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Der Fünf-Milliarden-Schwindel und die Berliner Bau- und Bodenspekulation

Der Fehler liegt weit weniger in dem zu starken Einfluß der Beamten, als in ihrer Beschaffenheit. Ein Staat, der sich von einer Bürokratie wie der unseren nicht durch einen heilsamen Gewittersturm losreißen kann, ist und bleibt dem Untergang geweiht, denn ihm fehlen die geeigneten Werkzeuge zu allen Funktionen, welche einem Staat obliegen usw. Die Bürokratie aber ist krebsfressig an Haupt und Gliedern, nur ihr Magen ist gesund, und Gesetz- Excremente, die sie von sich gibt, sind der natürlichste Dr... von der Welt!

Bismarck, am 30. Juni 1850, zitiert von Carstenn

 

Mir ist der preußische Beamte amtlich von ganzer Seele unsympathisch … Mich hat der Dünkel, das Vorurteil, die Verkennung, das Mißtrauen, die Unkenntnis realer Verhältnisse, die Engherzigkeit der preußischen Beamten Millionen gekostet, ihr Eigennutz nicht einen Heller.

Bethel Henry Strousberg, der preußische »Eisenbahnkönig« (1876)

 

Bismarcks Kritik der »Gesetz-Excremente« des preußischen Beamtentums paßt besonders gut auf den Berliner Bebauungsplan, der zusammen mit dem Berliner Bauschwindel den Nährboden für die Inflation der »Gründerjahre« geliefert hat.

Vor dem Krieg von 1870 hat, ganz ähnlich wie vor dem Weltkrieg, der Mietskasernenbau ernstlich gestockt. Dagegen haben in den sechziger Jahren eine Reihe von Landhausunternehmen, die deutlich von Hubers und Fauchers Schriften angeregt waren, vielversprechende Erfolge erzielt. Schon 1866 wurde außerhalb des amtlichen Bebauungsplanes die reizende Landhaussiedlung Westend gegründet, deren Überreste noch heute als Fremdkörper zwischen den Schluchtreihen der Berliner Mietskasernen liegen.

Größere Aufmerksamkeit verdient aber der Hamburger Kaufmann Carstenn, den man zu den bedeutendsten Städtebauern Berlins rechnen muß. Er war wie Faucher geradezu ein genialer Mann, aber er beging – ebenfalls wie Faucher – den unverzeihlichen Fehler, die Übermacht der preußischen Bürokratie zu unterschätzen und seine in alten Kulturstädten wie Hamburg und London erworbenen Begriffe von großzügigem Arbeiten und vornehmem Leben auf Berlin übertragen zu wollen. Berlin jedoch war eigentlich noch gar keine Stadt oder gar Großstadt, sondern stellte vorläufig nur den großen Auflauf entwurzelter Menschen dar, den diese »krebsfressige Bürokratie« zu verhindern vergessen hatte, der aber noch viel zu ungeordnet war, als daß er sich mit dem von Bismarck geforderten »heilsamen Gewittersturm von der Bürokratie losreißen« konnte, deren »Excremente« das Berliner Bauwesen verpesteten.

Den Satz Bismarcks, aus dem diese einsichtige Kennzeichnung des preußischen Beamtentums stammt, hat Carstenn gern zitiert, nachdem er seiner Übermacht erlegen war. Er war der Begründer von Lichterfelde West, Lichterfelde Ost, Friedenau, Halensee und großer Teile von Wilmersdorf geworden, wo heute längst die Mietskaserne den Landhausgebieten Carstenns den Garaus gemacht hat, wo aber noch heute in harmloser Symmetrie Nikolsburger und Prager Platz (Seite 210) den Ruhm des deutschen Bürgerkrieges und den Stolz der Zeit vor 1870 verkünden. Vor 1870 hatte Carstenn auch dem Militärfiskus das Gelände der Lichterfelder Kadettenanstalt im Taxwert von mehr als einer Million Mark geschenkt, und er war wegen »seines patriotischen Sinnes« von Wilhelm I. mit dem Adel derer von Lichterfelde ausgezeichnet worden.

 

Dem vom großen »Krach« betroffenen Carstenn setzte das Kriegsministerium scharf zu. Es scheint damals schon mit der fiskalischen Niedertracht gearbeitet zu haben, die ihm 1910 beim Verschachern des Tempelhofer Feldes den Unwillen aller Gutgesinnten zuzog. Nach dem Abgang des Kriegsministers von Roon, der Carstenn gefördert hatte, zwang das Kriegsministerium den Unglücklichen im landhausmäßigen Lichterfelde zu mietskasernenmäßigen Straßen- und Kanalisationsbauten, von denen er sich in den vornehmen Landhausvierteln von Hamburg und London nichts hatte träumen lassen. In langen Prozessen nahm der Militärfiskus ihm Werte ab, die Carstenn auf weitere 9 Millionen berechnete. Unter der Last dieser Prozesse ist er zusammengebrochen. Das Eingreifen Wilhelms I. mußte ihn von der Pfändung schützen. Sein Name ist verschwunden. Die Nachschlagebücher wissen nichts mehr von diesem weitblickenden Kaufmann, dessen Name in den sechziger und siebziger Jahren zu den bekanntesten in Berlin gezählt und der als Städtebauer Großartigeres geleistet hat als irgendein preußischer Herrscher. Nur auf seinem Grabstein bei der alten Kirche von Lichterfelde findet man seine kurzgefaßte Lebensgeschichte: »J. A. W. von Carstenn-Lichterfelde, geb. d. 12. Dec. 1822, gest. d. 19. Dec. 1896. Ps. 84. 12. 13.« Herr Zebaoth, wohl dem Menschen, der sich auf dich verläßt.

Über diesen Carstenn schrieb Faucher schon 1868: »Das Verdienst, zuerst in Deutschland eine Villabauunternehmung im großen und ganzen, und zwar mit verdientem Erfolg für sich selbst durchgeführt zu haben, gebührt bekanntlich Herrn Carstenn, der die Villastadt in Wandsbeck bei Hamburg angelegt hat.« Der günstige Boden, den Berlin für ein ähnliches Unternehmen damals zu bieten versprach, lockte Carstenn in die Hauptstadt. Sein bei der Anlage von Wandsbek erworbenes Vermögen von etwa 2 1/2 Millionen Mark befreite ihn von dem Fluch des Kapitalmangels, der die vorhergehenden Berliner Bauunternehmungen auf staatliche Unterstützung, also auf Verständnis bei der Beamtenschaft angewiesen und damit dem Tode geweiht hatte. Er war schon 1854 nach London gegangen und studierte »an Ort und Stelle die Entwicklung dieser damals einzigen Weltstadt, welche in ihren neuen Teilen rationell angelegt war«. So lautet sein eigener Bericht Vgl. von Carstenn-Lichterfelde, Die zukünftige Entwicklung Berlins, Berlin 1892.: »Die innere Stadt, das alte London, ist nämlich ringsum von Fideikommißgütern des hohen englischen Adels eingeschlossen, die gesetzlich nicht veräußert und auch nur zeitlich auf höchstens 99 Jahre verpachtet werden dürfen. Hierdurch ist die räumliche Entwicklung Londons zum Besten der Einwohner dieser Riesenstadt bedingt worden, denn dieses Pachtverhältnis, welches einerseits die Gefahr in sich birgt, nach Ablauf der Pachtzeit die Häuser vielleicht abbrechen zu müssen, und andererseits den Vorteil bietet, den Bauplatz nicht ängstlich mit vielstöckigen Häusern ausnützen zu müssen, ließ in den neuen Stadtteilen Londons vorwiegend villenartige Anlagen entstehen.«

