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O München, du Philisterstadt,
Wie hab' ich dich von Herzen satt!
Wie scheinst du mir – daß Gott erbarm'! –
So lahm und zahm und freudenarm.
Ob rings die Menschheit vorwärts strebt,
Der Zopf dir tief im Nacken klebt,
Und prahlst du gleich als Neu-Athen,
Von Griechenthum ist Nichts zu sehn.
Nicht im Salvator, Bock und Bier
Ein Quell der Musen sprudelt hier.
Vor jedem deiner Thore traun
Sollt' man ein Mauth- und Zollhaus bau'n.
Daß Niemand ferner durchpassirt,
Der noch Begeiferung mit sich führt,
Dieweil so freche Contrebande
Verrufen ist am Isarstrande.
Viel wird geschwatzt von wahrer Kunst,
Ist alles eitel blauer Dunst;
Nur die Aesthetik herrscht und gilt:
»Verkauft man's, ist's ein gutes Bild,
Und wenn Rothhäute Laar bezahlen,
Woll'n wir Rothhäuten Bilder malen!«
Den Kunstwerth drückt man aus in Dollars –
O Welt, wann sahst du je was Tollers!
Ach Gott, was hat nur mein Vater gedacht,
Daß er mich zu 'nem Schlachtenmaler gemacht!
Herr Wouvermann und Peter Heß, mit Vergunst,
All eure Mühe war gar umsunst.
Meiner Liebsten ihr Vater hat zu mir gesprochen,
Ein Schlachtbild das sei nicht gehau'n und gestochen;
Sollt' lieber Schilder und Schlachtstücke malen
An Metzgerbuden und Frühstückslocalen.
O biedrer Philister, und redst du mir zu,
Ich weiß nicht, was ich vor Wuth noch thu',
Ich male wahrhaftig nach deinen Winken
Noch Schweins- und Kalbsköpf', und Wurst und Schinken.
Und male dazwischen ein blutendes Herz,
Mit brennenden Pfeilen bespickt allerwärts,
Und schreib' in das linke Herzkämmerlein
Mit Goldschrift den Namen »Nanny« hinein.
Ich wollt', ich wär' eine weiße Maus
Und du ein weißes Mäuschen.
Wir wohnten vergnügt Jahr ein Jahr aus
In einem vergitterten Häuschen.
Es pflegt' uns liebreich bis an den Tod
Ein Maler, ein armer Schlucker,
Und hätt' er auch selbst nicht das liebe Brod,
Uns gäb er Biscuit und Zucker.
Da schmaus'ten wir Beide gut und viel
Und küßten uns auch zu Zeiten.
Er würde mit sanftem Flötenspiel
Dies zarte Duett begleiten.
Doch ach, ich Aermster, was fällt mir ein:
Wär' ich in ein Mäuschen verwandelt,
Wie könnt' ich zugleich der Maler sein,
Der uns so menschlich behandelt?
Ich wär' als Maus nicht besser daran,
Wie als Schlachtenmaler; statt dessen
Mich jetzt mißachtet der Handschuhmann,
Thät' dann mich ein Kater fressen.
In der Glyptothek beneid' ich
Den geringsten Aegineten.
Steinern ist sein Herz und weiß nichts
Von verliebter Leute Nöthen.
Ruhig würd' er Nanny kommen,
Ruhig gehen sehn, und immer
Mit dem gleichen Marmorlächeln
Grüßen jedes Frauenzimmer.
Mehr noch neid' ich jeden Schläfer,
Jenen hingegossnen Faunen,
Dem ein Traum von Samosweine
Gaukelt auf den Augenbraunen.
Bacchus hat in ihm die Flamme
Längst gelöscht, die Eros fachte,
Und er schläft, als ob er ewig
Lieb' und Leidenschaft verachte.
Mädchen mit gesunden Augen
Und mit unverfälschten Trieben
Müßten, dünkt mich, sich in diesen
Holden Bengel stracks verlieben.
Wär' ich Er, wie würde Nanny –
Doch hinweg, Traum des Poeten!
Ich vergaß, daß Münchner Mädchen
Nie die Glyptothek betreten.
Ach, wo seid ihr, schöne Tage,
Da ich, als ein ganz verflucht
Saubres Kerlchen, ohne Plage
Die Akademie besucht!
