Anastasius Grün
Gedichte
Anastasius Grün

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Um einen Pfennig.

                Zu Hofe ruft viel frohe Gäst'
Der Herzogstochter Hochzeitfest.
Der Narr tritt vor des Herzogs Thron:
»Ich fand ein neu Gefäll der Kron',
Es bringt manch schönen Pfennig.

Den Wink des Augenblicks erfaßt!
Und zu dem Fest der Schönheit laßt.
Was unschön, nur mit Zoll herein;
Ich aber, Herr, mag Zöllner sein,
Die Taxe nur ein Pfennig.«

Am Stadttor gibt dem Volke kund
Ein Pfahl in Landesfarben bunt:
»Nur schönen Leib laßt frei zum Fest;
Wer ungestalt, löst sein Gebrest
Per Stück mit einem Pfennig.«

Ei, das stolziert! das prunkt um die Wett'
Samtmäntel, Goldschärpen, Federbarett!
Von schmucken Junkern ein glänzender Zug.
Dem Zöllner bringt er Unlust genug:
»Da setzt's wohl keinen Pfennig!«

Doch dort am Flügel das Junkerlein,
Sieht's nicht, als ob es schiele, drein?
Der Zöllner kann's nicht genau ersehn,
Drum mag er nur ganz schüchtern flehn:
»Schön Herrlein, meinen Pfennig!«

Der Junker schlägt ihm die Gert' ins Gesicht
Und stottert im Zorn: Betrunkner Wicht!
Der Zöllner doch hörte genau zur Frist,
Daß das Herrlein auch ein Stammler ist:
»Drum noch den zweiten Pfennig!«

Und in die Zügel greift er dem Pferd,
Das scheut und wirft den Reiter zur Erd',
Im Fallen entfleucht Hut, Haar und Schopf,
Der Zöllner erschaut den kahlen Kopf:
»Und. aber einen Pfennig!«

Das Pferd reißt aus und sprengt feldein,
Der Mähre nach das Junkerlein,
Doch schleppt's ein hinkendes Bein gar schwer,
Drum keucht der Zöllner hinterher:
»Und wieder einen Pfennig!«

Jetzt hält er den Reitermantel fest,
Den ihm in den Händen der Flüchtige läßt;
Des Zöllners Auge sogleich entdeckt
Den Höckern nicht mehr vom Mantel versteckt:
»Und aber einen Pfennig!«

Was weiter geschah mit dem Junkerlein?
Vielleicht noch sitzt es am Straßenrain,
Und denkt und spricht dem Wandrer zur Lehr':
»Wie leicht ich ein schöner Junker noch wär!
Freund, zahle deinen Pfennig!«


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