Mit den in London und Hamburg gesammelten Erfahrungen kam Carstenn nach Berlin und erwarb 1865 die Rittergüter Lichterfelde und Giesensdorf, um dort, außerhalb der bereits amtlich verdorbenen Zone des Bebauungsplanes, eine vornehme Villenstadt im englischen Sinne zu gründen. Später erwarb er auch das Rittergut Wilmersdorf. Diese großen Güter bestanden meist aus Schafweiden um stille Dörfer, deren geringe landwirtschaftliche Erzeugnisse mit Pferd und Wagen nach Berlin oder den nächstgelegenen Bahnhöfen Zehlendorf oder Groß-Beeren gebracht wurden. Carstenn brauchte nicht Jahrzehnte zur Aufstellung eines Straßenplanes wie der preußische Staat, der die Zeit von den Freiheitskriegen bis 1862 benötigt hatte, um seinen schlechten Berliner Straßenplan vorzubereiten. Schon 1868 verkaufte Carstenn die ersten Baustellen. Sein Gönner von Roon verschaffte ihm 1869 den Besuch Wilhelms I., dem Carstenn bei der Besichtigung der aufblühenden Siedlung Lichterfelde die Frage nach der wahrscheinlichen Entwicklung Berlins folgendermaßen beantwortete: »Majestät, nach den Errungenschaften des Jahres 1866 ist Berlin zur ersten Stadt des Kontinents berufen, und was seine räumliche Ausdehnung anbelangt, so muß Berlin und Potsdam eine Stadt werden, verbunden durch den Grunewald als Park.«

Dieser städtebauliche Weitblick ermöglichte Carstenn nicht nur für damalige, sondern auch für heutige Verhältnisse außerordentliche Leistungen. Um billigen Baugrund zu bekommen, war Carstenn über den teuren sogenannten »zweiten Ring« hinausgegangen und hatte, was man den »dritten« oder »Dorfring« nannte, angeschnitten. Schon 1869 konnte Faucher schreiben: »Carstenn hat es durch rege Tätigkeit in der Chaussierung, Erleuchtung mit selbsthergestelltem Gas, Anpflanzung von Bäumen und Anlagen von Gärten, Herstellung von Verbindung mit der Stadt und den nächsten Eisenbahnstationen durch Omnibus, Einrichtung eines Restaurants usw., vor allem durch die Billigkeit der Baustellen erzwungen, daß schon im zweiten Jahre (1869) genug Baustellen verkauft und zum Teil bebaut und bewohnt sind, so daß der Preis des Bodens und sämtlicher Arbeiten gedeckt ist und der größere Rest, dessen Bebauung jetzt erst recht gewiß, Reingewinn für ihn bildet.« Der Statistiker Engel teilte später mit, daß Carstenns Reingewinn an Lichterfelde auf mehrere Millionen Taler geschätzt wurde. Aber Carstenn beschränkte sich, wie erwähnt, nicht auf Lichterfelde. In seiner Verteidigungsschrift konnte er vielmehr über seine Tätigkeit folgendes berichten:

»Ich hielt mich in Preisen, welche es jedem einigermaßen vermögenden Manne möglich machten, in meinen Colonien sich anzusiedeln, denn der von mir geforderte Höchstbetrag betrug nur 75 Mark für die Quadratruthe, so daß sich ein genügend umfangreiches Villen-Grundstück von 60 Quadratruthen (1/3 Morgen = 850 qm) auf 4500 Mark und der ganze Morgen auf 13 500 Mark stellte. Ich hatte aber auch die Preise der Bauunternehmer und Handwerker angemessen nivellirt, hatte für Errichtung einer Eisenbahnstation, von Post und Telegraph und für bequeme Eisenbahn-Verbindung mit Berlin gesorgt, hatte Arzt und Apotheker an den Ort gezogen und die Errichtung höherer Knaben- und Mädchenschulen veranlaßt, kurz man konnte sich in meiner Villen-Colonie ein gesundes eigenes Heim für ein Kapital gründen, dessen Zinsen bei Weitem nicht an die Miethen der Großstadt mit ungesunder schlechter Luft heranreichten, man brauchte dabei das großstädtische Leben nicht zu entbehren, fand andererseits aber auch am Orte selbst Alles, was man für das Leben bedarf. Ich hatte weiterhin die Gemarkung Deutsch-Wilmersdorf für gleiche Villenanlagen bereits vorbereitet, hatte hier in der großen Kaiserstraße eine vortreffliche Straßenverbindung mit dem Westen von Berlin in Anlehnung an den Kurfürstendamm geschaffen und wäre in gleicher Weise Schritt für Schritt unter Berücksichtigung aller vernünftigen und sachgemäßen Forderungen, dabei aber ohne Speculation auf die Geldbeutel der Interessenten weiter vorgedrungen bis zu der Erreichung des mir gesteckten Zieles, der Vereinigung von Berlin und Potsdam zu einer Stadt. In richtiger Erkenntniß der Wahrung und Förderung seines Vorteils durch mich hätte sich hierbei das Publikum ganz unzweifelhaft meiner Leitung und Führung anvertraut. Dadurch aber, daß mich das Vorgehen der Bauverwaltung des Kriegsministeriums für die Verfolgung dieses Planes und Zieles insolvent machte, fiel das Publikum Speculanten in die Hände und mußte für die Quadratruthe bis zu 500 Mark und für den Morgen bis zu 90 000 Mark bezahlen, oder kam in Wohnplätze, welche für den Villenbau entweder garnicht oder nur ungenügend vorbereitet waren.«

Wo Carstenns Wirksamkeit nicht gestört wurde, hat er beim Verkauf seiner Baustellen landhausmäßige Bebauung durch grundbuchliche Eintragung gesichert (so daß sie noch heute vorhanden ist), ähnlich wie das in amerikanischen Städten (die ohne preußische Bebauungspläne groß wurden) noch heute geübt wird.

