Anastasius Grün
Gedichte
Anastasius Grün

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Elfe und Kobold.

        Stehn zwei Sennenhütten ferne,
Wo die Alpenwiese lacht,
Ob den Giebeln halten Sterne,
Blumen vor der Schwelle Wacht.

In dem Moos der einen Hütte
Schläft die blonde Sennin leis;
Welches Alpenkind bestritte
Ihr der Schönheit ersten Preis?

Daß mein Aug' noch Schönres labe,
Müßt' ich wandern wahrlich weit,
Wenn du, schöner Jägerknabe,
Nicht ihr lägest hier zur Seit'!

Und der Elf', der weiße feine,
Der dies Hüttlein treu bewacht,
Legt zu Häupten ihnen eine
Frische Rosenknospe sacht.

Als das Knöspchen aufgegangen
War zur blüh'nden Rose kaum,
Hat die Schlummernden umfangen
Gar ein lieblich süßer Traum.

In dem Moos der andern Hütte
Schläft die braune Alpenmaid;
Welch Gebirgskind wohl bestritte
Ihr den Preis der Häßlichkeit?

Daß Unholdres ich entdecke,
Müßt' ich wandern wahrlich weit,
Wenn du, Köhler, schwarzer Recke,
Nicht ihr lägest hier zur Seit'!

Der Kobold, der braune Kleine
Der dies Hüttlein treu bewacht,
Legt zu Häupten ihnen eine
Frische Rosenknospe sacht.

Als das Knöspchen aufgegangen
War zur blüh'nden Rose kaum,
Hat die Schlafenden umfangen
Gar ein lieblich süßer Traum. –

Morgens, als erzählt ihr Träumen
Dieses sich und jenes Paar,
Mocht' es sich gar seltsam reimen,
Daß derselbe Traum es war!

Morgens als im Himmelsgarten
Früh der liebe Gott spaziert,
Seine Blumen mild zu warten,
Deren Pracht sein Haus umziert;

Fand er alle blühn zum Besten,
Sonnenrosen üppig glühn,
Feuerbüsch' in Flammenästen,
Sternenblumen duftig sprühn;

Nur vom blühendsten Gesträuche,
Das ganz voll von Rosen stand,
Kamen nachts ihm zwei ganz gleiche
Schöne Knospen heut' abhand.


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