ausgelöscht war, gaben nur die Lichter am Flügel und eine Lampe auf dem Kaminsims ein gedämpftes Licht, so daß der klare Nachthimmel mit Mond und Sternen zu den weit offenen Fenstern hereinschimmern konnte. In diesem Zwielicht schien es Allen erst recht heimlich und wohl zu werden. Eine junge Person, die man bisher vergebens bestürmt hatte zu singen, fand jetzt den Muth dazu, und ihr sanfter, seelenvoller Alt klang ergreifend durch die lautlose Stille. Jansen hatte sich im Nebenzimmer in eine Sophaecke gesetzt; es that ihm wohl, hier in der Dämmerung mit halbgeschlossenen Augen das Schattenspiel an sich vorüberhuschen zu lassen, die weichen Töne in sich einzusaugen und dabei an sein Glück zu denken. Er sprach mit Niemand. Rosenbusch hatte sich ihm gleich Anfangs genähert, da er aber nur einsilbige Antworten erhielt, sich wieder zurückgezogen. Felix war ohne Abschied verschwunden; er ertrug es nicht länger, seiner Stimmung Gewalt anthun zu müssen. Nun wurde es im Salon immer lebhafter, phantastisch-aufgeregter und lustiger. An den Vortrag eines vollständigen Musikstücks dachte Niemand mehr. Das Instrument diente nur noch dazu, bei dem bunten Gespräch diese oder jene Behauptung zu illustriren; hier wurden ein paar Accorde angeschlagen, dort trällerte eine heisere Componistenstimme eine Melodie, um irgend einen Satz zu erläutern; die Jüngeren hatten sich in kleine Gruppen abgesondert und schienen auch wohl andere als Kunstgespräche zu führen. Dazwischen hörte man von Zeit zu Zeit die hohe, dünne Stimme des Professors, der sich immer neue Opfer für seine Beredsamkeit suchte und bald Diesen bald Jenen am Frackknopf festhielt. Diese geistige Anstrengung erschöpfte ihn um so weniger, als er von den Erfrischungen, die herumgereicht wurden, eine unglaubliche Menge zu sich nahm. Nachdem er einen ganzen Korb mit Theekuchen geleert hatte, hielt er sich beharrlich an das Eis, und zuletzt, da gegen Mitternacht Champagner gebracht wurde, nahm er dem Kellner sofort eine volle Flasche aus der Hand und stellte sie neben sein Glas auf das Pfeilertischchen. Dabei streifte ihn ein kalter, fast geringschätziger Blick der Gräfin, und ihre Lippen rümpften sich ein wenig. Dieser Ausdruck verschönerte ihr Gesicht seltsam. Auch gab ihr das Halblicht, das jetzt im Gemach herrschte, einen geheimnißvollen Reiz; sie sah um Vieles jünger aus, und ihre Augen warfen Funken, die wohl noch zu zünden vermochten. Stephanopulos verschlang sie mit seinen Blicken und suchte beständig einen Anlaß, sich ihr zu nähern. Sie aber ging immer an ihm vorbei, ohne ihn zu beachten; und auch zu Jansen setzte sie sich nicht wieder. Es war deutlich zu erkennen, daß ein Gedanke sie beschäftigte und von den Gegenwärtigen abzog.
Als es Mitternacht schlug, verstummten zufällig alle Gespräche einen Augenblick. Der Aesthetiker trat mit dem gefüllten Glase in die Mitte des Saales und sagte:
Meine Damen und Herren, erlauben Sie mir, ein Hoch auszubringen auf die erlauchte Herrin, in deren Namen wir hier versammelt sind. Ich meine damit nicht die huldvolle und von uns Allen innig verehrte Frau, deren Gäste wir sind. Ich habe sie zu oft gefeiert, um dies Vorrecht eines alten Hausfreundes nicht auch einmal Jüngeren abzutreten. Mein Hoch gilt einer noch Höheren: der erhabenen Tonkunst, der Kunst aller Künste, deren Oberherrschaft mehr und mehr von ihren Schwestern anerkannt und neidlos gefeiert wird. Sie, die gewaltigste von allen Mächten, welche die Welt bewegen, die dreimal herrliche und heilige Musik – sie lebe, blühe und herrsche bis ans Ende der Tage!