Lange Haare, Blick voll Größe,
Schäb'ger Sammtrock, oft kein Hemd, –
Gab ich mir auch manche Blöße,
War mir doch die Reue fremd.
In dem Saale der Antiken,
Wenn ich zeichnete nach Gyps,
Immer dacht' ich voll Entzücken
An was Holdes, an was Lieb's.
Und. im Actsaal und so weiter
Träumt' ich selig ahnungsvoll,
Daß auf der Erkenntniß Leiter
Noch das Beste kommen soll.
Ach, und jetzt, da ich erkannte,
Daß man traurig lebt allein,
Soll ich als Maleficante
Auf dem Schub befördert sein;
Soll ich aus dem Paradiese,
Eh ich in den Apfel biß?
Aller Teufelei'n ist diese
Die verteufeltste gewiß!
Soll ich Schafe pinseln,
Die blödsinnig blöken?
Knaben, welche rauchen
Oder Eier spöken?
Ein Spiel zur Osterzeit, wobei man sich dadurch die Eier ab gewinnt daß man sie gegeneinander stupft und Jeder das des Andern zu zerbrechen sucht. Der, dessen Ei ganz bleibt, hat das Ei des Andern gewonnen.
Zöfchen mit koketten
Watteau-Wackelfalten,
Die ein Liebesbriefchen
Vor die Lampe halten?
Staub'ge Trödelbuden,
Blanke Frühstückstische,
Oder Unglücksfälle,
Blut'ge, meuchlerische,
Die wir als historisch
Darum hoch verehren,
Weil gedruckte Zettel
Sie uns erst erklären?
Oder soll ich malen,
Wie man Klöster gründet,
Wie ein bärt'ger Alter
Irgend was erfindet?
Weg mit all dem Krame
Lederner Motive!
Meine Stoffe schöpf' ich
Aus des Busens Tiefe.
Ha, wie stolz und freudig
Stürmt durchs Schlachtgetümmel
Meine Künstlerseele
Auf dem Apfelschimmel!
Finden diese Bilder
Käufer nicht und Zahler,
Stirb im Feld der Ehre,
Letzter Schlachtenmaler!
Was hilft mir armem Wichte
Mein kampfesmuth'ger Sinn?
Was hilft's, daß ich, bei Lichte
Besehn, nicht übel bin?
Und würf ich ihrem Vater
Den Handschuh vor die Füß',
Die Stirne dazu hat er,
Daß er ihn liegen ließ'.
Er lächelte nur verächtlich
Und höhnte: Du armer Tropf!
Den Kürzern zögst du beträchtlich,
Stieg' mir der Aerger zu Kopf.
Wollt' ich, so viel ich habe,
Dir Handschuh' werfen zu,
In einem ledernen Grabe,
Du Narr, ersticktest du.
Lern Zimmerwände tünchen,
Dann wirb um meine Gunst!
Wer giebt in der Kunststadt München
Einen Groschen für die Kunst?
Wie ward die Welt so nüchtern!
Wohin die goldne Zeit?
Es macht sich selbst bei Dichtern
Der Realismus breit.
Wem
sonst das Herz gebrochen,
Der Trommel folgt' er zum Tanz;
Da ward in muth'gem Pochen
Das Herz ihm heil und ganz.
Er fand bei edlen Damen
Als Spielmann Unterkunft;
Schatzgräber und Hexen nahmen
Ihn auf in ihre Zunft.
Und konnt' er nicht Schätze heben
Und hext' ihn Keine gesund,
Als Einsiedel dürft' er leben
Im kühlen Waldesgrund.
Doch heut zur Zeit des Dampfes,
Wo nicht mehr Wunder geschehn.
Wohin vom Felde des Kampfes
Soll ein Todwunder gehn?
Das »Blättchen« würd' ihm erzählen
Auf der Alme sogar beim Senn,
Daß sich »als Verlobte empfehlen
Fräulein Nanny und Herr N. N.«
Nein! Und ob der Widersacher
Legion sich schaart zum Streite,
Röschen, Muth! Du bringst die Lacher
Doch zuletzt auf deine Seite.
Geh' und kauf dir eine Leinwand
Siebzig Ellen im Gevierte,
Die gewaltigste, die jemals
Eines Künstlers Hand grundirte.
