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Brandenburger Tor. Stadtseite.
Erbaut von C. G. Langhans 1789 bis 1793
»Hugo Preuß ist es gewesen, der den Berliner Gedanken zum Aufbau der neuen Großstadt die Form gab.«
Adolf Wermuth, der letzte Oberbürgermeister des alten Klein-Berlin und der erste Oberbürgermeister der großen Einheitsgemeinde Berlin
Möge das steinerne Berlin unter der neuen, volkstümlicheren Staatsverfassung, die Hugo Preuß schaffen half, sich zur geistigen Hauptstadt Deutschlands entwickeln! Denn dieser höchste Rang blieb Berlin noch versagt unter der aristokratischen Verfassung, die 1918 auf die »inständigsten Bitten« der Heeresleitung und der Regierung vom alten Herrenhaus abgeschafft wurde, und deren Wesen schon früher die Preußische Kreuzzeitung in ihrem durch Bismarck inspirierten Aufsatze vom 18. April 1866 fast zu unfreundlich geschildert hat: »Das Dreiklassenwahlrecht ist nichts anderes als die Repräsentation des Geldkapitals mit dem lügnerischen Schein, daß es eine Vertretung des Volkes wäre. Es ist die Herstellung einer modernen Geldaristokratie, welche alles Höhere und Edlere nach oben wie nach unten je länger desto mehr in den Staub des gemeinsten Materialismus herunterzieht.«
Hugo Preuß ist mir seit 1910 ein unschätzbarer Förderer meiner städtebau- und geschichtskritischen Bemühungen geworden. Er wies mich als erster und einziger auf einen politisch bedeutsamen Irrtum hin, den ich als Generalsekretär der »Allgemeinen Städtebau-Ausstellung Berlin 1910« in meiner ersten Arbeit über die Berliner Baugeschichte veröffentlichte. Mein Buch war auf Grund eingehender Studien zu einer Verurteilung der im 19. Jahrhundert in Berlin geübten städtebaulichen Methoden gelangt, hatte aber für die vorangehenden Jahrhunderte ziemlich kritiklos die herrschende These von der Vortrefflichkeit des Berliner Städtebaues wiederholt. Nachdem meine Arbeit in allen Lagern eine ungewöhnlich gute Presse und sogar ungeteilten Beifall gefunden hatte, widmete ihr Hugo Preuß eine konstruktive Kritik (veröffentlicht im »Archiv für Rechts- und Wirtschaftsphilosophie«, 1913), für die ich im zweiten Teile meines Buches über die Berliner Städtebau-Ausstellung (veröffentlicht im Sommer 1913) folgendermaßen dankte:
»Sehr wesentlich für den Verfasser war eine zustimmende Äußerung von Herrn Stadtrat Professor Dr. Hugo Preuß über die im ersten Teile dieser Arbeit ausgesprochene Ansicht, daß der große Berliner Bebauungsplan von 1858-62 im wesentlichen eine Kraftäußerung des staatlichen Fiskalismus darstelle. Allerdings glaubte Professor Preuß hinzufügen zu müssen, daß der Verfasser zusammen mit Paul Voigt und Rudolf Eberstadt die Leistungen des absolutistischen Städtebaues im 17. und 18. Jahrhundert überschätze. Nachdem der erste Teil dieser Arbeit in der Tat Anlaß zu diesem Verdacht gegeben hat, kann hier versichert werden, daß die für den zweiten Teil erforderlichen Studien den Verfasser von jeder Hinneigung zum Absolutismus im Städtebau geheilt haben, wie das ja auch im Texte klar zum Ausdruck gebracht ist. Wenn der städtebauliche Absolutismus in Berlin schon bald nach der Überschreitung der Bevölkerungszahl 100 000 versagte (wie doch vom Verfasser bereits bei der Beurteilung der zwangsweisen Miethausbauten Friedrichs des Großen deutlich ausgesprochen wurde), so hat sich der Absolutismus in Paris, wo es sich schon um eine Großstadt und bereits um das mit dem Wachstume der Großstädte noch heute verbundene politische Albdrücken handelte, mit seinen Versuchen, das städtische Wachstum zu beschränken, völlig lächerlich gemacht. Was eine wachsende Stadt zu brauchen scheint, sind weniger despotische Aufklärung und aus polizeilicher Einsicht festgelegte Bebauungspläne als vielmehr die Freiheit, sich auszudehnen und die Kinderkrankheiten durchzumachen nach dem Satze: »Wer Männer will, muß Knaben wagen.« Der im Auslande so viel bewunderte, früher absolutistische, heute polizeiliche Städtebau erinnert etwas an die scheußlichen Mittel, mit denen man an den Königshöfen der Renaissancezeit manchmal heranwachsende Knaben kuriositätshalber in ein gewolltes widernatürliches Wachstum zwängte, so daß keine Männer daraus wurden, sondern ihre Körper die Gestalt einer wandelnden Spottfigur, Vase oder Aschenurne annahmen. Die kasernierten Städte des europäischen Festlandes sind auch derartige widernatürliche Graburnen.«
Die folgende Baugeschichte Berlins enthält eine Zusammenfassung meiner hier erwähnten Studien, die zum Teil auf die Anregung von Hugo Preuß zurückgehen. Die Ergebnisse dieser Studien wurden in meiner 1924 zum ersten Male veröffentlichten Arbeit über Friedrich den Großen angedeutet; sie wurden großenteils mit Hugo Preuß durchgesprochen und haben seinen Beifall gefunden, wie er auch viel für das Bekanntwerden meines Buches über Friedrich den Großen getan hat.
Im Geiste von Hugo Preuß, der nicht nur Gelehrter war, sondern auch Politiker und ehrenamtlicher Stadtrat, möchte die vorliegende Veröffentlichung »über das steinerne Berlin« einen gefährlichen deutschen Wahn überwinden helfen. Es ist ein deutscher Wahn, eine geistige Hauptstadt könne möglich sein, solange die sogenannten Gebildeten sich beinahe etwas darauf zu gute tun, von städtebaulichen Dingen wenig zu verstehen. Nichts aber ist sicherer, als daß es auch beim Wachsen der Städte der Geist ist, der sich den Körper baut, und daß Berlin, wenn es in vieler Hinsicht verbaut, protzig und armselig ist, nur dann neu gestaltet werden und die Hoffnungen der besten Deutschen erfüllen kann, wenn vorher der deutsche Geist aufhört, in mancher Hinsicht unpraktisch, protzenhaft und armselig zu sein. Vorläufig heißt eine der umfassendsten und vielleicht die erstaunlichste Leistung des deutschen Geistes: Berlin, die größte Mietkasernenstadt der Welt.
Berlin, Januar 1930
Denkmal Friedrichs II. Hauptansicht von Unter den Linden her. –
Unter dem Pferdeschwanz: Kant, der nie nach Berlin kam, und Lessing, der aus Berlin vertrieben wurde, unterhalten sich hinter dem Rücken des Königs, der die Großen seines Landes nie kennenlernte.
Enthüllt 1851. Von Rauch
Vom Reichstag (links unten) bis zum Rathaus (rechts oben). Der Turm des roten Rathauses beherrscht seit 1868 die Blickachse der Via triumphalis Berlins