Ein begeisterter Lärm folgte auf diese Worte, und das Klingen der Gläser und der Zuruf der verschiedenen Stimmen wurden noch übertönt durch einen stürmischen Tusch, den ein junger Virtuos auf dem Flügel improvisirte. Der Professor, der sein Glas auf Einen Zug geleert und sofort wieder gefüllt hatte, trat jetzt mit befriedigtem Lächeln in das Cabinet, wo Jansen saß, das halbvolle Glas, an dem er kaum genippt hatte, gedankenvoll in der Hand haltend, als ob er die aufsteigenden Perlen darin zu zählen hätte.
Mein werther Meister, hörte er neben sich sagen, wir haben noch nicht mit einander angestoßen.
Er sah ruhig zu dem Sprechenden auf.
Liegt Ihnen sehr viel daran, Herr Professor, Ihren Antrag gerade mit Einstimmigkeit durchzubringen?
Meinen Antrag?
Ich meine, Ihre Erhöhung der Musik über alle anderen Künste. Wenn es nur eine höfliche Phrase war, auf den Beifall der Musiker und Musikfreunde berechnet, die hier in der Mehrzahl sind, so habe ich nichts dagegen. Es ist ja immer zweckmäßig, mit den Wölfen zu heulen. Falls Sie aber Ihre wirkliche Meinung vorgebracht haben und mich nun unter vier Augen aufs Gewissen fragen, ob ich sie theile, – so erlauben Sie mir, mein Glas stillschweigend zurückzuziehen und, wenn ich es austrinke, mir das Meinige dabei zu denken.
Thun Sie was Sie nicht lassen können, Carissimo! erwiederte der Professor mit überlegenem Kopfnicken. Ich weiß ja, daß Sie andere Götter verehren, und schätze Sie nur um so mehr, weil Sie den wahren Künstlermuth besitzen, einseitig zu sein. Auf Ihr Wohl!
Jansen hielt sein Glas unbeweglich fest und schien durchaus nicht geneigt, es dem Glase des Professors zu nähern.
Es thut mir herzlich leid, in Ihrer Werthschätzung verlieren zu müssen, sagte er; aber ich bin in der That nicht ganz so einseitig, wie Sie glauben. Ich liebe nicht bloß die Musik, sie ist mir sogar ein Lebensbedürfniß, und wenn ich sie längere Zeit entbehre, ist meiner armen Seele so wenig wohl dabei, wie meinem Körper, wenn der sich einmal eine Zeitlang ohne Bad behelfen muß.
Ein sonderbarer Vergleich!
Und doch vielleicht zutreffender, als es auf den ersten Blick scheinen mag. Nicht wahr, auch ein Bad regt an und auf, es beruhigt oder belebt das Blut, es spült den Staub des Werkeltags von den Gliedern und beschwichtigt allerlei Schmerzen. Aber es stillt weder Hunger noch Durst, und wer zu häufig badet, fühlt seine Nervenkraft erschlaffen, sein Blut überreizt, seine Organe in eine wollüstige Dumpfheit herabgestimmt. Ist es nun nicht ähnlich so mit der Musik? Vielleicht hat man es nur ihr zu danken, wenn die Menschen ihre Bestialität nach und nach verloren haben und gottähnlicher geworden find. Das aber steht nicht minder fest, daß Menschen, die nun diesen Genuß übertreiben, nach und nach in ein pflanzenhaftes Traumleben versinken, daß zu einer Zeit, wo man dahin käme, die Musik wirklich als die höchste Kunst zu feiern, die höchsten Aufgaben der Menschheit nicht gelös't und das Mark der Männer siech und elend werden würde.
Ich weiß wohl, fuhr er fort, ohne zu bemerken, daß man im Salon nebenan auf das Gespräch aufmerksam geworden war und Gruppen von Zuhörenden sich der Schwelle näherten, – ich weiß, dies sind Ketzereien, die man in gewissen Kreisen nicht vorbringen darf, ohne ein bischen gesteinigt zu werden. Auch möchte ich mit einem Musiker nicht darüber streiten, da er kaum begreifen würde, was ich eigentlich meine. Das »in Tönen denken«, was diese Kunst mit sich bringt, lös't mit der Zeit alles Feste im Gehirn in eine weiche Masse auf, und nur die großen, wahrhaft schöpferischen Talente bewahren sich die Fähigkeit und Neigung für andere geistige Interessen. Daß die höchsten Meister in einer jeden Kunst einander ebenbürtig sind, brauch' ich nicht erst zu versichern. Auf die Uebrigen aber paßt wahrhaftig das Wort, das Jemand von den lyrischen Poeten gesagt hat: sie sind wie Gänse, die auf die Leber gemästet sind; treffliche Lebern, aber kranke Gänse. Wie soll auch das Gleichgewicht der Geisteskräfte erhalten bleiben, wenn Jemand nenn Stunden des Tags vor einem Instrument sitzt und beständig dieselben Passagen exercirt? Aber freilich, eine solche Aufopferung ist nur möglich bei einem falschen Begriff vom Werth der Sache. Und darum würde ich mich hüten, einen Musiker in seinem Fanatismus irre machen zu wollen. Ihnen aber, der Sie Aesthetiker von Profession sind –
Er ließ zufällig seinen Blick nach der Thür schweifen und stockte plötzlich. Jetzt erst merkte er, vor welchen Zuhörern er geredet hatte.
