Anastasius Grün
Gedichte
Anastasius Grün

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Zur Verständigung.

An Eduard von Bauernfeld.

(Mit Bezug auf dessen Gedicht »Einem Dichter, meinem Freunde« in
Fried. Witthauers Wiener Zeitschrift v. J. 1843. Nr. 40.

An einen Dichter, meinen Freund
                        O du Beneidenswerter, in ländlich reizender Stille
Sein eigen Feld bebauend, du wahrer beatus ille!
Du bist ein Freund – im Leben und Poesie – von Rosen,
Und lassest sie als Kränze um dein' und unsre Stirne kosen.

Dein Vers ist, was er sollte bei allen Dichtern sein:
Ein duft'ger Blumenbüschel, Gewebe zart und fein,
Ein Klingen und ein Singen aus innerstem Herzenstrieb,
Drum waren deine Lieder von jeher uns so wert, so lieb.

Und gibst du nur dich selber, und was du hast und bist,
So wisse, daß uns eben die Gabe die liebste ist;
Poeten waren nicht immer von flüchtigem Gelichter,
Und ist der Mensch ein ganzer. so gibt's auch einen ganzen Dichter.

Wie sich das kleine Vöglein beim Regen duckt hinterm Zaune.
So sitzt die heutige Muse versteckt, voll übler Laune,
Und brütet über Dingen, die nicht poetisch sind,
Und hegt und pflegt ein totes, undichterisch-politisch Kind.

Die Dichter machen Verse, doch Lust- und Lebenlose,
Zwar glattre, aber kalte; die meisten schreiben in Prose;
Und was sie singen, es lebte nicht früher im Gemüte,
Drum ist nicht frische Blume ihr Lied, nur kranke Treibhausblüte.

Des Busen nicht von großen Gedanken mag entbrennen,
Der soll sich fürder wahrlich nicht einen Dichter nennen;
Auch war's von je, ich weiß es, der echten Dichter Art,
Zu schöpfen aus der neuen und jung-lebend'gen Gegenwart.

Doch wer die Zeit erfasse, der muß sich erst befreien
Von ihren Altersschlacken, vom Rufe der Parteien:
Die dichterische Wahrheit, die ewige, nimmer alte,
Sie liegt im Menschengeiste und nicht in einer Zeitungsspalte.

Wohl mancher mag in Prosa ein tüchtiger Kämpfer sein,
Doch klingt der Modeschlachtruf in Versen gar nicht fein;
Der Dichter ist kein Plänkler, der den einzeln Feind erschießt,
Ein Feldherr ist's, der im Busen des Feldzugs großen Plan verschließt.

Was wär' das für ein Feldherr. der so mit einem Male
Das große Geheimnis kund gäb' jedwedem Korporale?
Der Troß steht in den Reihen, der Dichter sitzt auf dem Throne;
Der Dichter ist kein Gemeiner, der Dichter ist Napoleon.

Ob der und jener falle, den Führer mag's nicht kümmern,
Noch will er, einem zu Liebe, den großen Plan zertrümmern;
An Menschen fehlt es niemals. die bauen oder streiten,
Doch Bauherr oder Feldherr – sein Geist muß über der Masse schreiten.

Und vollends nun ein Dichter! Was helfen dem die andern?
Er muß im Waldesdunkel und still und einsam wandern;
Das wollen selbst die Besten, die's gut und ehrlich meinen,
Die Besten nicht begreifen: Der Dichter will für euch nur scheinen.

Er schafft ein Werk, ein ganzes, voll holder Phantasien,
Erlebt, durchdacht, empfunden: euch soll's die Brust durchziehen,
Und euch an alles mahnen an alles und an nichts;
Nicht eine Lamp' anzünden: es sei ein Strahl des ewigen Lichts.

Nicht wackere Gesinnung, noch modernes Element
Genügt für einen Dichter; der Dichter braucht – Talent;
Nicht in Journalartikeln läßt sich Genie erlernen,
In Blumen bricht's aus der Erde und leuchtet droben bei den Sternen.

Heil dir, mein Freund, mein Dichter, daß dir der Himmel gegeben
Die reizend-süßeste Gabe: Den Dichterblick im Leben;
Und laß die Leute nur schelten, und laß sie schütteln die Ohren,
Und denke dir: »Wo nichts ist, da hat der Kaiser sein Recht verloren.«

Drum leb' in Waldesdunkel, still und zurückgezogen,
Im Arme der Geliebten, und schwinge den Dichterbogen;
Und schieße goldne Pfeile in unser Herz hinein,
Ein Labsal uns, die täglich nur lesen vom Gewerbverein.

Leb' wohl, Beneidenswerter, in ländlich-reizender Ruh',
Dein eigen Feld bebauend, ein wahrer Beatus du!
Und laß sie draußen nur kritteln, und laß sie draußen tosen:
Du schmücke dein Haupt und unsres mit frischen und poetischen Rosen.

Wien, am 20. Februar 1843.

Bauernfeld.


)

Im März 1843.

                                Ich fuhr aus Wiens Gemäuern, der Stadt, mir lieb vor allen,
Die meine Jugend pflegte, mein erstes Dichterlallen,
Die treu bewahrt dem Manne manch Freundesherz, erkoren,
Und die ich Mutter nenne, da sie mir Brüder doch geboren.

Nacht war es rings und Schweigen. Mein Träumen war umklungen
Noch von dem Wort der Liebe, das du mir jüngst gesungen;
Stumm schliefen an meiner Seite im Wagen die Genossen,
Auswanderer zu fernem Grunde: ein Bündel junger Rosensprossen.