Die »Kolonie Grunewald« gab es damals noch nicht. Das Gelände von Halensee, das sehr günstig unmittelbar an dem »Park Grunewald« lag, um den sich Carstenns Groß-Berlin ausdehnen sollte, gehörte dem von Carstenn 1872 gegründeten Charlottenburger Bauverein. Diese Carstennsche Gesellschaft war es auch, die zuerst den Plan verfolgte, aus dem alten staatlichen Feldwege »Kurfürstendamm«, eine stattliche Zugangsstraße zu ihrem Gelände im Westen und damit zum »Park Grunewald« zu machen und so eine der wichtigen Ausfallstraßen zu schaffen, die der Polizeipräsident in seinem Berliner Bebauungsplan über der weniger wichtigen »Ringstraße« vergessen hatte. Seine Wohnstraßen waren zu breit, und seine Verkehrsstraßen waren zu schmal und führten nirgends hin. Die klare städtebauliche Forderung Carstenns regte auch Bismarck an, und seine damalige vorübergehende Beschäftigung mit dem Städtebau Berlins trug, allerdings nur für Berliner Verhältnisse, reiche Frucht. Bismarck war nämlich nicht damit zufrieden, daß der Kurfürstendamm nach dem Muster der von Carstenn angelegten Kaiserallee 30 Meter breit werden sollte. In dem Gutachten, das er über diese Frage an das Königliche Zivilkabinett richtete, schüttelte er Pariser Erinnerungen und die Theorie der Ausfallstraße aus dem Ärmel, wie sie später von Otto March und, 1910, im Großberliner Wettbewerb besonders vom ersten Preisträger Hermann Jansen vertreten worden ist. Dieses städtebauliche Gutachten Bismarcks lautete:

»Denkt man sich Berlin so wie bisher wachsend, so wird es die doppelte Volkszahl noch schneller erreichen als Paris, das von 800 000 Einwohnern auf zwei Millionen gestiegen ist. Dann würde der Grunewald für Berlin etwa das Bois de Boulogne und die Hauptader des Vergnügungs-Verkehrs dorthin in einer Breite wie die Elyseischen Felder durchaus nicht zu groß bemessen sein. An der in Rede stehenden Stelle liegt allein die Möglichkeit einer großen Straßenverbindung mit dem Grunewald vor, weil eine fiskalische Straße, der Kurfürstendamm, über die gesetzlichen Anforderungen hinaus existiert. Mein Votum würde sonach dahin gehen, daß von den Anbauern die Herstellung der üblichen Straßenbreite in vollster Ausdehnung gefordert würde, ohne Rücksicht auf das Vorhandensein des Kurfürstendamms, so daß letzterer eine exzeptionelle Zugabe zur Straßenbreite bildete. Nur auf diese Weise würde über den Tiergarten hinaus eine bequeme Zirkulation der Berliner Bevölkerung ins Freie nach dem Grunewald hergestellt werden können, und nur bei diesem Prinzip wird sich ein ähnlicher Reitweg, wie ihn das sonst wenig kavalleristische Frankreich in Paris nach dem Bois de Boulogne besitzt, schaffen lassen.«

Die Pariser Avenue du Bois de Boulogne, an deren Reitweg Bismarck wahrscheinlich dachte, hat 118 Meter Breite, die Elysäischen Felder haben 100 Meter; Unter den Linden in Berlin hat 60 Meter Breite.

Auf Wunsch Bismarcks wurde die geplante Breite des Kurfürstendamms durch Kabinettsorder 1875 von den durch Carstenn vorgeschlagenen 30 Metern auf 53 gesteigert. Sie blieb somit also noch weit hinter den beinahe doppelt so breiten Elysäischen Feldern zurück. In Zukunft wird noch oft bedauert werden, daß es selbst einem preußischen Staatsmann vom Rang Bismarcks nicht möglich war, bei der Planung der angehenden Weltstadt Berlin an Wichtigeres als an seinen Reitweg zu denken. Bismarck hatte vom Pariser Städtebau nur »kavalleristische« Erinnerungen nach Hause gebracht, obgleich dort zur Zeit seiner Besuche städtebauliche Entscheidungen von viel größerer Tragweite fielen. Das Schicksal des Kurfürstendamms ist typisch für die Mängel, unter denen die Planung Berlins infolge der Phantasielosigkeit seiner Herrscher leidet.

Deutschland scheint zur Zeit der Planung des Kurfürstendamms infolge seines siegreichen Krieges und der damals unerhört hohen Tributzahlungen aus Frankreich, ungefähr ebenso arm gewesen zu sein wie nach dem Weltkrieg. Ähnlich wie die Berliner Stadtverwaltung oft während und nach der Inflation von 1923 mußte auch Kaiser Wilhelm I. seine Hoffnungen auf angelsächsische Geldgeber setzen. Trotz der »wohlwollenden Förderung«, die Wilhelm I. ihm versprach, wurde aber das englische Konsortium, das die neue Hauptstraße der Reichshauptstadt bauen sollte, durch die hohen Forderungen des preußischen Fiskus verscheucht. Es dauerte ein Jahrzehnt, bis sich schließlich (1882) ein John Booth zum Bau des Kurfürstendamms verpflichtete. Er erhielt dafür einen Anspruch auf 234 ha des Grunewaldes zu 1,20 Mark für den Quadratmeter. Auf diesen 254 ha ließ später die Deutsche Bank die »Villenkolonie« Grunewald entstehen. Bei dem verspäteten Bau des von Carstenn und Bismarck angeregten Kurfürstendamms ist der Bodenwert (verglichen mit den sechziger Jahren) um das 600fache des reinen Ackerwertes gestiegen, so daß private Vermögen im Gesamtbetrag von rund 60 Millionen Mark entstanden (Berechnung des Berliner Privatdozenten Paul Voigt). Da der Bau des Kurfürstendamms in seiner gegenwärtigen geringen Breite nur 3 bis 4 Millionen Mark gekostet hat, wäre es ein Kinderspiel gewesen, ihn in der Breite der Elysäischen Felder zu bezahlen, um die Bismarck Paris beneidete, wenn tatkräftige und weitblickende Männer in den preußischen Ämtern gesessen hätten. Selbstverständlich hätte man von einer aufstrebenden Stadt, wie Berlin es sein wollte, auch noch mehr erwarten dürfen als die versäumte vollwertige Nachahmung des Pariser Vorbildes. Für die Spekulationsgewinne hätte der Kurfürstendamm mühelos mit einer Schnellbahn ausgestattet werden können, für die es zur Zeit seines Baues bereits Vorbilder und Pläne im Ausland gab. Für die Pariser Weltausstellung von 1867 war eine Unterpflasterbahn quer durch Paris von der Bastille zum Bois de Bologne geplant gewesen, aber nicht zur Ausführung gekommen. In London dagegen baute man schon seit 1853 mit viel Erfolg Vorortbahnen, großenteils unterirdisch. New York baute seit 1870 seine wirtschaftlichen Hochbahnen; Budapest vollendete 1893 eine Unterpflasterbahn. August Orth, der die Pariser Weltausstellung mit offeneren Augen besucht hatte als Bismarck, schrieb 1871 den Satz, der heute wie eine Selbstverständlichkeit anmutet, den aber Bismarck und die Erbauer des Kurfürstendamms auch zehn Jahre später nicht zu würdigen wußten: »Es ist neu und der Betrachtungsweise der Bevölkerung fremd, daß eine Eisenbahn eine Hauptverkehrsstraße einer Stadt sei … Bei großen Städten über eine halbe Million Einwohner müssen mit Lokomotiven betriebene lokale Eisenbahnen die Hauptverkehrsstraßen bilden, deren Durchführung als Hauptstraßennetz der weiteren Entwicklung von Straßenanlagen zweckmäßig vorangeht.« Wie nützlich immerhin das Eingreifen Bismarcks beim Bau des Kurfürstendamms gewesen ist, so wenig wiegt es den Schaden auf, den Bismarck durch die Eintreibung der französischen Milliarden und durch den aus ihnen erwachsenden Schwindel der »Gründerjahre« Berlin zugefügt hat.