Der Professor sah seine Ueberraschung und schmunzelte boshaft.
Sie reden sich um den Hals, mein Werthester, sagte er, die Stimme erhebend. Sie könnten eben so gut in einer Moschee behaupten, daß Allah nicht Allah und Mahomet nicht sein Prophet sei, wie unter dieser begeisterten Jugend, daß es etwas Göttlicheres gebe, als die Musik, und daß jemals die Hingebung an sie, ihr Dienst, ihr Cultus zu weit getrieben werden könne. Verschanzen Sie sich hinter Ihre Marmorblöcke, damit wir auf billige Bedingungen Frieden schließen können. Was würden Sie sagen, wenn Jemand behauptete, wer neun Stunden des Tags den Meißel führe, dem müsse mit der Zeit Hören und Sehen vergehen, dessen geistige Kraft werde zuletzt erstarren und versteinern, und seine Seele so staubig und schmutzig werden, wie die Blouse, in der er seine Steine klopft?
Ein einzelnes Bravo wurde aus der Gruppe der zunächst Stehenden laut, – ein Gemurmel der Befriedigung lief durch den Saal.
Man sah die Gräfin, die jetzt erst auf das Zwiegespräch aufmerksam geworden war, lebhaft herantreten, in der Absicht, mit einem einlenkenden Wort die drohende Spannung zu lösen. Aber Jansen hatte sich schon erhoben und stand dem Professor mit der unbefangensten Ruhe gegenüber.
Was ich sagen würde? rief er, laut genug, um von Allen verstanden zu werden. Ich würde sagen, daß es in jeder Kunst Künstler und Handwerker giebt, und daß die Letzteren so wenig von dem Gotte wissen, dem sie dienen, wie der Küster, der die Kirche ausfegt und mit dem Klingelbeutel herumgeht. Nur Eine Kunst von allen kennt den Staub der Werkstatt nicht, hat keine Handlanger und Gehülfen, höchstens Pfuscher, die sich Meister dünken; aber selbst diese wissen nichts von bloßen seelenmordenden und sinnelähmenden Fingerfertigkeiten, und darum ist sie die höchste und göttlichste, der die andern sich neigen, die sie als ihre Herrin und Meisterin verehren sollen. Ihnen, der Sie Vorlesungen über Aesthetik zu halten pflegen, würde ich mich schämen noch ausdrücklich zu sagen, daß ich hier von der Poesie rede, wenn Sie nicht in Ihrem Trinkspruch eine Majestätsbeleidigung gegen diese höchste Muse begangen hätten, die ich nur damit entschuldigen kann, daß Sie sich aus dem Tempel der wahren Gottheit – in eine Moschee verirrt haben.
Er erhob bei diesen Worten sein Glas, hielt es gegen die Flamme der Lampe und trank es langsam aus. Es war todtenstill geworden; der Professor, der etwas gereizt erwiedern zu wollen schien, wurde durch einen bedeutungsvollen Wink der Gräfin zurückgehalten. Sie selbst hatte mit einem eigenthümlich durchdringenden, leuchtenden Blick den Bildhauer, während er sprach, betrachtet und drohte ihm nur leicht mit dem Finger, als er jetzt auf sie zutrat, wie wenn er sich von ihr verabschieden wollte.
Sie bleiben! flüsterte sie ihm zu. Ich habe noch ein Wort mit Ihnen zu reden.
Dann wandte sie sich zu den Andern und lud sie ein, sich wieder zu setzen und nicht schon an den Aufbruch zu denken. Aber ihre freundlichsten Worte und Mienen konnten eine gewisse Verstimmung nicht bannen, die sich der Gesellschaft bemächtigt hatte. Niemand war mehr an den Flügel zu bringen; ein Hofmusiker, der noch eine Violinsonate in petto gehabt, schloß mit absichtlichem Geräusch seinen Geigenkasten und empfahl sich bei der Gräfin, Jansen mit einem vielsagenden Blicke streifend, die Andern folgten seinem Beispiel, und zuletzt trat auch der Professor, der seine Niederlage am leichtesten nahm, mit einigen scherzhaften Redensarten gegen seinen Widersacher den Rückzug an. Rosenbusch, der sonst wohl auf Jansen gewartet hätte, hatte dem jungen Fräulein, das vorhin in Ohnmacht gefallen war, seine Ritterdienste angeboten, um sie nach Hause zu bringen.
