Anastasius Grün
Gedichte
Anastasius Grün

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Des Zechers Grab.

        Der Bach tief unterm Klippenhang
Rauscht in Sirenensängen,
Daß, hart am Felsrand, schwindelbang,
Gekrümmt, die Fichten hängen.

Am Kreuz von Holz spricht noch davon
Die Schrift mit trunknem Lallen,
Daß ein bezechter Alpensohn
Sich hier zu Tod gefallen.

Und wie ich lauschend Aug' und Ohr
Geneigt zur Abgrundstiefe,
Da war mir's, als ob draus empor
Dumpf eine Stimme riefe:

»Zechbrüderlein, hilf mir doch aus
Dem Felsenkeller wallen!
Sieh, in ein leeres Faß, o Graus.
Bin ich dahier gefallen!

Durchs Spundloch leuchtet karg und gelb
Der Tag in meine Tonne:
Dein Himmel ist mein Faßgewölb',
Mein Spundloch deine Sonne!

Und wenn dies karge Licht verschwand,
Dann funkelt Weinsteinglimmer
An meines Fasses dunkler Wand!
Du nennst es Sternenschimmer!

Was rauscht da? Weinflut hör' ich voll
Aus offnen Zapfen jagen!
Dir ist's ein Bach! Nein, Wasser soll
Sich doch zu mir nicht wagen!

Träum' ich im grünen Friedhofraum
Bei Brüdern und Gespielen,
Wo Engel unsrer Stirne Saum
Mit Tannenreisern kühlen?

Nein, Weinlaub seh' ich über mir
In Kränzen lieblich schwanken!
Sprich, oder wehn um Klippen hier
Nur lose Efeuranken?

Ach, und zerfiel sich nicht mein Leib
An Klippen und an Lüften?
Wie Weinesblüt' und Most zerstäub'
Es froh in Schaum und Düften!

Doch du, herabgeneigt zum treun
Vasallen mächt'ger Fässer,
Dein Rausch von Lenz und Sonnenschein
Ist er so gar viel besser?

Wohl bist, wo strauchelnd ich geschwankt,
Du sacht vorbeigeglitten;
Doch bin ich oft, wo du gewankt,
Aufrecht und fest geschritten.

O schlürf ihn ganz, den Goldpokal
Von Frühlingsduft und Rose,
Von Freiheit, Licht und Sonnenstrahl
Und Nachtigallgekose!

Ein süßer Taumel hebt den Schritt
Den Zechern und den Dichtern,
Wo scharfer Kies die Fersen schnitt
Den Armen, die da nüchtern!

In diesen Abgrund sinkst du nicht,
Doch anderswo in einen!
Geb' einen Traum, so schön und licht,
Der Herr dir dann, wie meinen!«


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