Anastasius Grün
Gedichte
Anastasius Grün

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Goethes Heimgang.

        Süß mag das Aug' des Sterbenden sich schließen,
Der Freundestränen auf der Stirne fühlt,
Die drauf wie eine Todestaufe fließen,
Daß sich der bange Schweiß des Sterbens kühlt.

Doch Götterlos ist's, unbeweint zu scheiden,
Wenn man der Tränen und der Trauer wert!
Wozu soll eine Seele um sie leiden,
Wenn die Vollendung zu den Sternen fährt?

Ja, Götterlos ist's, unbeweint zu scheiden,
Zu scheiden wie der Tag im Abendrot.
Er gab uns Wärme, Licht genug und Freuden,
Und zieht dahin, weil seine Zeit gebot!

Zu fallen wie ein Feld voll goldner Ähren,
Die schlank gewallt im grünen Jugendkleid,
Doch nun ihr lastend Haupt zur Erde kehren.
Wer weint darob, daß es nun Erntezeit?

In Nacht zu sinken wie des Meeres Wogen,
Drauf Sonnenglanz, Goldwimpel, reiche Fracht,
Gesang und Schwäne tagesüber zogen –
Die Zeit ist um, ihr Recht will auch die Nacht!

Und zu zerstäuben. wie die flücht'ge Wolke!
Sie hat Gedeihn geregnet auf die Flur,
Den Friedensbogen hell gezeigt dem Volke,
Und löst sich nun in leuchtenden Azur.

So schied auch er, der nun dahingegangen,
Der hohe Mann, der kräft'ge Dichtergreis,
Auf dessen Lipp', auf dessen bleichen Wangen
Der Kuß des Glücks noch jetzt verglühet leis.

Ein kalter starrer Arm, reglos gebeuget,
In dem die goldne Leier lichtvoll blitzt;
Ein greises Silberhaupt, im Tod geneigt
Drauf immergrün der frische Lorbeer sitzt!

Sah dies mein Aug', nie konnt' es Tränen tauen!
Nein, stillbefriedigt, ruhig, glanzerhellt
Mußt' unabwendbar drauf es niederschauen. –
Fürwahr durch eine Träne wär's entstellt!


 << zurück weiter >>