Anastasius Grün
Gedichte
Anastasius Grün

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Die Wunder.

        Willst du es sehn, wie lohe Flammenglut
Beisammen friedlich wohnt mit Wasserflut,
Wie beide ineinander frei bestehn,
So mußt du ihr ins klare Auge sehn;
Drin wohnt ein Feuer wie die Glut der Sonne,
Draus siehst du wie aus glühem Flammenbronne
Oft klar den Perlenquell der Tränen taun,
Kannst Glut in Flut und Flut in Gluten schaun.

Willst du auch sehn den Becher wunderbar,
Draus tötend Gift und Honig süß und klar
Mit einem einz'gen Zug man saugen kann:
O blicke ihren Rosenmund nur an!
Der Wunderbecher sind die Purpurlippen,
Draus Süß und Herb mit einem Zug zu nippen,
Ein Honigseim, der's Herz belebt und nährt,
Ein Gift, das wild am Lebensmarke zehrt.

Und kennst das goldne Wundernetz du nicht,
Wo sich kein Faden in den andern sticht,
Das fest zugleich, wenn locker auch und los,
Manch bebend Herz verstrickt in seinen Schoß?
Siehst du der Lockenhaare goldig Prangen?
Das ist das Wundernetz, das mich gefangen,
Das fest zugleich, wenn locker auch und los,
Mein zitternd Herz verstrickt in seinen Schoß.

Willst du es sehn, wie Ätnas Flammenbrand
Mit Thules eis'gen Schollen sich verband,
Der eine Gottes flammender Altar,
Die andern frostig, kalt und ewig starr?
Das sind wir zwei und unsre beiden Herzen,
Ungleich an Lust, ungleicher noch an Schmerzen,
Das meine wie des Ätnas Brand so heiß,
Das ihre kalt und starr wie Nordpols Eis.


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