Anastasius Grün
Gedichte
Anastasius Grün

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Romanzen.

Das Wiegenfest zu Gent.

          Es steht eine goldene Wiege
Am Fuß des Herrscherthrons,
Der Fürst beschaut sich die Züge
Des neugebornen Sohns.

Rings an des Thrones Wänden,
Den Mund an Wünschen reich,
Stehn, nicht mit leeren Händen,
Die Großen in dem Reich.

Frau Margaret, die Holde,
Bracht' ihr Geschenk nun dar.
Ein Kindlein war's von Golde
Gar künstlich, wunderbar.

Es ruht in des Kindes Händen
Von klarem Kristalle fein
Ein Kelch voll schimmernder Spenden
An Perlen und Edelstein.

Und als mit ihrer Gabe
Sie trat zum Wieglein vor,
Da sah wohl auch der Knabe
Die erste Rose in Flor.

Sie sprach: »O wahre immer
Den Kindersinn so rein,
Der Erdengüter Schimmer
Bleibt dir dein Spiel und Schein!«

Drauf trat der Wieg' entgegen
Von Bergen der Dynast,
Er bracht' einen güldnen Degen,
Drein manch Juwel gefaßt;

Auch eine Schärpe von Seide,
Darauf ein Phönix von Gold;
Zu all dem goldnen Geschmeide
Noch eine Lehre von Gold:

»Sei stark! Dich schützend schwinge
Die Kraft ihr Schwert von Erz!
Sei mild! Die Milde umschlinge
Als weiches Band dein Herz!«

Dann trug zwei Himmelsgloben
Der Astronom herein,
Drauf Sonn' und Gestirn' erhoben
Aus Schmelz und buntem Gestein:

»Nach oben schaue gerne,
Blick oft zum Licht empor,
Dann nehmen wohl auch die Sterne
Dich auf in ihren Chor!«

Es kam ein Prälat gegangen,
Der eine Bibel trug
Mit diamantnen Spangen
Und goldnem Deckel und Bug:

»Willst du in Schlummer dich neigen,
Das süßeste Kissen ist hie!
Willst in den Himmel du steigen,
Die beste Staffel ist die!«

Stadt Gent, die sandt' als Spende
Ein Schiff von seltnem Bau,
Von Silber waren die Wände,
Die Masten, Segel und Tau'.

Und auf der silbernen Flagge,
Da stand in Gold dies Wort:
»Vertraue, hoffe, wage,
Dann steuert dich Glück zum Port!«

Drauf nahte Heinz von Yssel,
Das war des Herzogs Narr,
Der bracht' auf großer Schüssel
Einen kleinen Kirschkern dar:

»Ein Samenkern in der Erden,
Dir, Wiegenkind, ist er gleich!
Aus beiden kann noch was werden,
Die Keime ruhn in euch.

Ich will in die Erd' ihn bauen,
Zum Denkmal dir geweiht!
Einst magst du kommen und schauen,
Wer besser von euch gedeiht?

Und wird er dir Frucht einst reichen,
O Knäblein, werfe nicht
Dann mir und meinesgleichen
Die Kerne ins Gesicht!«

Er pflanzt' im Garten daneben
Den Kern gar sorgsam ein;
Das freilich konnt' er nicht geben,
Was ihm noch fehlt zum Gedeihn:

Der Erde warmen Segen,
Tauperlen spät und früh,
Und Sonnenschein und Regen!
Die kamen, man weiß nicht wie?

Noch spendeten viel die Gäste,
Längst schlief das Kind schon ein;
Jedoch der Gaben beste
Die konnten sie ihm nicht weihn:

Dem Herzen Lieb' und Treue
Und Kraft für manche Last,
Dem Geiste Licht und Weihe,
Wohl kamen im Schlaf sie fast!

Der Keim schoß auf zum Baume,
Geschmückt mit Laub und Frucht,
In dessen schattigem Raume
Sich Schirm der Waller sucht.

Das Kind, das die Wiege hüllte,
Ein Mann ward's, Fürst und Held,
Der fünfte Karl erfüllte
Mit seinem Namen die Welt.


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