Darauf male der Philister
Wüthend Heer, und unerschrocken
Kämpfend Simson; kenntlich ist er
An dem Rothbart und den Locken.
Kenntlich auch an Rock und Höschen
Der Gen'ral der Widersacher.
Alles flüstert: Dies ist Röschen –
Dies der Papa Handschuhmacher.
Aber die Philistertochter,
Nanny-Delila, – zerraufen
Sieht man sie die schönen Haare,
Und das Bild wird Wimmer kaufen.
Genug der tollen Reime!
Ach, immer nebenbei
Summt den Refrain geheime
Melancholei!
Ich mag wohl lustig singen
Und thun, als hätt ich Muth,
Doch will mir Nichts gelingen,
Was schön und gut.
Was hilft's auch, Fratzen schneiden
Und schreien: He! juchhe! –
Das Scheiden und das Meiden
Thut dennoch weh.
Das Scheiden schmerzt nur schlimmer,
Ist bittre Todespein.
Sieht man dem Schatz noch immer
Ins Fensterlein.
Drum will ich ausziehn morgen,
Wo mir so weh geschah,
Mir ein Quartier besorgen
Dem Friedhof nah.
Für meinen letzten Thaler
Kauf' ich ein hölzern Kreuz,
Drauf steht: »Hier ruht ein Maler;
Er starb aus Geiz.
Aus Geiz, weil ihm ein Andrer
Sein' Armuth nicht verziehn.
Trink eine Maß, o Wandrer,
Und bet' für ihn!«
Es ging stark auf Mitternacht, als der Verfasser dieser Gedichte das Skizzenbüchlein, in welches er sie zwischen allerlei Pferdeporträts, Costüm- und Waffenstudien auf leere Blätter gekritzelt hatte, mit einem schweren Seufzer zuklappte und den Rest seines rothen Würtemberger Weines austrank. Mehr als drei Stunden hatte er hier auf demselben Fleck einsam gesessen, im Winkel des dumpfen Wirthsstübchens, wo sich heute wegen des wundervollen Sonntagswetters nur spärliche Stammgäste einfanden, jeder schweigsam an seinem gewohnten Platz und mit seinem angestammten Trunk vollauf beschäftigt. Was unsern geschorenen Freund hierhergeführt haben mochte, ist unschwer zu errathen. Zunächst die Gewißheit, keiner bekannten Seele hier zu begegnen. Dann wohl auch eine unbewußte Anziehungskraft des Namens. Der Wirth dieser kleinen Weinschenke hieß wie der erste Mensch, und ein aus dem Paradiese Vertriebener mochte ein stilles Verlangen fühlen, sich mit einem andern Adam über das gemeinsame Menschenschicksal zu trösten.
Letzteres schien ihm auch in wundersamer Weise geglückt zu sein, theils durch die unschuldige Kraft des rothen Würtembergers, von dem unser Lebensmüder mit der Zeit den vierten Schoppen geleert hatte, theils durch die Magie der Musenkunst, deren Zaubersprüche und Beschwörungsformeln wir in vielleicht zu großer Vollständigkeit dem Leser mitgetheilt haben. Da aber diese Blätter den Gemüthszustand ihres Verfassers deutlich erkennen lassen, haben wir die Mühe nicht gescheut, die halb erloschenen Bleistiftzüge des ersten Hinwurfs gewissenhaft zu entziffern.
Wer Gedichte zu lesen versteht, wird aus den oben mitgetheilten die Beruhigung geschöpft haben, daß der niederschmetternde Schlag ihrem Verfasser nicht ans Leben gegangen war. Derselbe gehörte überhaupt zu den zartbesaiteten romantischen Seelen, die es fast für eine sittliche Pflicht halten, beständig an einer sanften Entzündung des Herzens oder wenigstens der Phantasie zu leiden. Je chronischer aber ein Zustand ist, desto weniger pflegt er lebensgefährlich zu sein. Nur kam bei unserm heimlichen Lyriker noch Eins hinzu, was ihn doch gelegentlich in ernstere Unannehmlichkeiten verwickelte.
