Anastasius Grün
Gedichte
Anastasius Grün

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Einem Freunde.

1.
        Glücklicher, dir ward gegeben
Gar ein schöner großer Schmerz,
Für dein ganzes reiches Leben,
Für dein ganzes volles Herz!

Eine Sonnenblume deuten
Möcht' ich deinen tiefen Schmerz,
Die, all deine Tageszeiten
Grüßend, kreiset um dein Herz.

Wär's nur Unkraut deiner Schmerzen,
Unmuts dürftig Dornenreis,
Spräch' ich: Reiß es aus dem Herzen,
Gib es allen Winden preis!

Spräche: Laß es nicht umstricken
Wuchernd deinen Lebenspfad,
Laß das Schlingkraut nicht erdrücken
Deine junge Rosensaat!

Doch es ward im Gartenraume,
Welchen sonst du nennst dein Herz,
Wohl zum höchsten grünen Baume
Dieser heil'ge große Schmerz;

Eine Palme, der Gehege
Deines Gartens Kron' und Preis,
Und zu der sich alle Wege
Schlängeln schön zurück im Kreis!

Die ihr Haupt hoch in den Himmel,
Wurzeln tief zur Erde kehrt,
Daß du zweifelst, ob dem Himmel,
Ob der Erde sie gehört?

Hingestellt so zwischen beide
Als die schönste Mittlerin,
Wächst sie auf der Blumenheide
Wipfelnd in die Sterne hin.

Laß kein Blättlein ihr entwenden
Durch der Lüfte Schmeichelspiel!
Laß unheil'ge Hand nicht schänden
Ihres Stammes schlanken Kiel!

Halte fern die Efeuranken,
Welche Menschentrost drum schwellt,
Die den Baum nicht machen wanken,
Doch durch die sein Schaft entstellt!

Nicht bedarf's, ihn zu begießen,
Deiner Tränen köstlich Naß;
Früh- und Abendtaue fließen
Ja auf ihn ohn' Unterlaß.

Aus den stillen grünen Matten
Rag' er schweigend, hoch, allein!
Einst in seinem Abendschatten
Wird ein süßer Schlummer sein.

 
2.
Einst an jenem großen Tage,
Wenn wir treten allzumal
An des Ew'gen Hofgelage
In den offnen Himmelssaal:

Da wird bang manch Herz erzittern,
Scheu gesenkt sein manch ein Blick;
Doch dein Herz, das wird nicht zittern
Und nicht senken sich dein Blicke

Und dein Fuß, der wird nicht wanken,
Schreiten wirst du fest und grad,
Nicht wie einer, der zu danken,
Nein, wie der zu fordern naht!

Wie im Fürstensaal der Arme
Stolzen Auges rings erblickt,
Daß mit seinem Schweiß und Harme
Sich die Majestät hier schmückt!

Wenn du zu des Ew'gen Füßen
Einen Blumenozean
Siehst in Farbenwogen sprießen,
Rufst du frei und kühn hinan:

»Herr, von diesen Rosen eine
War schon einst als Knospe mein!
Arm ward ich, seit sie die deine,
Du nicht reicher, seit sie dein!«

Eine Glorie siehst du wallen,
Die das Haupt des Ew'gen kränzt,
Aus den Morgenröten allen,
Die der Erde je geglänzt.

Ohne Scheu wirst du nun fragen:
»Herr, vom Lichtkranz, der dich ziert,
Hätte meinen Erdentagen
Nicht wohl auch ein Strahl gebührt?«

Harfen schlagen Engelchöre
Um des Allgewalt'gen Thron,
Und du rufst mit einer Zähre,
Furchtlos, doch im Schmerzenton:

»Herr. es war zum Erdgeleite
Einer dieser Engel mein!
Du nahmst mir ihn von der Seiten –
Hergewankt bin ich allein!«


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