Der Künstler und die Gräfin standen jetzt in dem dämmerhaft erhellten Gemach einander allein gegenüber. Von der Straße herauf hörte man die Fortgehenden lachen, plaudern und singen.
Ich bitt' um gnädige Straf', meine gnädige Gräfin! fing Jansen lächelnd an. Sie haben mich doch nur zurückbehalten, um mir die Buße ohne Zeugen aufzuerlegen. Ich danke Ihnen für diese freundliche Rücksicht, – obwohl ich, ehrlich gestanden, wenn es einmal den Kopf kosten soll, mehr für Oeffentlichkeit der Hinrichtungen bin.
Sie sind ein sehr, sehr böser Mensch, versetzte sie, vor sich hin nickend, wie wenn es ihr tiefer Ernst mit dieser Aeußerung wäre. Sie fürchten weder Gott noch die Menschen, am wenigsten, was Manchem das Furchtbarste scheint, den Zorn einer Frau. Und darum wird es mir nicht gelingen, Sie für Ihre Sünden zu bestrafen, wie Sie es verdient hätten.
Nein, sagte er, ich unterwerfe mich freiwillig jeder Buße, die Sie mir auferlegen. Wenn ich dadurch nur von meinem alten Fehler befreit werden könnte, laut zu denken, ohne mich erst umzusehen, wer etwa zuhört.
Sie ging mit übereinandergelegten Armen im Zimmer auf und ab und sah nachdenklich vor sich hin.
Wozu uns verstellen? sagte sie nach einer Pause. Der gedankenlose Haufe ist es nicht werth, die paar Klugen täuschen wir doch nicht. Lassen wir die Masken fallen, lieber Freund! Ich denke genau wie Sie, nur empfinde ich es vielleicht noch schärfer, weil ich eine Frau bin. Auch mir ist Musik nur ein Bad. Aber ich genieße sie leidenschaftlicher, weil eine Frau, die so viel mehr eingeschnürt ist, als ihr Männer, dankbarer ist für jeden Anlaß, alle Fesseln und Bande abzustreifen und ihre nackte Seele in ein großes, aufgeregtes und aufregendes Element unterzutauchen. Ein solches ist mir die Musik, natürlich nicht jede, nicht die flache, die nur angenehm rauscht und murmelt, mir aber kaum an die Kniee spült, sondern die unergründliche, deren Wellen mir über dem Haupt zusammenschlagen. So ist mir Sebastian Bach wie das uferlose Meer –
»und süß ist mir's in diesem Meer zu scheitern.«
Reden wir doch nicht von den armseligen kleinen Leuten, den Stümpern und Handlangern! Aber bei euch Großen – nun, Sie haben es ja selbst zugegeben – macht denn da der Stoff einen so großen Unterschied? Wenn Sie ein Werk des Phidias sehen, versinkt da nicht auch Ihr ganzes Wesen wie in einem himmlisch kühlen Bade? Und darauf kommt es doch überhaupt an. Die einzigen Momente im Leben, die uns im Innersten befriedigen, sind doch nur die, wo wir fast zu vergehen meinen. Kunstgenuß, Begeisterung, eine große That, ein leidenschaftliches Liebesglück – in der Hauptsache läuft Alles auf dasselbe hinaus. Oder sind Sie nicht meiner Meinung, lieber Freund?
Er gab ihr durch eine Geberde Recht, obwohl er nur einzelne Worte gehört hatte. Diese Frau interessirte ihn so wenig, daß seine Gedanken neben ihr heimlich hinwegschweiften zu Der, die sein Herz ausfüllte.
Sie nahm sein Schweigen für ein Zeichen, daß sie einen großen Eindruck auf ihn gemacht habe.
