Anastasius Grün
Gedichte
Anastasius Grün

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Ein Schloß in Böhmen.

              In Böhmens Bergen hocheinsam liegt
In Trümmern eine Feste,
Dran Efeu sich statt des Mörtels schmiegt,
Drin Geier die schmausenden Gäste.
Der Feind zerbrach einst Wall und Turm,
Gebälk und Getäfel fraß der Wurm,
Die Zeit verrieb die Reste.

»O Wunderblick ins Tal hinein
Und über die Berg' und Lande!
Raff' auf die Knochen, dein morsch Gestein,
Steig auf im alten Gewande,
Du Leiche jetzt, o Väterschloß,
Ersteh' zum Leben neu und groß,
Ein Schmuck und Stolz dem Lande!«

Der junge Ritter sprach's und gebot;
Die Felsen im Bruch zerknallen,
Im Flammengewölk' der Kalkstein loht,
Die Riesen des Forstes fallen,
Und stämmige Stiere keuchen bergan
Mit Sparren und Quadern, mit Sims und Altan,
Mit Balken und Säulen der Hallen.

Hei, an den Bau griff Hand an Hand,
Ein Tagwerk gab's aufs Beste:
Der neue Bau zwier mannshoch stand
Schon über dem Trümmerreste.
Doch weh, was der Tag zu Werk gebracht,
Zerfallen ist's wieder über Nacht,
In Schutt liegt morgens die Feste.

»O schlechter Mörtel, schlechte Hand!
Gebt Kraft ihm mit starkem Weine
Und zwingt mit eiserner Klammern Band
Die ungehorsamen Steine!«
Und so geschah's, doch über Nacht
Zerfiel, was der Tag zu Werk gebracht;
Nur Trümmer im Morgenscheine!

Zum Ritter tritt ein Werkmann alt:
»Sieh hin und uns nicht fluche:
Das Rüstholz liegt, wo sie's fällten, im Wald,
Die Quadern unten im Bruche!
In solcher Art kein Bau zerfällt,
Den hat ein gewaltiger Feind zerschellt!
Laß Wächter stehn dem Besuche.«

Die Wächter lehnen bei Nacht am Wall.
Da fächeln so lau die Weste,
Der Mond bestreut ihr Aug' mit Metall,
In Träumen flüstern die Äste;
Da schlummern sie leise, leise ein.
Man fand sie am Morgen unterm Gestein,
In Trümmern lag die Feste.

Der Ritter sprach: »Nur Mut bewahrt!
Ans Werk, und laßt das Trauern!«
Das geht nicht zu in rechter Art,
Denkt er bei sich mit Schauern.
Gen Kloster Kukus trabt er dann:
»Herr Abt, o schließt des Segens Bann,
Ihr könnt's, um meine Mauern!«

Zu Nacht umwallten des Tages Bau
Der Abt und seine Genossen,
Der Weihrauch wirbelt' ins nächt'ge Blau,
Vom Glanz der Fackeln umflossen.
Sie trugen ihm Kreuz und Weihbronn vor,
Der Mönche Lieder in ernstem Chor
Sich durch die Nacht ergossen.

Seht dort, behelmt, langbärtig am Wall
Von riesigem Leib drei Recken,
Seht sie im Harnisch von dunklem Metall
Drei Äxte hochauf strecken!
»Im Namen des Herrn, der dem All gebeut.
Ihr Söhne der Nacht, steht Rede heut'!«
Der Abt rief's fast mit Schrecken.

Drauf aber erhoben die drei das Wort,
Kein irdisch Singen noch Sprechen!
Ein Brausen war's des Walds, der verdorrt,
Ein Rauschen von wallenden Bächen,
Ein Todesjubeln der Glock' im Turm,
Ein Herbstfrohlocken, das der Sturm
Aufjauchzt über Stoppelflächen:

»Ihm Ruhm und Lob! Ihm Preis und Ehr'!
Wir fliehn nicht vor seinem Namen.
Hier ist kein Haus für Lebend'ge mehr,
Hier reift des Todes Samen.
Der Herr sprach: Tötet nicht, was da lebt,
Doch auch ins Leben zu wecken bebt,
Was dem Tode verfallen! Amen.

Nie grünt der Baum, den gefällt dein Beil,
Nie glimmt der Stern, der verlodert,
Nie grast der Hirsch, den erlegt dein Pfeil;
Was des Todes, nicht heim mehr fodert!
Nie mehr wird blond dein Schneehaupt, Greis,
Nie weckt den toten Leib dein Geheiß,
Noch minder den Geist, der modert!«

So sprachen sie; abschütteln dabei
Ihr dürres Laub die Äste!
Die blanken Äxte schwingen die drei,
Da bekreuzen sich fromm die Gäste;
Ein mächtiger Schlag, ein donnernder Knall,
Ein Staubgewölk, ein dröhnender Fall!
In Trümmern liegt die Feste.


 << zurück weiter >>