So wenig sein Temperament zu leidenschaftlichen Katastrophen drängte, so sehr fühlte er andererseits einen gewissen abstracten Thatendrang, der es ihm unmöglich machte, sich bei dem bloßen Trachten und Schmachten aus der Ferne zu beruhigen. Gerade ein gewisser Mangel an physischem Muth, da er ein zartgebauter, feinnerviger Mensch war, stachelte sein Ehrgefühl, desto mehr moralischen Uebermuth zu erschwingen und zum Beispiel eine Liebschaft, die jeder Andere sich bald wieder aus dem Sinn geschlagen hätte, da sie nicht tiefer ins Blut gegangen war, durch irgend ein abenteuerliches Unternehmen wenigstens zu einem novellistischen Abschluß zu bringen. Dieser Hang zu Katastrophen war ihm in der Regel so übel bekommen, daß er endlich wohl hätte gewitzigt werden können. Es liefen hierüber die spaßhaftesten Geschichtchen unter den Freunden um. Nun aber hatte er, in der Meinung, endlich etwas zugleich Ritterliches und Praktisches zu thun, das ungeheuerlichste Wagniß seines ganzen Lebens begangen, indem er in allem Ernst als Freier aufgetreten war, er, der nothdürftig von der Hand in den Mund lebte, im Hause eines guten Bürgers vom alten Münchener Schlage, der in solchen Dingen durchaus keinen Spaß verstand.
Warum es gerade in diesem Falle bis zu diesem Aeußersten gekommen war, hätte er selbst nicht zu sagen gewußt. Die Sache war lange den üblichen Weg gegangen, mit verstohlenen Blicken von Fenster zu Fenster über die schmale Gasse hinüber, von den ersten schüchternen Huldigungen durch heimlich beförderte gereimte Briefchen und verblümte Inserate in dem Tagesmoniteur München's, den »Neuesten Nachrichten«, bis zum Auflauern auf der Straße, einem bescheidenen Anreden und dem ersten kühneren Geständniß unter den »finsteren Bögen« des Marienplatzes. Das kluge Kind hatte sich bei alledem, mitten unter Lachen, Erröthen, Nicken und Blicken, so geschickt auf einer feinen Grenzlinie gehalten, daß es eben so wenig abzulehnen als aufzumuntern schien und die ganze Sache wie ein Spiel behandelte, über das man sich allenfalls todtlachen, aber nimmermehr todthärmen könne. Daß der hübsche, flotte und galante Maler Gnade vor den Augen seiner Nachbarin gefunden, konnte nicht geradezu bestritten werden. Auch forderte sie ihn einmal auf, sein Flötenspiel fleißig weiter zu üben. Sie schlafe niemals besser ein, als wenn er so recht herzbrechende Melodieen ertönen lasse. Uebrigens wisse sie wohl, was man von Künstlern zu halten habe, und die schönen Gedichte an sie werde er irgendwo abgeschrieben haben.
Rosenbusch fühlte sich durch diesen Zweifel eher geschmeichelt als verletzt; aber die Sache kam damit nicht weiter und der novellistische Trieb nach irgend einer neuen Spannung, einem Fortschritt der Handlung, war fast in Gefahr, zu erlahmen, als ihm von anderer Seite eine unerwartete Anregung zu Theil ward.
Er entdeckte nämlich ein Geheimniß, das bisher sorgfältiger als sein eigenes behütet worden war: die hoffnungslose Neigung, die sein Zimmernachbar Elfinger zu der Schwester seines Schätzchens gefaßt hatte.
Auf einmal fühlte er, daß er es seiner Ehre schuldig sei, eine That zu thun, die sie Beide aus dem Zustand unmännlicher Ergebung in ihr Schicksal und feigen Hinüberschmachtens nach dem Philisterhaus erlösen und auch dem Freunde zu seinem Glück verhelfen sollte. Wenn er selbst als Verlobter des weltlich gesinnten Kindes freien Zutritt in ihr Haus erlangt hätte, würde auch Elfinger der geistlicher gearteten älteren Schwester näher treten und unzweifelhaft die Bedenken überwinden können, die das seltsame Mädchen bisher verhindert hatten, auch nur einen Brief in Empfang zu nehmen, oder gar in eine Anknüpfung auf offener Straße zu willigen.
In dieser Zuversicht hatte er sich zu dem halsbrechenden Schritt entschlossen, und wenn er nach dem kläglichen Ausgang des Unternehmens den Muth nicht finden konnte, zu dem Freunde zurückzukehren und ihm die böse Zeitung zu überbringen, werden wir darum von seinem guten Herzen nicht schlechter denken.