Sehen Sie, fuhr sie fort, es ist mir wie eine Befreiung, Ihnen das sagen zu können. Man findet so selten Verstehende, vor denen man keine Geheimnisse zu haben braucht. Das ist ja das Vorrecht aller souveränen Naturen, sich selbst Alles eingestehen zu dürfen, das Höchste wie das Niedrigste; denn selbst, wo wir uns zu unseren Schwächen bekennen, adelt uns wieder die Kühnheit und Freiheit, mit der wir es thun. O lieber Freund, wenn Sie wüßten, wie mühsam eine Frau sich die Freiheit erringen muß, die euch Männern angeboren wird! Wie lange wir uns mit falscher Scham und tausend Rücksichten unser bestes Leben verderben! Erst seitdem ich es als eine sittliche Pflicht gegen meine eigne Natur erkannt habe, mir Alles anzueignen, was ich mir verwandt fühle, Alles zu wagen, was nicht über meine Kräfte geht, Alles zu sagen, wofür ich einen intimen Hörer finde, – erst seitdem kann ich mir nachsagen, daß ich mich achten gelernt habe.
Aber ich vergesse: diese Bekenntnisse, so viel Verständniß Sie auch dafür haben mögen, brauchen Ihnen darum nicht interessant zu sein. Ich bin schwerlich die Erste, die Ihnen ähnliche Confidencen macht. Die Welt, in der Sie leben, ist es gewohnt, Schleier und Hüllen fallen zu sehen, mit denen man sich in der prüden Gesellschaft der Durchschnittsmenschen ängstlich drapirt. Auch würde ich Sie vielleicht nicht bei mir zurückgehalten haben, um Ihnen von solchen Gefühlen und Gesinnungen vorzuplaudern – wenn ich nicht noch etwas ganz Bestimmtes auf dem Herzen hätte, eine große, große Bitte – –
Sie hatte sich auf ein Sopha niedergelassen und ruhte in einer nachlässig malerischen Stellung, die Arme leicht über dem Kopf zusammengebogen. Ihr Gesicht war marmorbleich, und ihr Mund athmete halbgeöffnet, doch ohne Lächeln.
Eine Bitte? wiederholte er zerstreut. Sie wissen, gnädige Frau, daß ich auf eine Buße gefaßt war. Wie viel eher –
Wer weiß, ob Ihnen die Erfüllung dieser Bitte nicht eine Buße scheinen wird, und keine der leichtesten! unterbrach sie ihn rasch. Mit einem Worte: wollen Sie meine Statuette machen?
Ihre Statuette?
Ja! – ein Bild von mir, in ganzer Figur, sitzend, stehend, liegend – wie sie wollen. Ich gestehe Ihnen, daß mir der Gedanke erst heute früh gekommen ist – das reizende Porträt Ihrer schönen Freundin will mir nicht mehr aus dem Kopf – und wenn ich auch nicht so eitel bin, mich mit dieser Unbekannten vergleichen zu wollen – zumal in Ihren Augen –: ich habe etwas Bestimmtes damit vor, ich kenne einen thörichten Menschen, der mich noch immer jung und hübsch genug findet, um mein Bild, zumal von einem solchen Meister, besitzen zu wollen, – ein Freund, von dem ich oft und lange getrennt bin und den ich sehr glücklich machen würde, wenn ich ihm mein Conterfey zum Ersatz schickte.
Jansen hatte während dieser lebhaften Rede die Augen auf ihr ruhen lassen ohne irgend ein Zeichen, ob er geneigt oder abgeneigt wäre, auf ihre Bitte einzugehen. Sie erröthete unter diesem gleichmüthig prüfenden Blick und senkte den ihrigen. Er fängt schon an, mich zu studiren! dachte sie.
Sie müssen aber auch nicht glauben, fuhr sie fort, daß ich allzu bescheiden im Bitten sei. Der, für den dies kleine Meisterwerk bestimmt ist, würde zwar bereit sein, jede noch so flüchtige Skizze von Ihrer Hand mit Gold aufzuwiegen. Wenn es sich aber dabei um meine Person handelt, ist er so eigensinnig und nimmt es so genau, wie – nun wie eben Jeder, der das Original eines Bildes genau kennt. Irgend eine ideale Gestalt, deren Kopf meine Züge hätte, würde nicht den Eindruck auf ihn machen, auf den es mir ankommt. Es handelte sich um eine möglichst getreue Nachbildung – mit allen Fehlern und Mängeln, die das Urbild an sich tragen mag, nur so weit idealisirt, wie nöthig ist bei jedem Porträt, um es zu einem Kunstwerk zu machen. Ich brauche nicht erst zu sagen, lieber Freund, welch unbegrenztes Vertrauen ich Ihnen durch diese Zumuthung beweise. Ich weiß, daß man einem Bildhauer anders Modell sitzt, als einem Maler. Aber wer den Zweck will, darf die Mittel nicht scheuen. Ich gebe Ihnen unbeschränkte Vollmacht, Ihre Studien so umfassend zu machen wie Sie es für nothwendig finden, um wirklich diese ganze Person, die Ihnen hier gegenübersitzt, zu verewigen, nicht ein Geschöpf Ihrer Phantasie. Aber es scheint, als ob die Aufgabe Sie nicht eben reizte. Sagen Sie es offen, wir werden darum doch gute Freunde bleiben.