Die Hauptverantwortung für die »Gründerjahre« ist durch eine folgenschwere Rede des einst berühmten Landtagsabgeordneten Lasker dem preußischen »Eisenbahnkönig« Strousberg zugeschoben worden. Mit der Beseitigung des »Systems Strousberg« glaubte man die schwer erschütterte deutsche Volkswirtschaft heilen zu können. Bismarck ist der Gönner Strousbergs und seiner riesigen, bis auf den heutigen Tag nützlichen preußischen Eisenbahnbauten gewesen. Er verteidigte Strousberg, auch nachdem 1871 die Kriegswirkungen dessen weit ausgreifende Unternehmungen in Rumänien und damit das »System Strousberg« endgültig zu Fall gebracht hatten, denn – so erklärte Bismarck – »Strousberg ist keineswegs der größte Schuldige, das geht in sehr hohe Kreise, das Gründerwesen«, und »ein gescheiter Mann und ein rastlos tätiger bleibt er doch«.

Strousberg war ähnlich wie Carstenn mit ganz englischer Schulung in die preußischen Verhältnisse hineingekommen. Seine erstaunlichen Leistungen sind heute wie die Carstenns undankbar vergessen. Es ist lehrreich zu lesen, wie Strousberg mit seiner für damalige preußische Verhältnisse fast unglaublichen geschäftlichen Spannkraft und Erfahrung die Entstehung des 5-Milliarden-Schwindels und dessen engen Zusammenhang mit dem Berliner Boden- und Bauschwindel und mit dem polizeilichen Berliner Bebauungsplan beurteilt hat. In seiner Verteidigungsschrift schrieb dieser »gescheite und rastlos tätige Mann« im Jahre 1876 folgendes:

»Financiell und commerciell hat der Krieg Wenigen schwere Wunden geschlagen. Die Speculation ruhte, aber Kriegsanleihen, die bald im Course stiegen, befriedigten diesen Trieb genügend. Kriegs-Lieferungen aller Art ersetzten, was sonst dem Handel verloren gegangen … Nach dem Frieden kamen die Milliarden … Inzwischen wurden colossale Bestellungen für Kriegsremonte und Eisenbahnen ertheilt, Festungs-Erweiterungen und andere Entreprisen wurden mit voller Hand vergeben und Alles war thätig. Überall flossen dem Geldmarkt neue Mittel zu, und ein Hauptfactor, das öffentliche Vertrauen, war unbegrenzt, denn die Milliarden waren unerschöpflich … Profite, wie sonst unerhört, wurden realisiert und alle Welt glaubte, daß dies nur der Anfang einer großen anhaltenden guten Zeit sein werde … Während die Mittel so vorbereitet waren, war das Actien-Gesetz inzwischen derart verändert worden, daß an Stelle der staatlichen Concession die Constituirung von Actien-Gesellschaften nur von gewissen Vorbedingungen abhängig wurde, die leicht und schnell erfüllbar waren … Einem bevormundeten Publicum wurde plötzlich die unumschränkte Freiheit gewährt … Neben der sich aus den allgemeinen Verhältnissen ergebenden Prädisposition, veranlaßte Wohnungsnoth und die daraus sich ergebenden höheren Miethspreise und der Mehrwerth der Häuser in Berlin die erste Bewegung … Es ist mir gleich nach meiner Ankunft in Berlin vor über zwanzig Jahren aufgefallen, daß die Häuserpreise in Berlin außerordentlich und, wenn auch mit Unterbrechungen, dauernd steigen müßten; daß ihre Werthschätzung aber hier auf ganz falschen Grundlagen beruhe … Ich fand, daß der Berliner, wenn er ein Haus kaufen wollte, fast immer den Miethpreis als den ausschließlichen Werthmesser betrachtete, – die Solidität des Baues, … die Klasse von Bewohnern, das zeitweilige Nichtvermiethen als Richtschnur für die Sicherheit der Miethe, die Kosten der Erhaltung wurden selten berücksichtigt … im großen Ganzen war die Frage: ›Wie verzinst sich mein angelegtes Capital‹, – nicht einmal der Kaufpreis –, sondern derjenige Theil des Geldes, den der Käufer anzahlte; und was er dann über 5 pCt. bekam, hieß Überschuß – Gewinn. Diese Verhältnisse und Anschauungen waren dem Speculationsbau günstig, denn nachdem ein Haus gebaut und vermiethet war, blieb dem Erbauer in Folge der obigen Werthschätzung beim Verkauf nicht nur Profit, sondern auch Erstattung aller Damnos und Mehrkosten, die der Credit-Bau und die Hypothekenbeschaffung mit sich brachten. Lieferanten, Baustellen-Besitzer und Wucherer fanden ihre Rechnung dabei, und so nahm diese Industrie folgende Gestalt an: kleine Zimmer- oder Maurermeister oder diejenigen, die als Polirer Erfahrung hatten, sahen sich nach Baustellen um … Es war Usance, daß der Bau-Speculant ohne Angeld kaufte, und daß sich der Baustellen-Besitzer verpflichtete, eine gewisse Summe in Form von Baugeldern zuzugeben, und zwar nach Maßgabe des Fortschrittes des Baues und mit der Bedingung, daß er mit der Kaufsumme und mit der für die Baugelder eingeräumten Hypothek nach Vollendung des Baues zu Gunsten anderer Hypotheken innerhalb einer gewissen Höhe der Feuerversicherungs-Taxe rücken sollte … Das Geschäft war ganz sicher, einen gewissen Credit für Materialien und kleine Handwerksarbeiten hatte Jeder; im übrigen machten es die großen und kleinen Lieferanten wie der Verkäufer der Baustellen, und was zuletzt noch fehlte, die letzten Hypotheken, wurde nach Vollendung des Baues mit schwerem Damno beschafft … Blieben Einzelne in der Ausführung stecken, so erwarb der Stein- oder Holzlieferant, der dem Gläubiger für die Baustelle nachstand, das unfertige Gebäude freiwillig oder per subhasta und vollendete den Bau. Die kleineren Handwerker und persönlichen Gläubiger verloren dabei, der Käufer machte aber immer ein gutes Geschäft. Diese Methode der Bauspeculation führte natürlich zur Überproduction und hatte manche anderen Übel im Gefolge.« Diese »Überproduction« hat sich aus genau denselben Gründen vor dem Weltkrieg wiederholt, so daß Wohnungen straßenweise leer stehen blieben und zum Schaden der Bauhandwerker versteigert wurden. Strousberg fuhr fort:

