Anastasius Grün
Gedichte
Anastasius Grün

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Kern und Schale.

        Ein Schenkhaus, draußen schlicht und klein,
Ein dürrer Kranz als Zeichen;
Doch drin, voll kühlem, goldnem
Wein Ein Keller sondergleichen!

Am Fenster manch zerbrochner Topf,
Drin blühende Rosen schwanken;
Am Schenktisch manch ein ernster Kopf,
Drin fröhliche Gedanken!

Ein Kirchlein, halb verfallen schon,
Die Pforte morsch und enge;
Doch drinnen Andacht, Orgelton
Und Trost und Liederklänge!

Ein blinder Kutscher, lahme Pferd',
Ein alter Karr'n im Sande,
Doch drin im morschen Kasten fährt
Die schönste Maid im Lande!

Ein graues kahles Felsental,
Drin frische Quellen rinnen;
Ruinen alt, verwittert, fahl,
Doch grüner Efeu drinnen!

Ja, seht mich selbst, den Wandersmann,
Gebräunt vom Sonnenbrande,
Mit grauem Kittel angetan,
Beschneit von Staub und Sande!

Doch ist mir in der Brust das Blühn
Des Frühlings aufgegangen,
Mit blauem Himmel, frischem Grün,
Gesang und Blumenprangen!

Ja, zweierlei ist Schal' und Kern!
Den Spruch hab' ich erwandert!
Und zweifelt wer an ihm, ihr Herrn,
Knackt Nüsse, oder wandert!


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