Meine gnädige Gräfin, sing er an, zum ersten Mal an diesem Abend in einiger Verwirrung – Sie sind in der That zu gütig –
Nein! Sie wollen mir ausweichen; läugnen Sie es nicht. Und vielleicht weiß ich auch den Grund, der Sie meinem Wunsch abgeneigt macht. Sie haben zarte Verpflichtungen, die Sie schonen müssen. Wenn Ihre Freundin erführe, daß Sie mir dieselbe Gunst erweisen, wie ihr – ich kenne sie nicht, aber möglich wäre es immerhin, und gewiß verzeihlich, wenn sie ein wenig eifersüchtig würde. Hab' ich nicht Recht? Ist es nicht das, was Sie zaudern macht?
Er blieb eine Weile stumm. Dann, immer noch halb abwesenden Geistes und wie für sich selbst sprechend, sagte er ruhig:
Eifersüchtig? Dazu hätte sie wahrlich keine Ursache.
Das unglückliche Wort war kaum von seinen Lippen, als es ihn heiß und kalt überlief und er plötzlich inne wurde, welch eine tödtliche Beleidigung er damit gesagt hatte. Erschrocken blickte er sie an; er sah, daß alles Roth von ihren Wangen gewichen war und eine fahle Blässe selbst ihren Mund entfärbt hatte. Gleich darauf aber, noch eh' er Fassung gewinnen konnte, um den Eindruck seiner Worte irgendwie zu mildern, zwang sie sich zu einem munteren Lachen, stand rasch vom Sopha auf und trat auf ihn zu, ihm beide Hände entgegenstreckend.
Ich danke Ihnen, mein Freund! sagte sie mit ihrem leichtesten Ton. Sie sind nicht allzu galant, aber etwas Besseres und Seltneres: ein aufrichtiger Freund. Sie haben vollkommen Recht: wenn man nicht im Stande ist, das ganze weibliche Geschlecht vor Neid und Eifersucht rasend zu machen, wie Ihre schöne Unbekannte, ist man kein würdiger Gegenstand mehr für Ihre Kunst. Ich sollte eigentlich alt genug sein, um das selbst einzusehen. Aber, wie gesagt, Sie sind mit daran Schuld, daß ich einen so thörichten Einfall hatte; das Bild ihrer reizenden Freundin hat mir den Kopf verdreht. Nun aber sitzt er schon wieder auf dem rechten Fleck, und ich danke Ihnen für diese rasche Cur. Prenez que je n'aie rien dit. Daß mein verspäteter, vielleicht auch in früheren Zeiten anmaßender Wunsch unter uns bleibt, erwarte ich von Ihrer Ritterlichkeit. Also – Ihre Hand darauf, und soyons amis! Und jetzt – gute Nacht. Obwohl ich sicher davor bin, Eifersucht zu erwecken, bin ich doch noch nicht alt genug, um vor jeder üblen Nachrede geschützt zu sein. Und – Sie sind schon länger geblieben, als gut war.
In der peinlichsten Bestürzung versuchte er ein paar beschönigende Worte zu stammeln. Sie ließ es aber nicht dazu kommen, sondern trieb ihn fast mit Gewalt unter allerlei Scherzen und Neckereien zur Thür hinaus, die sie sofort hinter ihm abschloß.
Kaum fand sie sich allein, so verwandelten sich ihre Züge, das Lächeln erstarrte auf ihren Lippen zu einer Grimasse, auf der glatten Stirn erschien eine drohende Falte. Sie zerdrückte mit den Wimpern die Thränen wüthender Beschämung, die sie lange genug zurückgehalten hatte, und that einen tiefen, hörbaren Athemzug, wie um die Brust vor dem Ersticken zu retten. So stand sie nahe an der Schwelle, die kleinen Hände geballt, regungslos auf die Thür blickend, durch die ihr Beleidiger hinausgegangen war. Wenn ein leidenschaftlicher Wunsch die magische Gewalt besäße, einen Menschen zu tödten, Jansen hätte das Haus wohl nicht lebend verlassen. – –
Im Cabinet nebenan hörte sie Schritte. Sie blickte auf, fuhr sich rasch mit beiden Händen über die Augen und griff nach einem Glase mit Eiswasser, das sie auf Einen Zug leerte. Sie war wieder sie selbst.