»Durch den Verruf, in den die Bau-Speculation kam, durch die Verluste, die manche Hypotheken-Gläubiger erlitten, wurde der Speculationsbau eine Zeit lang unmöglich … Kurz vor Ausbruch, während und unmittelbar nach dem Kriege hatten die Wohnungsnoth und die hohen Miethspreise wieder Neubauten veranlaßt und den Preis der Grundstücke gehoben. Das Capital suchte Anlage in Haus-Eigenthum, hohe Preise wurden erzielt, die Käufer verkauften leicht gleich wieder mit Vortheil, und so trat die Häuser-Speculation und damit der Schwindel ein, der nicht nur übertriebene Preise, sondern Baugesellschaften aller Art zur Folge hatte … Die Baugesellschaften erzielten durch Kauf und Verkauf nie dagewesene Vortheile. Schwindler benutzten die Situation, aber ebensoviele Narren wurden reich … Man erntet, was man säet. Ein vom Beamtenwesen bevormundetes Volk weiß Freiheit der Action nicht zu benutzen … Dem plötzlichen Steigen der damaligen Vermögens-Verhältnisse der Geschäftstreibenden entsprechend, gründeten Viele einen Hausstand weit über dem Niveau, welches sonst in Berlin üblich war, große Wohnungen, wie sonst nur wenig gebraucht worden, wurden nun massenhaft gesucht und theuer bezahlt … Die Hypotheken-Institute haben sich der für Hypotheken bestimmten Capitalien großentheils bemächtigt und treiben einen abscheulichen Wucher … In Folge dessen sind viele der neuen Häuser in einem Maaßstab angelegt, der alles hier Dagewesene übertrifft, und so sind denn jetzt, wo sich die Verhältnisse verändert, ganze Straßenzüge unbewohnt.«

Ähnlich wie Strousberg urteilt Bismarck (vgl. unten S. 285). Mit welcher Leichtigkeit damals auf dem Häusermarkt gewuchert werden konnte, schilderte Strousberg, der bei seinen Viehhofbauten, seiner in Berlin einmündenden Görlitzer Bahn und manchem anderen Berliner Unternehmen zu umfassenden Bodengeschäften Gelegenheit hatte, folgendermaßen:

»Ich kaufte in jener Zeit viele Häuser und bezahlte mehr, als andere dafür geboten hatten. Mein Urtheil war aber so richtig, daß ich, in der schlechtesten Zeit zum Verkauf gezwungen, stets mit Vortheil verkaufen konnte … Ich entschloß mich, das Haus zu verkaufen und forderte einen bescheidenen, aber immerhin genügenden Preis. Der Käufer … war aber Berliner und verstand nichts von richtiger Werthschätzung. Annehmend, daß ich Geld brauchte und mit mir handeln lassen würde … zauderte er, während ich mir den Spaß machte, täglich 5000 Thaler mehr zu fordern. Nach dreimaligem Aufschlag … wurde ihm der Spaß zu theuer, und er zahlte mir 15 000 Thaler mehr, als ich ursprünglich verlangt hatte.« Noch treffender ist das, was Strousberg über den engen Zusammenhang des Berliner Bodenwuchers mit dem polizeilichen Berliner Bebauungsplan geschrieben hat:

 

»Eine Baustellennoth kann in Berlin nie eintreten … Berlin kann sich nach allen Richtungen hin ausdehnen und hat genug Bauterrain, selbst wenn sich die Einwohnerzahl verzehnfachen sollte. Die Manie war also künstlich herbeigeführt, und schuld daran war die Behörde durch den Berliner Bebauungsplan und Herr v. Carstenn durch seine Lichterfelder Schöpfung. Angenommen, daß der Berliner Bebauungsplan, wenn ausführbar, an sich gut wäre, und es ein natürlicher Wunsch der dazu berufenen Behörden sein muß, der Erweiterung der Stadt Richtung und so weit als thunlich Form zu geben, so konnte doch nur totaler Mangel an practischer Erfahrung, das unserer Bureaukratie eigene Gefühl der Omnipotenz, der habituelle Dünkel, communale Weisheit, Verachtung des beschränkten Unterthanenverstandes und Unkenntniß der Erfordernisse sowohl als auch des Entwicklungsganges sich rapid ausdehnender großer Städte es für möglich halten, einen Bauplan zu entwerfen und auf Decennien hinaus vorzuschreiben, wie sich Alles gestalten und wohin es sich richten sollte … Jeder, der sich mit Anlage von neuen Straßen oder Herstellung von größeren Bauten in Berlin beschäftigt hat, kann bekunden, daß fast in jedem einzelnen Falle Abweichungen von dem Bebauungsplan erforderlich waren, und wird es von selbst einleuchten, welche Mühen, Zeit- und sich daraus ergebender Zinsverlust dadurch entstanden sind … Diese Abweichungen haben aber nicht nur den Bebauungsplan durchkreuzt, sondern den Zweck mehr vereitelt, als wenn man neben einem allgemeinen Gedanken die natürliche Entwicklung hätte vor sich gehen lassen. Der Bauplan hat die schreiendsten Ungerechtigkeiten und die fabelhaftesten Begünstigungen mit sich gebracht. Es kam vor, daß der Besitzer eines großen Terrains, welches in nächster Zeit Bauland werden konnte, plötzlich ohne Straßenfront oder Zugang war, während ein Anderer große Straßenfront ohne Hinterland besaß. Man kann sich denken, zu welchen Mißhelligkeiten und Erpressungen dieses Anlaß gab, und wie häufig der Eigensinn mitspielte. Dann ist im Interesse der Schönheit oder aus Sanitätsrücksichten ein großer Theil mancher Baustellencomplexe gänzlich in Anspruch genommen für Baufluchtlinien, Vorplätze und Straßen. Erstere bekommt man nicht bezahlt, und hinsichtlich der letzteren wird der Bauconsens so lange unter dem einen oder anderen Vorwand vorenthalten, bis man das Terrain der Stadt umsonst oder zu dem gewünschten Preise hergiebt. Es giebt bei uns kein Mittel, den Besitzer zu zwingen, im Interesse des öffentlichen Wohls Terrain herzugeben und sich mit einer gebührenden Entschädigung abfinden zu lassen, außer des allerhöchsten Privilegiums für die Expropriation, welches hier fast nie ertheilt wird. Andererseits herrscht seitens aller Behörden eine gänzliche Mißachtung der Rechte des Besitzes, und meine Erfahrung, die vielleicht größer ist als die der meisten Privatleute, geht dahin, daß der preußische Beamte, ob staatlich oder communal, der Meinung ist, daß er dem öffentlichen Wohl gedient habe, wenn er den Staat oder die Stadt auf Kosten des Einzelnen bereichert … Der große Übelstand bestand darin, daß man durch den Bebauungsplan plötzlich zahllose Handelsobjecte geschaffen hatte, die noch sehr lange ihren alten Zwecken hätten dienen können; dadurch aber wurde die Speculation in Bauplätzen veranlaßt. Was früher pro Morgen gerechnet wurde, forderte man jetzt pro Ruthe, und Preise, wie sie im Innern der Stadt bezahlt worden sind, wurden dabei als analoge bezeichnet, und hierdurch stellte sich ein ganz unnöthig und vorzeitig hoher Preis für Baustellen heraus. Es sind in Folge dessen verhältnismäßig arme Leute ohne Arbeit zu Millionären geworden; dies hat im höchsten Grade anregend gewirkt, und nichts hat so viel Chance als ein richtiges Treffen in Bauland-Speculation. Es ist natürlich, daß, da nur die Wenigsten ein richtiges Verständnis für solche Geschäfte haben konnten, später, beim Handel mit Baustellen, die Meisten Geld verloren haben. Das Beispiel der durch Bauterrain-Speculationen erzielten Reichthümer war aber zu verlockend, und so haben sich alle Klassen daran betheiligt. Der Bebauungsplan war der Schöpfer, denn bei den, seit seinem Entstehen folgenden Speculationen mit dem Plane zur Hand sah man, wie hingezaubert, Straßen und Stadttheile entstehen, und die Früchte dieser Einbildung sind in der letzten Krisis geerntet worden.« Strousberg fährt fort:

