Anastasius Grün
Gedichte
Anastasius Grün

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Im Batisterio zu Florenz.

        Die ihr nach des Meisters Worten
Himmelspforten wert zu sein,
Kunstgeformte, ehrne Pforten,
Laßt den deutschen Wandrer ein!

Düstre, dunkle Taufkapelle,
Deiner heil'gen Nacht entfleußt
Manch ein Strahl der Himmelshelle,
Senkend sich in meinen Geist.

Vor mir steht ein greiser Priester,
Segen betend für ein Kind,
Und des heil'gen Bornes gießt er
Auf des Täuflings Stirne lind.

Meine Hände möcht' ich legen
Auf das Kind, ich fremder Mann,
Während längst mein voller Segen
Lind und leis sein Haupt umrann;

Segen, der wie Frühtaus Fallen
Dieses Menschenpflänzchen tränkt
Süß und überreich mit allem,
Was ein Leben Schönes denkt!

Schließt euch wieder, Himmelspforten,
Denn sein Erdenlauf beginnt!
Wandernd fort zu fernen Orten,
Seh' ich nie dich wieder, Kind!

Knab' und Mann wirst du in Jahren,
Ungestalt vielleicht und wild;
Doch ich werd' es nie erfahren,
Ach, ich seh' dich schön und mild!

Hunger wird dein Aug' verwildern,
Armut bringt vielleicht dir Qual!
Ach, in meines Segens Bildern
Sitzest du am Freudenmahl!

Deiner Mutter Pulse stocken,
Dich verrät des Freundes Wort!
Ach, nicht hör' ich jene Glocken,
Und nicht hör' ich jenes Wort!

Und es höhnte dich, dir fluchte,
Die du einzig liebst, o Graus!
Ach, in meinem Sinn doch suchte
Ich die treuste Braut dir aus!

Botst dein Herz, gequält vom Leben,
Jung dem eignen Schwerte dar!
Ach, ich hab' dir doch gegeben
Gar so schönes weißes Haar!

So vielleicht dem Fluch erlegen,
Der dein Erdenlos gebannt,
Ahnst du's nie, wie einst der Segen
Fromm an deiner Wiege stand;

Wie der Mann aus fremder Ferne,
Betend über dich gebeugt,
Mit des Segens Born dich gerne,
Junges Pflänzchen, großgesäugt.

Bist der schöne Baum mitnichten,
Den er freudig ragen hieß!
Darbst an Blüten, kargst mit Früchten,
Die er reich dich tragen ließ!

Doch, verarmt an Blütenschimmer,
Und in Stamm und Mark verdorrt,
Blühst im Herzen mir noch immer
Du dein blühend Leben fort.


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