Anastasius Grün
Gedichte
Anastasius Grün

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Der Ritt zur Schule.

              Am Kloster San Lorenzo
Ein Bauer leise schellt,
Der am verbrämten Zaune
Fest seinen Esel hält.

Das Tier wiegt auf dem Kopfe
Stolz seinen Federschwall,
Als wär's in seinem Volke
Schier Hof- und Feldmarschall.

Es trägt auf seinem Rücken
Den Korb von ries'gem Maß,
Dazu des Bauers Söhnlein
Und Hühnerstall und Faß.

Das Kind steckt in der Kutte
Just nach des Paters Schnitt,
Der aus der Klosterpforte
Gar feierlich jetzt tritt.

So stehn die zwei beisammen,
Wie Löwenkatz' und Leu,
Wie Eidechslein und Kaiman,
Wie Goldfischlein und Hai.

»Nehmt, Vater, nehmt mein Söhnlein
Mild auf in Lehr' und Zucht.«
»»Mein Sohn, sei uns willkommen.
Es findet, wer da sucht!««

»Mein Vater, und wer klopfet,
Dem wird ja aufgetan;
Gern legte sich zu Füßen
Euch dieser Puterhahn.«

»»Mein Sohn, es ist die wahre,
Die fromme Furcht des Herrn,
Die in der Nacht des Lebens
Erglänzt als heller Stern.««

»Mein Vater, laßt Euch munden
Den Trank aus diesem Faß;
Orvietos Fluren quollen
Noch nie von süßrem Naß!«

»»Mein Sohn, 's ist Nächstenliebe,
Die schön das Dasein krönt,
Gleichwie die Rebgirlande
Dein Schollenfeld verschönt.««

»Mein Vater, Artischocken
Und Broccoli, wie die
In diesem Korb zu Schocken,
So schöne saht Ihr nie!«

»»Mein Sohn, es ist die Tugend
Der Samen, den wir sä'n;
O mag das Herz der Jugend
Voll ihrer Saaten stehn!««

Auf led'gem Esel trabte
Der Bauersmann davon,
Der Weisheit Lehre labte
Alsbald den zarten Sohn.

Fast hört' er den schon klagen:
»O arge, böse Zeit!
Die Tugend wird gesotten
In Kesseln, groß und weit!

Und, ach, die Nächstenliebe
Verblutet im Kellerverließ!
Die Furcht des Herrn, erdrosselt,
Brät an dem langen Spieß!«


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