Ein ältliches Frauenzimmer trat vorsichtig herein, unscheinbar und ganz schwarz gekleidet, aber mit einer Sorgfalt, die eine alte Uebung in Toilettenkünsten verrieth. Auch ihre Art zu sprechen und sich zu bewegen ließ auf den ersten Blick erkennen, daß sie hinter den Lampen heimisch gewesen war. Die Vierzig mochte sie beträchtlich überschritten haben; doch war ihr eigentliches Gesicht unter einer kunstvoll aufgetragenen weißen Schminke versteckt, und die weichen, regelmäßigen Züge machten keinen unangenehmen Eindruck.
Sie noch hier, meine Liebe? rief ihr die Gräfin entgegen, eine Regung des Unmuths kaum verbergend. Ich glaubte, Sie hätten schon längst auf Ihrem selbstgewählten einsamen Posten Langeweile empfunden und sich entfernt.
Ich habe einen unendlich genußreichen Abend verlebt, theure Gräfin, und wollte Ihnen noch dafür danken. Seit ich die Stimme verloren und die Bühne verlassen habe, erinnere ich mich kaum, in wenigen Stunden so viel gute Musik gehört zu haben. Manna in der Wüste, meine gnädige Gräfin, Manna in der Wüste! Aber wie gut war es, daß ich das Concert so aus meiner dunklen Loge drüben mitanhörte. Zwar Der, dem vor die Augen zu treten ich hauptsächlich vermeiden wollte, hätte mich vielleicht ganz übersehen. Seit seiner neuen Liaison scheint er für alles Andere blind zu sein, und die Jahre, seit wir uns zuletzt begegnet, haben auch dafür gesorgt, mich unkenntlich zu machen. Aber denken Sie, Gräfin, der junge Maler, derselbe, der mir in der Nacht, wo wir das brennende Bild entdeckten, den Weg vertrat, – zufällig verirrte er sich in Ihr Schlafzimmer! Er zog sich zum Glück eilig wieder zurück. Aber die Nacht damals war mondhell. Wer weiß, ob er mich nicht doch wiedererkannt hätte, zumal das Bild dort im Cabinet –
Gewiß! nickte die Gräfin. Sie haben sehr Recht. Wer kann es wissen?
Sie hatte kein Wort von dem gehört, was die Andere gesagt.
O meine verehrte Gönnerin, fuhr diese fort, wenn ich Ihnen schildern könnte, wie es mich wieder empört hat, ihn, den harten, grausamen Mann, der meine arme Tochter unglücklich gemacht, mit so stolzer, übermüthiger Miene hereintreten zu sehen, sich huldigen lassen von allen Seiten, seine Stimme zu hören, seine herausfordernden Reden, die der ganzen Gesellschaft den Handschuh hinzuwerfen schienen, – o Sie glauben nicht, wie ich ihn hasse! Aber eine Mutter darf hassen, den Feind ihrer Tochter hassen, nicht wahr? – um so mehr, wenn diese Tochter so thöricht ist, noch immer den Mann zu lieben, der sie hinausgestoßen hat aus seinem Hause, ihr sogar den einzigen Trost nicht gönnt, sich am Halse ihres Kindes auszuweinen!
Sie drückte mit einer Theatergeberde ihr Taschentuch gegen die Augen, als ob der Schmerz sie überwältige.
Die Gräfin warf ihr einen kalten Blick zu.
Spielen Sie keine Komödie mit mir, meine Liebe, sagte sie scharf. Nach Allem, was Sie mir von Ihrer Tochter erzählt haben, glaube ich nicht, daß sie untröstlich ist. Woraus schließen Sie, daß sie ihn noch liebt?
Ich kenne ihr Herz, Frau Gräfin. Sie ist zu stolz, zu jammern und zu wehklagen. Aber würde sie nicht ihre Mutter zu sich rufen, um mit ihr zu leben, wenn sie dann nicht alle Nachrichten über ihr Kind entbehren müßte? Wenn Sie wüßten, was es mich kostet, zur Spionin zu werden, um ihr dann und wann schreiben zu können, wie ihr hartherziger Gatte und das arme, unschuldige Wesen sich befinden! Und doch, meine gnädige Gönnerin, wenn ich es je dahin brächte, das zerrissene Band wieder neu zu knüpfen, den undankbaren, wankelmüthigen Mann aus dem Netz seiner unwürdigen Leidenschaft zu befreien, ihn seinem rechtmäßigen Weibe wieder zuzuführen –
Ihre Stimme schien in Thränen zu ersticken. Die Gräfin machte eine Bewegung der Ungeduld.
