Anastasius Grün
Gedichte
Anastasius Grün

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Gimpel.

        In des Waldes Kathedrale
Rauscht das Laub als Sonntagsglocken,
Glühn als goldne Ampelstrahle
Hell der Sonne Lichterflocken.

Und die gläub'gen Vögel wallen,
Sonntaglich an Leib und Feder,
Zu des Buchbaums grünen Hallen,
Wo ein Ast ragt als Katheder.

Dompfaff Gimpel predigt dorten,
Der die Fraun und Herrn begeistert,
Weil er klug mit Salbungsworten
Jene rührt und diese meistert.

Läßt nicht gut von schwarzem Sammet
Ihm das Soli-deo-käppchen?
Rot die Domherrnweste flammet,
Zierlich fällt das schwarze Schleppchen.

Seine engbestrumpften Beine
Weiß er anstandsvoll zu stellen,
Dem Asketeneifer seine
Weltmanieren zu gesellen.

»O ihr Sünder, unbußfertig,
Wandelnd auf des Irrsals Wegen,
Seid des Götterzorns gewärtig,
Der euch allwärts droht entgegen.

Meidet die Gewohnheitsünden
Kirschen, Hanfkorn, Weizenähren,
Laßt euch nicht von Lust entzünden
Zu Wacholders schnöden Beeren!

Denn Leimruten, Netze, Kloben
Drohn euch dort als Fegefeuer,
Drin in Qual ihr werdet toben,
Und aus dem Befreiung teuer.

Wehe! Den verstockten Bösen
Gähnt die Hölle Vogelbauer.
Daraus nimmer ein Erlösen,
Drin der Pips und ew'ge Trauer!

Nun geht heim und unbetöret
Weiter am Wacholderhage;
Denkt der Predigt, bis ihr höret
Deren Ende heut' acht Tage.«

Doch am nächsten Festesmorgen
Unbesetzt ragt der Katheder;
Wo der Pred'ger sich verborgen,
Sucht mit Angst und Neugier jeder.

Am Wacholder düstre Reste!
An den Kloben sein Gefieder!
Ein Stück Mantel, ein Stück Weste!
Ach, kein Auge sah ihn wieder.


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