»Die Ausschreitung über die Grenzen des Berliner Weichbildes hinaus, das Außercultursetzen von zahllosen Feldern, meilenweit um Berlin, der Umstand, daß man jetzt da, wo Kartoffeln gepflanzt werden sollten, junge Bäume als Begrenzungen zukünftiger Straßen sehen kann, Terrains, die zehn Millionen Einwohner nicht occupiren könnten – Gesellschaften und Privaten gehörend – und wobei viele Tausende ihr Vermögen verloren haben – dieses Kunststück verdanken wir Herrn v. Carstenn, und hier hat sich die Tugend belohnt, denn der Adel und Millionen sind sein Lohn, außerdem ist er populär geworden … er hat als kluger Geschäftsmann gehandelt, hat die Courage gehabt, hier ein neues Feld in Angriff zu nehmen, mit eignen Mitteln, großer Energie und Ausdauer das Möglichste aus dem Vorhandenen gemacht und reichlich dabei geerntet, er verstand sein Publicum, darum gönnt es ihm seinen Verdienst; er wußte in der Hergabe des Terrains für die Cadetten-Anstalt die Wurst nach der Speckseite zu werfen, ist dafür geadelt und hat dadurch seine Baustellen zu höheren Preisen verkaufen können … Allerdings sind die Nachahmer meistens Pfuscher und Schwindler und haben nicht den Verstand, die Mittel und die Ehrlichkeit des Herrn v. Carstenn mit in das Geschäft gebracht, aber er hat den Weg gezeigt, Sandschollen Meilen weit von Berlin in Bauterrains zu verwandeln, er hat den Handel mit solchen Baustellen eingeführt. Sandschollen waren im Überfluß vorhanden. Die Zeit war günstig, und Andere setzten das Geschäft in einem Maaße fort, welches kaum berechenbaren Schaden und Verlust verursacht hat.« Soweit der gestürzte »Eisenbahnkönig« Strousberg, dem der beneidete von Carstenn bald in den wirtschaftlichen Niedergang folgte. Noch schwerer als die Gründungen von Carstenns in Lichterfelde traf der Milliardenschwindel die Siedlung Westend. Ihr Gründer, Quistorp, war (wie während der jüngsten Inflation Mehring-Piscators »Kaufmann von Berlin«) als ein zugrunde gerichteter Mann nach Berlin gekommen. Er hatte die ersten Mittel für Westend von seinem Bruder, einem wohlhabenden Fabrikanten, erhalten, der durch Schriften von V. A. Huber angeregt Arbeiterwohnungen für seine Fabriken in Pommern gebaut hatte und das Geld hergab, weil ihm versichert wurde, Westend solle ein gemeinnütziges Unternehmen im Sinne der Wohnungsreform werden. Man gründete die Genossenschaft »Deutscher Zentralbauverein«, veröffentlichte Baupläne für Einfamilienhäuser von 3000 Mark und gewann auch die Beteiligung wohlhabender Leute mit größeren Villen. Als dann aber nach dem Krieg das Gründungsfieber um sich griff, wurde Quistorp zu einem der »blutigsten« unter den »Gründern«, er erklärte die Genossenschaft für »das Experiment eines humanen Prinzips« und verwandelte sie in eine Aktiengesellschaft. Ihre Aktien wurden zu einem der Hauptspielpapiere der »Gründerjahre«. Westend wurde zum Knoten eines Rattenkönigs von schwindelhaften Gründungen und zu einem Musterbeispiel der verheerenden Wirkungen, die von der Bodenspekulation unter den preußischen verwaltungstechnischen, steuer- und pfandbriefrechtlichen und sonstigen städtebaulichen Verhältnissen ausgehen können, wenn steigende Mieten und Bodenpreise der Phantasie unbegrenzte Möglichkeiten vorzaubern. »An die Förderung der Genossenschaft und der Bauunternehmungen wurde gar nicht mehr gedacht, sondern vor allem an der Börse gespielt und immer neue Gesellschaften gegründet, deren Effekten zu neuen gesuchten Börsenpapieren wurden« (Wiß). Fabrikanlagen zur eigenen Herstellung der Baumaterialien und neue Terraingesellschaften, in Reinickendorf, Köpenick, Teltow und Breslau, Magdeburg, Bad Elmen, Thale am Harz, Frankfurt a. Main usw., wurden mit 90 Millionen Mark schwindelhaften Kapitals gegründet. Als dann endlich der Börsenkrach das ganze Kartenhaus zusammenblies, war der Kurswert der Aktien der meisten Gesellschaften geringer als die schwindelhaften Jahresdividenden, die früher darauf erklärt worden waren. Auf der Höhe von Westend blieben die halbfertigen Landhäuser unvollendet stehen als die sogenannten »Krachruinen«. »Längere Zeit vor der Katastrophe«, so schrieb Dr. E. Wiß, der gemeinnützig denkende Generaldirektor von Westend, »war ich in H. Quistorp gedrungen, für die Genossenschaft des Deutschen Zentralbauvereins mehr zu tun. Eine Menge von Anforderungen traten an mich heran für Villen von tausend, zwei-, vier- und mehr tausend Talern; H. Quistorp sagte, es würde zu wenig dabei verdient, er wolle nur noch Villen von mindestens 30 Tausend Talern bauen und als ich einwarf, da könne er lange warten, bis das große Baugelände bebaut sei, meinte er: ›Ach, was; die Leute müssen noch auf Knien den Spandauer Berg heraufrutschen, um eine Bauparzelle von Westend zu bekommen.‹«

Was sich in Westend begab, geschah damals in allen Himmelsrichtungen des Berliner Weichbildes. Die segensreichen Gedanken Hubers und Fauchers wurden durch die amtlich geförderte Spekulation in ihr genaues verhängnisvolles Gegenteil verkehrt. Der Gedanke, daß man mit der Bauunternehmung hinausgehen müsse aus dem schmalen Ring, der bereits von der Spekulation ergriffen war, führte einfach dazu, daß die Spekulation auch den zweiten und dritten Ring ergriff, daß sich der schmale Ring der Spekulation in einen breiten Ring wandelte. Der Unfug des Berliner Bebauungsplanes mit seiner Aussicht auf Mietskasernen für vier Millionen Menschen steckte an und teilte sich der Nachbarschaft der Viermillionenkasernierung mit. Dr. Schwabe, der Direktor des Statistischen Amtes der Stadt Berlin, schätzte damals die Bewohnbarkeit der zur »Gründerzeit« in Aussicht gestellten Neubauten und fand, daß sie für eine Bevölkerung von neun Millionen Menschen ausreichten. Wenn das Polizeipräsidium, von dem man annehmen konnte, daß es konservativ und vorsichtig sei, mit seinem Bebauungsplan auf Mietskasernen für vier Millionen Menschen gerechnet hatte, war es den Phantasten der »Gründerjahre« kaum zu verargen, wenn sie für ein sehr viel größeres Gebiet auf neun Millionen spekulierten. Neun Millionen klingt phantastisch, wenn man sie mit London vergleicht, das noch heute, sechzig Jahre später und in seiner größten Ausdehnung berechnet, die Neun-Millionen-Zahl nicht überschritten hat. Aber diese neun Millionen der Berliner Bodenspekulanten sind zahm verglichen mit den bald darauf folgenden Ausschweifungen der Kgl. Preußischen Regierung. Auf Grund der Bauordnungen und Bebauungspläne, die bis zum Jahre 1913 allmählich vom preußischen Staate erlassen oder genehmigt worden waren, konnten in Groß-Berlin – nach den vom »Architektenausschuß Groß-Berlin« 1913 veröffentlichten Berechnungen – 21 Millionen Menschen Platz finden. Sogar nach der kräftigen Beschränkung der Bauhöhen (Herabzonung), die nach dem Sturz der Kgl. Regierung endlich möglich wurde, beläuft sich (so berechnet eine Denkschrift der Berliner Stadtbauräte Martin Wagner und W. Koeppen) »die in Zukunft mögliche Bevölkerung der Stadtgemeinde Berlin auf Grund der Bauverordnung vom 3. November 1925« noch immer auf 9 440 000 Personen, entsprach also überraschend genau noch immer den wilden Phantasien der Gründerzeit.