Genug! sagte sie. Es ist spät, und ich bin sehr müde. Aber in der Thal, es muß etwas geschehen. Dieser Mann – wenn man ihm nicht auf den rechten Weg zurückhilft, wird sein großes Talent in falschen Verhältnissen und ordinären Liebschaften zu Grunde gehen. Kommen Sie morgen gegen Mittag wieder zu mir, meine Liebe. Wir sprechen dann mehr davon. Adieu!
Sie nickte der Sängerin mit einer zerstreuten Miene zu. Jene verneigte sich tief vor ihr und wollte rasch das Zimmer verlassen. An der Schwelle hörte sie noch einmal ihren Namen rufen.
Fanden Sie mich heute nicht besonders unvortheilhaft gekleidet, liebe Johanna? Ich komme mir zum Erschrecken alt und häßlich vor in dieser venetianischen Coiffure. Freilich hätt' ich auch die Soirée lieber absagen sollen. Ich hielt mich kaum aufrecht vor Nervenschmerzen.
Sie haben das Vorrecht vor uns Andern, daß auch das Leiden Sie verschönert. Ich habe aus meiner unsichtbaren Loge Worte aufgefangen, die Ihnen beweisen würden, wie sehr Sie sich Unrecht thun.
Schmeichlerin! lachte die Gräfin bitter auf. Gehen Sie nur, gehen Sie! Sie können meine eignen Augen doch nicht Lügen strafen.
Als die Sängerin gegangen war, blieb Nelida noch eine Weile auf demselben Fleck stehen, wo sie Jene verabschiedet hatte. Sie murmelte einige Worte in ihrer Muttersprache, dann sagte sie auf Deutsch: Seine Buße will er? Er soll sie haben – er soll sie haben – er soll sie haben! – Darauf trat sie vor den Spiegel über dem Kamin, vor dem die Lampe mit schwacher, röthlicher Flamme brannte, nah am Erlöschen. Auch die Lichter auf dem Flügel waren tief herabgebrannt. In diesem Zwielicht erschienen ihre Wangen noch fahler, die Augen eingesunken, die Falte zwischen den Brauen nie wieder auszuglätten.
Wäre es wirklich schon zu spät für das Glück? sagte sie tonlos vor sich hin.
Sie schauerte zusammen, da der Nachtwind kühler hereinwehte. Langsam nahm sie die Rose aus ihrem Haar und ließ sie zu Boden fallen, daß die Blätter über den Teppich verstreut wurden, darauf lös'te sie auch den Spitzenschleier, zog den Kamm heraus und schüttelte die Haare in den Nacken zurück. Das Blut war ihr dabei in die Wangen getreten, ihre Augen leuchteten, sie fing wieder an, Gefallen an sich zu finden. II y a pourtant quelques beaux restes! sagte sie vor sich hin. Dann durchschritt sie mit gesenktem Kopf, immer halblaut vor sich hin sprechend, den Saal und trat an den offenen Flügel. Mit der flachen Hand schlug sie auf die Tasten, daß sie einen widrigen lauten Mißklang gaben. Dazu lachte sie höhnisch auf: Seine Buße will er? Er soll sie haben! Er soll sie haben! – Und wieder die Arme über die Brust kreuzend, trat sie jetzt in das Cabinet und blieb vor dem Carton des jungen Griechen stehen. Sie wußte das Bild auswendig. Und dennoch stand sie so versunken davor, als sähe sie's zum ersten Mal.
Plötzlich fühlte sie einen heißen Mund auf ihrem Nacken. Sie zuckte leicht zusammen und sah sich um.
Stephanopulos stand hinter ihr.
Sind Sie von Sinnen? flüsterte Nelida. Was haben Sie hier zu suchen? Gehen Sie auf der Stelle! Meine Kammerfrau wird gleich eintreten.
Sie schläft, flüsterte der Jüngling. Ich habe ihr gesagt, Sie bedürften ihrer Dienste nicht mehr. Zürnen Sie mir, Gräfin? – mir, der nur lebt von Ihrem Lächeln – dem ein Blick Ihrer Augen Himmel und Hölle ist?
Chut! machte sie und überließ ihm ihre Hand, die er leidenschaftlich ergriffen hatte. Sie sprechen Unsinn, mein Freund. Aber ich liebe Ihre Stimme. Und übrigens – man kann Ihnen nicht böse sein – vous êtes un enfant!