Anastasius Grün
Gedichte
Anastasius Grün

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Sturm.

                Es beschaut in Wellenkläre
Sich der Fels, ein schöner Greis,
Durch den See zieht meine Fähre
Leise ihr kristallnes Gleis.

Vorn im Schiff, das Ruder rührend,
Scherzt die schlanke Schifferin!
Hinten, fest das Steuer führend,
Starrt ihr Vater ernst dahin.

Vorn am Schiffe scheint zu glimmen
In der Flut ein roter Schein;
Sind es Rosen, die da schwimmen?
Mädchen, sind's die Wangen dein?

Hinten an dem Steuer blinken
Rings die Wellen silberweiß,
Spiegeln sich der Gletscher Zinken?
Ist's dein Lockenschnee, o Greis?

Doch die Wellen werden rege,
Es verschwinden Ros' und Schnee,
Als ob Geisterhand sie zöge
Nieder in den tiefen See.

Weh, sturmlust'ge Winde fallen
Aus der Felsen Hinterhalt.
See, dein schlummernd Kindeslallen
Als Gigantenfeldschrei hallt!

Ungetüme sind die Wellen,
Bäumend hoch den Leib empor,
Ihre Zottenmähnen schwellen,
Und ihr Rachen heult im Chor.

Ungestüm in tollem Satze
Springen schnaubend sie heran,
Haun die grimme weiße Tatze
In den morschen, schwanken Kahn.

Aber peitschend ihre Flanken
Wild der Greis sein Ruder schwingt,
Bis die Bestienhord' im Schwanken
Knirschend, heulend, ihm entspringt.

Leis die krausen Schädel streichelnd
Rührt die Maid ihr Ruder nun,
Bis, wie Hündchen, wedelnd, schmeichelnd
Alle ihr zu Füßen ruhn.

Nimmer sind die Wellen rege,
Wieder schimmern Ros' und Schnee,
Als ob Geisterhand sie lege
Auf den hellen, stillen See.

War ein Kämpfen das und Kosen,
Abzuringen von dem See,
Mädchen, du die Handvoll Rosen,
Alter, du die Handvoll Schnee!


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