Anastasius Grün
Gedichte
Anastasius Grün

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Lubomirski.

            Schweigend durch der Straßen Leere
Zog Fürst Sobieski ein,
Der zerstäubt der Türken Heere,
Treues Wien, dich zu befrein!

Schweigend Polens Edle zogen,
Hoch zu Roß um ihren Herrn,
Wie ein farb'ger Regenbogen
Um den hellen Abendstern.

Trüber Sieg voll Bruderleichen!
Perle, deren Taucher sank!
Erntefest nach Hagelstreichen,
Ohne Lied und Tanz und Schwank!

Schweigend reiten die Genossen;
Nur den Winkeln eines Munds
Will schon Lust und Scherz entsprossen,
Frühe Blumen üpp'gen Grunds!

Lubomirski war der Reiter,
Dessen Auge nie geweint,
Immer wolkenlos und heiter,
Wie die Sonn' im Süden scheint.

Jeden Schmerz konnt' er verscheuchen
Durch ein lustig Zauberwort,
Wie das bleiche Haupt der Leichen
Man mit frischem Kranz umflort.

Jedem Unheil konnt' er wehren,
Froher Sinn es sanft bezwang,
Wie zum Tanz den Grimm des Bären
Wandelt der Masurka Klang.

Er begrüßt die wohlbekannten
Straßen rings, die Hochschul' dort,
Der ihn einst die Eltern sandten
Als der Weisheit sichrem Port.

Und er ward ihr treuster Jünger
Doch, wie's eben kommen mag,
Auch des Tanzsaals bester Springer,
Erster Zecher beim Gelag.

Aber jetzt rings Trümmermassen,
Schutt und Asche, blutbenetzt,
Blickend über Plätz' und Straßen
Spricht der Polenjüngling jetzt:

»Schönes Wien, wie arg zerschossen!
Fast zu kennen bist du nicht,
Wie wenn Pockengift durchsprossen
Eines Bräutchens hold Gesicht.

Leer an Gästen deine Schenken,
Frohsinns Tempel schönrer Zeit!
Ungestört in leeren Bänken
Lehnt jetzt Göttin Einsamkeit.

Statt des feurig goldnen Nasses
Mild erwärmend Herz und Leib,
Quillt aus dem Versteck des Fasses
Jetzt der Wirt mit Kind und Weib.

Weinlaubkranz! An leere Fässer
Sei kein Durstiger geneckt!
Zierst mein junges Haupt viel besser,
Das manch lust'gen Gast dir heckt!

Fiedler, Pfeifer, Lautenträger,
Laßt ihr ohne Klang uns ziehn?
Zitherspieler, Hackbrettschläger,
Lustig Volk, wo seid ihr hin?

Manches Stücklein auf den Schanzen
Aufzuspielen frisch es galt!
Drum, käm' heut' uns Lust zu tanzen,
Fehlte uns manch ein Spielmann bald.

Wo ein Musikant begraben,
Strauchelt jeder Fuß im Troß;
Wirft nur drob nicht in den Graben
Sprichwortskundig mich mein Roß!

Göttlich war's zu schwärmen nächtlich
Diese Straßen aus und ein,
Sich halb taumelnd, halb bedächtlich
Vollern Lebensquells zu freun!

Wer mag jetzt bei Nacht durchwallen
Dieses Friedhofs Schutt und Stein,
Arm und Bein sich dran zerfallen
Und die Nase rennen ein?

Hohe Schule, deine Hallen
Sind gesperrt, verrammelt gar,
Tatest nie mir den Gefallen
Sonst, als eben recht mir's war!

Nehmt, ihr grasbewachsnen Türen
Öden Säle, meinen Gruß!
Wo Kartaunen laut dozieren,
Wohl die Weisheit schweigen muß.

Musensöhne, statt zu plagen
Euch da drinnen mit Latein,
Habt ihr euch gut deutsch geschlagen
Draußen auf dem Wall im Frein!

Dort zum vierten Stockwerk lange,
Doch umsonst mein Auge blickt,
Ob, wie einst, vom Fensterhange
Lieblich nicht mein Röslein nickt?

Steil zu klimmen war's zur Rose,
Blühte etwas hoch fürwahr!
Ei, es war die schöne, lose
Wohl ein Alpenröslein gar!

Mußt' ihr zart Gesicht erblassen?
Schmückt sie eine andre Au?
War der Sturm, der diese Straßen
Durchgefegt, ihr nicht zu rauh?

Schönes Wien, leg ab die Trauer,
Nicht zum Weinen taugt dein Blick!
Trag auf deine Trümmermauer
Das Panier der Lust zurück!

Sangvoll wiegend im Behagen
Über dir im Sonnenschein
Will ich nach so trüben Tagen
Deine erste Lerche sein!

Deines blätterlosen Haines
Erstes Zweiglein, grün und hell,
Deines Schutt- und Felsgesteines
Erster, freud'ger Springequell!«

Also sprachst du, heitrer Pole;
Längst vermodert ist dein Herz,
Längst schon hob aus Schutt und Kohle
Wien das Antlitz sternenwärts.

Sieh, voll Rosen auf und nieder
Jeglich Stockwerk jetzt und Haus!
Denn die Rosen und die Lieder,
Heißt es, gehn in Wien nie aus.

Straßen blinkend voll Paläste,
Keller voll von süßem Wein,
Schenken voll Musik und Gäste!
Darfst um uns besorgt nicht sein.

Doch zur Ferne sieh, nach deinem
Armen, schönen Vaterland,
Und du lernst im Grab das Weinen,
Das du lebend nie gekannt.


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