Und doch müssen wir gestehen, daß er für sich selbst diesen niederschlagenden Schluß der Novelle eher zweckmäßig als beklagenswerth fand. Er hatte das Seinige gethan, einen ungemeinen Muth bewiesen, dem schönen Kinde gezeigt, wie ernst es ihm mit seinen Absichten gewesen: nun konnte er in aller Gemüthsruhe sich der ehrenvollen Niederlage erfreuen, die ihm erlaubte, sein Herz noch fernerhin an Alles zu hängen, was liebenswürdig und unerreichbar war. Wie er jetzt aus dem Weinstübchen auf den grünbebuschten Platz trat, wo das Mondlicht die fünf in Reih und Glied neben einander postirten ehernen Standbilder beschien, überrieselte ihn ein unendlich wohliges Gefühl, eine harmlose Schadenfreude darüber, daß er noch in Fleisch und Blut hier unter dem wechselnden Monde herumwandeln und so viel unglückliche Liebschaften haben konnte, wie er wollte, während diese berühmten Herrschaften auf ihren Postamenten sich nicht rühren durften. Er ertappte sich sogar darauf, daß er mit heller Stimme an zu singen fing:
Am Sunnta is Kirta (Kirchweih),
Was soll mein Schatz trag'n?
A nagelneu's Firta (Fürtuch) –
Hier aber verstummte er plötzlich. Es schien ihm doch nicht schicklich, in der Trauerstimmung, in der er sich von Rechts wegen jetzt befinden mußte, dergleichen lose Liedchen in die Nacht hinauszuträllern.
Also schlug er in gedämpfterer Stimmung den Weg nach Hause ein. Wie er aber in seine Straße kam und oben aus Elfinger's Fenster den Lichtschein herabwinken sah, fiel ihm plötzlich wieder das Herz in die Schuhe. Er konnte sich nicht entschließen, hinaufzugehen und dem Freunde noch bei nachtschlafender Zeit zu gestehen, wie verzweifelt die Sache abgelaufen war. Also machte er schleunigst Kehrt und gelangte mit einem weiten Umweg nach der Gegend hinaus, wo er in seinem Atelier eine nothdürftige Unterkunft für die Nacht bereit wußte.
Der Hausmeister machte große Augen, als er aus dem Schlaf gepocht wurde, um das Hinterhaus für Herrn Rosenbusch aufzuschließen. Auch die weißen Mäuse fuhren plötzlich aus ihren lüsternen Träumen von Biscuit und Schweizerkäse in die Höhe und rieben die Schnäuzchen in nervöser Unruhe am Gitter, nachdem sie ihren Miethsherrn erkannt hatten, wie er im Mondschein, ohne auf sie zu achten, sich vor die Schlacht bei Lützen hinpflanzte, sie eine Weile betrachtete und dann nach der Stelle fuhr, wo er sonst seinen Bart zu streichen pflegte. Und du bist doch kein Lump! murmelte er vor sich hin. Wenn du nichts gemacht hättest, als den Rappen da hinten, der sich bäumt, weil er eben einen Falkonetschuß in den Hals bekommen – Basta! Anch' io sono pittore!
Dann nahm er seine Flöte aus dem Futteral und ging noch eine Weile, ein Adagio blasend, auf und ab, um den rothen Würtemberger etwas verdampfen zu lassen. Als er sich endlich müde genug fühlte, richtete er sich auf dem Fußboden ein feldmäßiges Lager her aus einem alten Schwedensattel, den er zum Kopfkissen nahm, einer Schabracke, deren sich der Graf Piccolomini bedient haben sollte, und einem Tigerfell, das freilich von den Motten zu einer buntscheckigen Landkarte umgearbeitet worden war, aber zuverlässig aus dem Nachlaß des Stallmeisters Froben stammte. Hier nun diente es dazu, den Leib des letzten Romantikers unter den Schlachtenmalern sanfter zu betten, der jetzt mit einem Seufzer sich niederlegte, noch einmal in die Mondnacht hinaussah, dann aber so fest und traumlos einschlief, wie es einem unglücklich Liebenden nur selten vergönnt zu sein pflegt.