Zwei Liebende in der Laube, die haben sich viel zu sagen,
Doch sollten wir draußen lauschen, es wäre schwer zu ertragen;
Der Rose Freund – du weißt es – in Poesie und Leben,
Vergaß ich oft, ihr huld'gend, daß liebe Lauscher mich umgeben.

So ward ihr Duft unmerkbar in meinem Lied zur Fehle,
Doch bangt nicht, daß ihr Blühen euch allzuoft noch quäle;
Sind erst erkannt die Fehler, bald sind gebessert sie,
Leicht ist entbehrt ein Röslein im unermeßnen Reich Poesie!

Doch halt, da hätt' ich die neuste Grenzmarkung bald vergessen,
Die Politik, das Steinland, allein ihr zugemessen;
Das wären schmale Grenzen! Vor Jahren scholl die Klage,
Daß Politik den Durchmarsch poet'schem Truppenvolk versage.

Ein Zug von kecken Reitern gewann dem großen Staat
Das kleine Nachbarländchen; o schöne Waffentat!
Begeisterung führte das Häuflein, bin auch gewesen dabei,
Am Helm die Lieblingsblume, und eben nicht in letzter Reih'!

Nun soll das Reich nur die eine, erkämpfte Provinz umfassen,
Die schönen Stammeslande verödet stehn, verlassen!
Empor all' ihr getreuen Vasallen der Poesie,
Laßt nicht die Heimat schmälern und ruft im Zorne: Nein und nie!

Der Bajonette Flimmern in einer Vollmondnacht,
Patrouillenruf ums Lager, Wachfeuer, Vorpostenwacht,
Das Flüstern der Parole, das Rasseln der Batterie,
Es ist ein Stück Poesis, doch nicht die ganze Poesie.

Die ist kein Bergschacht Erzes, für euch zur Waffenstätte,
Doch auch nicht Blumenwiese, die andre zu Schlummer bette,
Und nicht der fette Acker, der jene mit Brot versehe;
Sie ist die ganze Erde mit allem Jubel, allem Wehe.

Sie ist kein träger Weiher, der Spiegel der Libelle,
Kein Strom, der euren Münzen flößt die goldreiche Welle,
Kein Bächlein, Eschen tränkend zum Schaft für eure Lanze;
Sie ist das ganze Weltmeer mit allen Schrecken, allem Glanze.

Sie ist kein einzeln Sternlein, das liebekrank sich härmt,
Sie ist auch nicht die Sonne, die Weltbeherrschung schwärmt;
Auch kein Komete, Herold von Krieg, Pest und Gericht;
Sie ist der ganze Himmel mit aller Nacht und allem Licht.

Sie liegt nicht bloß im Worte, das durch die Welt sich schwang
Auf Blättern, Mimenlippen und zum Gitarrenklang;
Wie Pracht der Alpenblumen, die ungesehn geblieben,
So sind's vielleicht die größten der Dichter, die kein Wort geschrieben.

Denn viel Metalls klingt über die Erde ausgegossen;
Doch mehr noch halten die Berge in stummer Kluft verschlossen;
In Fülle bei Menschenfesten Demanten, Perlen glänzen,
Mehr birgt noch Schacht und Welle, sich selbst zu schmücken und zu kränzen.

Es ist all' irdisch Dichten ein nie beendet Lernen,
Ein Lesen der Meisterwerke aus Blumen, Wellen, Sternen,
Jetzt Mondennacht Idylle, jetzt Hochgewitters Ode;
Wer las das Buch zu Ende? der große Geist bleibt uns Rhapsode.

Doch er, ein milder Meister, will alle unterrichten,
Nach aufgegeben Reimen in seiner Art zu dichten;
Er läßt sie niederflattern auf weißen Blütenblättern,
Schreibt auf die schwarze Tafel des Himmels sie mit goldnen Lettern.

Nun, Schüler, versucht die Lösung! Doch sei's kein klappend Klingen,
Der Reim muß Herzen versöhnen und muß die Geister beschwingen!
Horch, Trennung braust das Weltmeer hin zwischen Land und Land,
Da knüpft das Schiff der Menschen des Reims und Wiederfindens Band.

Sieh dort, wo erst noch Wüste, kein Blühen, Singen, Keimen,
Des Bauers Pflug und drüber die Lerche köstlich reimen!
Sieh, an des Ufers Hütten die Brandung schleudert der Sturm,
Der Mensch erlernt vom Felsen den Reim und baut sich Wall und Turm.

Nun Anmut naht und Schönheit – wer da verschont noch bliebe
Vom Dichterruf! – doch findet sich darauf ein Reim nur: Liebe!
Der Mensch, der schwer zu reimen vermag sein irdisch Leid,
Ersann am Grab der Liebe den kühnen Reim: Unsterblichkeit.

Der Regenbogen in Farben, nach Wettern aufgezogen,
Ist mir ein etwas größrer Mailänder Friedensbogen;
Dünkt eine Riesenkokarde er euch, möcht' ich nicht schelten,
Der Meister läßt uns alle, o lassen wir auch all' uns gelten!

Auf Frühlingssonne ist Rose der Reim – mir wuchs er zum Hain: –
Was glomm sie auch so helle! Seht, wieder verlockt ihr Schein!
Ich will in Edelzweigen ihr pflanzen im Gartenriede
Die alten Rosenreime – doch neue suchen meinem Liede.


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