Doch 1925 wie 1873 handelte es sich nur um spekulative Wohngelegenheit auf dem Papier. Die dringend nötigen Häuser wurden im reichen Berlin von 1873 noch weniger gebaut als im armen Berlin von 1930. Statt dessen reiften in den Gründerjahren die Früchte der (im XXI. Kapitel geschilderten) Langsamkeit und Verständnislosigkeit, mit denen der preußische Staat die Verwendung landwirtschaftlich genutzten Bodens für dringende städtebauliche Zwecke endlich gesetzlich ermöglicht hatte. Es war, als habe der Staat dabei nicht für das Wohl der Gesamtheit, sondern nur für den Vorteil einiger Grundbesitzer und Spekulanten und für die Aufblähung des Fünf-Milliarden-Schwindels von 1872 arbeiten wollen. Die gesetzliche Befreiung des landwirtschaftlichen Bodens von feudalen Lasten und die allgemeine Einführung des freien modernen Grundeigentums war zwar schon durch ein Gesetz des Jahres 1850 erfolgt; aber dieses Gesetz wirkte sich erst in den sechziger und besonders in den siebziger Jahren aus: gleichsam als staatliche Vorbereitung für die Bodenspekulation der »Gründerjahre«. Durch dieses Gesetz hatte die Stadt Berlin ihr ganzes auf Erbpacht an Kolonisten ausgetanes Land und der staatliche Fiskus alle vererbpachteten Domänen verloren, ohne daß die künftigen städtebaulichen Notwendigkeiten Berlins und sein deutlich sichtbarer künftiger Bedarf an Land für öffentliche Bauten, für Parkanlagen und Freiflächen aller Art und für Wohnzwecke dabei irgendwie gedeckt worden wäre. Die Erbpacht, deren für den englischen Städtebau segensreiche Wirkung Carstenn 1854 kennenlernte, war gleichzeitig in Berlin für die Zukunft verboten worden. Ein verständnisvoller Versuch, sie für Berlin wieder einzuführen, den der Berliner Oberbürgermeister Hobrecht (der verdienstvolle Bruder des berüchtigten Baurates) 1871, zu Zeit größter Wohnungsnot und höchster Bodenpreise, machte, scheiterte schon an dem Widerstand der Stadtverordneten, vom Staat ganz zu schweigen.

Die zahlreichen bäuerlichen »Kolonisten« in den Waldgebieten, die Bauern, ehemaligen »Kossäten« und »Büdner«, die sich seit 1850 freie Grundbesitzer nennen durften, waren noch mit der Ablösung ihrer dinglichen Lasten beschäftigt, »als auch schon in den Dörfern bei Berlin die moderne Bodenspekulation, die zu ihrer vollen Entfaltung des freien Grundeigentums bedarf, einsetzte und den märkischen Sandboden für seine Besitzer in kalifornische Goldfelder verwandelte. Bauern und Kossäten, die bisweilen noch in der Erbuntertänigkeit geboren waren, die vielfach noch selbst hatten Hofdienste leisten müssen, wurden schon in den sechziger Jahren und vor allem zu Anfang der siebziger Jahre in raschem, unvermitteltem Aufstieg aus Dürftigkeit und Unbildung, ohne die leiseste Anstrengung, ohne eine Spur eigener Intelligenz zu reichen Leuten, oft zu Millionären umgewandelt. Es entstand jene eigentümliche soziale Klasse, die unter dem Namen »Millionenbauern« allgemein bekannt geworden ist« (Paul Voigt).

Auf diesen Bauern lastete der Fluch der jahrhundertelangen Bauernunterdrückung, die einen wesentlichen Teil des staatlichen Systems Preußens darstellte. Es handelte sich also nicht um freie Bauern, wie sie der deutsche Westen kennt, wo die Macht Friedrichs II. und der »lastende, entwürdigende Druck seines königlichen Daseins« (Thomas Mann) nie zu voller Geltung gekommen war. Es handelte sich nicht um wirtschaftlich und geistig aufgeweckte Bauern, wie sie sich Dänemark seit 100 Jahren erzogen hatte. Es handelte sich um ostelbische »Kossäten«. Die preußische Dreiklassenverfassung war das Mittel und Sinnbild ihrer Knechtung. Aber die rächende Ironie der Geschichte wollte, daß in der Schicksalsstunde, die Berlin zur Großstadt und Reichshauptstadt machte, dieselbe preußische Verfassung gerade diesen geistig und gesellschaftlich Tiefstehenden die Herrschaft über die neue Reichshauptstadt ausliefern mußte. Denn sie waren plötzlich reich geworden. So treffend bewahrheitete sich das bereits erwähnte Bismarck-Wort der Kreuzzeitung: »Dies Wahlsystem ist nichts anderes als die Repräsentation des Geldkapitals mit dem lügnerischen Schein, daß es eine Vertretung des Volkes wäre. Es ist die Herstellung einer modernen Geldaristokratie, welche alles Höhere und Edlere, nach oben wie nach unten, je länger, desto mehr, in den Staub des gemeinsten Materialismus herunterzieht.«

Diese neureichen Grundbesitzer bestimmten künftig, welche für Berlin dringenden Maßnahmen jeweils verschleppt werden sollten. Aus derartigen Köpfen erwartete die preußische Hauptstadt die Einsicht, den Willen und die Fähigkeit für die größten und auf Jahrhunderte hinaus wichtigen Entscheidungen. Aus derartigen Köpfen kam auch der erbitterte Widerstand gegen die Kanalisation Berlins und später gegen die bescheidenen Maßregeln zur Bekämpfung der Mietskaserne, zu denen sich seit 1891 die preußische Regierung allmählich aufraffte, als jahrzehntelanges Predigen und Wiederholen die selbstverständlichen Notwendigkeiten der Wohnungsreform den am wenigsten Rückständigen unter der staatlichen Beamtenschaft begreiflich zu machen anfing. Viele von den neuen »Geldaristokraten« und Bodenspekulanten blieben auch nach dem Verkauf ihrer Äcker Hausbesitzer und beherrschten das eine Hundertstel der Bevölkerung, dem die Verfassung die Hälfte der Stadtverordnetensitze zusicherte; sie wählten dank ihres neuen Reichtums in der ersten, übermächtigen Steuerklasse. Viele von ihnen blieben so die eigentlichen Gewinner des Fünf-Milliarden-Schwindels, auch nachdem mancher Käufer ihrer überteuerten Gelände Bankrott gemacht hatte.

