Anastasius Grün
Gedichte
Anastasius Grün

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Der gefangene Räuber.

            Von Sabinerbergen nieder
Wallt das braune Räuberweib,
Schmiegend ihres Knäbleins Glieder
Sorglich fest an ihren Leib.

Wie sie tritt durch Romas Pforte,
Glocken, Trommeln und Gebet!
Ist's ein Fest, ist Markt am Orte?
Beides hier gar nahe steht!

Feierklänge von Sankt Peter!
Dudelsack hier schnarrend grell!
Possen reißen heil'ge Väter,
Salbung predigt Pulcinell.

Affen, Scharlatane, Springer,
Auf dem Seile Gauklertritt!
Jetzt an fremder Bestien Zwinger
Lenkt das Räuberweib den Schritt.

Ab und auf in wildem Satze
Tobt ein Königstiger hier,
An den Käfig schlägt die Tatze,
Glühend flammt das Aug' dem Tier.

»Mutter, warum sperrt das gute,
Schöne Tier so fest man ein?«
»»Kind, weil's durstig ist nach Blute,
Weil's unbändig, wild im Frein.««

Ruhig nebendran im Bauer
Sitzt ein fremdes Täublein zart,
Senkt das Haupt in milder Trauer
Ins Gefieder weißbehaart.

»Mutter, warum schließt dies gute,
Fromme Vöglein auch man ein?
Dieses lechzt doch nicht nach Blute?«
»»Kind, weil's trägt zwei Flügelein.«« –

Kapitols Steintreppen stiegen
Sie empor im Menschenstrom,
Wo gesehn nach Kränzen fliegen
Seine alte Kraft einst Rom!

Wo es jetzt auch seine echte,
Ungeschwächte, rauhe Kraft,
Doch gefahn, in Kerkernächte,
Seine Räuber, hingeschafft!

Seht dort der Gefangnen einen
Rasch, am Fenster, pfeilgeschwind!
Zu ihm hebt das Weib den Kleinen:
»»Siehe deinen Vater, Kind!««

Auf das Kind durch Eisenstangen
Blickt der Mann so blaß und mild,
Herzt es lachend, ob die Wangen
Tränenflut auch überquillt;

Überdeckt ihm ganz mit Küssen
Zärtlich Wang' und Äugelein;
Und das Kind hat denken müssen
Jener Taube, fromm und rein.

Nun sie Lebewohl ihm sagen,
Sträubt sein Haar sich auf in Wut,
Seine Fäust' ans Gitter schlagen,
Und sein Auge rollt in Glut!

Doch die Mutter fest umfangend,
Flieht das Kind dies grause Bild;
Und gedenken muß es bangend
Jenes Königstigers wild.


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