1872 konnte der Statistiker Ernst Engel jedoch feststellen: »Auf zwei Meilen im Umkreis von Berlin ist sämtliches Land in die Hand von Baustellenspekulanten übergegangen, ohne daß an eine Bebauung dieses Landes auf Jahre hinaus zu denken wäre. Nach den bestehenden Grundsteuergesetzen bleibt solches Areal so lange ein niedrig besteuertes Liegenschaftsobjekt, als es nicht als Baustelle benutzt wird, obschon es seine wahre Natur ganz und gar verändert hat, für viele bereits eine Quelle hohen Einkommens geworden ist, bis auch der letzte Besitzer, sofern seine Spekulation glückt, an die Reihe des Erntens kommt.« Da Berlin trotz der Gründerjahre wuchs und – nach einem Berliner Börsenwort – »in seine Hypotheken hineinwuchs«, war das »Ernten« bis zum nächsten Krieg nicht gefährdet.

Seit 1871 wurde Berlin überschwemmt mit »Baugesellschaften«, deren hauptsächliches Geschäft die Bodenspekulation wurde. Soweit überhaupt gebaut wurde, kam es weniger den neuen Landhaussiedlungen als der Innenstadt zugute, wo sich die Bauabsichten häuften. Einige wurden ausgeführt. Ihre heute noch erhaltenen Überreste erwecken wenig Ehrfurcht vor der wirtschaftlichen und künstlerischen Kraft des milliardenreichen Berlin nach dem siegreichen Krieg. Damals wurde die »Kaisergalerie« gebaut, die heute noch als die »Passage« zwischen Friedrichstraße und Unter den Linden den zweideutigen Geist der »Gründerjahre« spiegelt.

August Orth tadelte mit Recht, daß beim Rau dieser anspruchsvollen »Kaisergalerie« die Verbreiterung der Friedrichstraße versäumt wurde. Noch bescheidener waren die Erfolge des »Linden-Bauvereins«, der eine »Friedrich-Wilhelm-Straße« als »Prachtstraße« bauen wollte, aus der sich die heutige »Lindengalerie« ärmlich genug entwickelt hat. Viel Aufsehen erregte damals die Beuthstraße mit dem »Industriegebäude« auf dem Gelände der alten Franzkaserne und das »Berliner Palais Royal« sowie der von »72 000 Gasflammen« erleuchtete »Stadtpark« auf dem Gelände des heutigen Centralhotels und Wintergartens. Verkehrspolitisch bedeutsam, wenn auch sehr störend für die Schönheit des Wilhelmplatzes ist die Voßstraße geworden, die als einziger von den Straßenbauplänen der »Deutschen Baugesellschaft« verwirklicht wurde. Dicht dabei wurde 1873 bis 1876 der erste große Gasthof Berlins, der Kaiserhof, gebaut, mit Möbeln von zwei neuen, bereits im Gründerkrach bankerott gegangenen Wiener Hotels eingerichtet und von Wilhelm I. eingeweiht. Angesichts des Gründerluxus sagte er zum Prinzen Karl: »Wir können es nicht so haben.« Zehn Tage später brannte der Millionenbau ab und wurde wieder aufgebaut.

Am 1. Juni 1872 gab es 25 Baugesellschaften mit einem Kapital von 104 Millionen Mark, von denen mehr als die Hälfte innerhalb des vorangehenden Jahres gegründet waren. Im folgenden Jahr wuchs die Zahl auf 45. Die Erklärung schwindelhafter Dividenden ermöglichte erstaunliche Preistreibereien mit den Aktien und riesige Börsengewinne durch ihren Verkauf. Die Folgen des siegreichen Krieges von 1870 ähneln überraschend den Folgen des Weltkrieges. Die Berliner »Intelligenz«, die Beamtenschaft und der Adel, über deren gleichgültige Zurückhaltung gegenüber der »Gemeinnützigen Baugesellschaft« 20 Jahre vorher Wilhelm I., V. A. Huber und C. W. Hoffmann bitter hatten klagen müssen, wurde nach 1871 wie von einem Taumel ergriffen und beteiligte sich in beschämender Weise an zweifelhaften finanziellen Abenteuern.

Der Zusammenbruch, in dem erst Strousberg und dann von Carstenn und viele weniger Mächtige zu Fall kamen, begann 1873. Von den zahllosen Bodenspekulationsgesellschaften blieben nur sieben am Leben. »Durch die Gründerjahre wurde in vollständiger Verfälschung der ursprünglichen, an die englischen Baugenossenschaften anknüpfenden Ideen die Ära der kapitalistischen Terrainspekulation für die Berliner Umgegend eingeleitet. Ein großer Teil des Grund und Bodens kam in die Hände gewerbsmäßiger Terrainspekulanten. Mit einem Schlage wurden die Grundbesitzer der Umgegend über die Möglichkeit, durch Verwandlung ihrer Sandschollen in Bauland fabelhafte Reichtümer zu erwerben, aufgeklärt. Die Wertbegriffe erfuhren eine vollständige Umgestaltung; die Bodenpreisbildung vollzog sich jetzt überall unter Rücksicht auf die Möglichkeit der zukünftigen Verwertung als Bauland. Wohl trat in der zweiten Hälfte der siebziger Jahre ein starkes Sinken der Bodenpreise ein; an vereinzelten Stellen fand sogar zeitweise eine Rückbildung zum Ackerwert statt. Im allgemeinen aber hielten begreiflicherweise die Grundbesitzer überall dort, wo einmal eine stärkere Terrainspekulation eingesetzt hatte, an der Bewertung ihrer Ländereien als Bauland fest, wenn sie auch zu erheblich niedrigeren Preisen als in den Gründerjahren zu verkaufen bereit waren.« (Dieses Zitat entstammt der 1901 veröffentlichten Untersuchung von Paul Voigt.)

Der ruhmvolle Krieg von 1871 hatte Berlin in einen ähnlichen Zustand versetzt, wie ihn der »Große« Kurfürst zu Ende des Dreißigjährigen Krieges vorfand: nach beiden Kriegen war der Berliner Grundbesitz derartig mit Verpflichtungen aus der Kriegszeit überlastet, daß ein großer Teil der Grundstücke »wüst« liegengelassen wurde und »ungenießbar« blieb. Nach dem Dreißigjährigen Krieg waren es Steuerrückstände, die auf den Grundstücken lasteten. Nach dem Krieg von 1871 stammte die Belastung aus den spekulativen Vorstellungen, die sich die Grundbesitzer vom künftigen Wert ihres Bodens machten. Ähnlich war es nach dem Siebenjährigen Krieg gewesen. Damals hatte Friedrich II. erfolglos gegen die »sich von ihrem Grundbesitz einen übertriebenen Wert einbildenden Eigentümer« gewettert. Auch nach den »Gründerjahren« sorgten preußische Regierung und Gesetzgebung dafür, daß der große »Krach« keine reinigende Wirkung auf den Bodenmarkt hatte.


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