Anastasius Grün
Gedichte
Anastasius Grün

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Hellas.

              Lustig kommt das Schiff geschwommen,
Hat manch fernen Strand geküßt;
Neuer Gast, sei uns willkommen!
Schöner Fremdling, sei gegrüßt;

Trägst ein Röcklein schmuck von Eichen,
Das manch blanke Spang' umfaßt,
Trägst ein gutes Wanderzeichen,
Deinen Strauß: die Flagg' am Mast!

Sei gegrüßt in diesen Wogen,
Hellas' Flagge, blau und weiß!
Blau gleichwie des Himmels Bogen,
Und wie seine Wolken weiß!

Sieht man deinen Himmelsfarben
Doch den teuren Kauf nicht an,
Wieviel Helden für dich starben,
Wieviel Blutes für dich rann!

Ahnt im Blau der Himmelskläre
Ihr das Frührot, dem's entstammt?
Und im stillen blauen Meere,
Wie es jüngst im Sturm geflammt?

Sieh das Schiff geschaukelt linde,
Mit den Wimpeln fächelnd mild,
Gleich der Wiege heitrem Kinde,
Das mit bunten Bändern spielt!

Horch, was brausen jetzt für Lieder?
Ist es eines Menschen Sang?
Oder naht ein Sturm uns wieder,
Dem der schwarze Fittich klang?

Ha, das sind der Helden Lieder,
Ha, das ist hellen'scher Sang!
Und wohl naht der Sturm auch wieder,
Aufbeschworen von dem Klang!

Denn er donnert, wie's von tausend
Klephtenbüchsen einst erscholl,
Wie von allen Bergen brausend
Einst der Ruf der Freiheit schwoll!

Und er klingt wie Schwerterklirren,
Hallt wie ehrner Männer Gang,
Rauscht, wie wenn die Brander schwirren
Durch die Nacht erwartungbang.

Jetzt des Todesengels Fächeln
Über jener heil'gen Schar!
Jetzt des Türken letztes Röcheln,
Schon belauscht vom Leichenaar!

Jetzt Gedröhn, wie wenn die Feste
Ausfliegt mit gesprengtem Wall!
Wie der heil'gen Tempelreste
Grauser, tränenwerter Fall!

Hellas, hast gut angeklungen
Mit den Zungen, mit dem Schwert!
Wahrlich, wer solch Lied gesungen,
Ist wohl auch der Freiheit wert!

Stolz und herrlich schwebt dir wieder
Des Gesanges Schiff heran,
Wehte nur vom Borde nieder
Nicht die schwarze Trauerfahn'!

Wär's mit Leichen nicht beladen!
Zög' durch jeglich Tau nur nicht
Jener rote blut'ge Faden,
Wie ihn Britenbrauch sonst flicht!

Sänger, laß dein Antlitz schauen!
Du bist's, Knabe, lockenreich?
Ei, wie kommt dies Lied voll Grauen
Aus den Lippen zart und weich?

Gleich als ob ein Aar sich schwänge
Aus dem Lilienkelch empor!
Gleich als ob ein Leue spränge
Aus der Rosenlaube vor!

Lerne statt des Blutlieds, Junge,
Lieder, dir an Anmut gleich,
Noch geschmeidig ist die Zunge,
Und die Lippen sind noch weich.

Sing, o Hellas, andre Weisen,
Lehr dein Kind ein ander Lied,
Von dem Kampf, in den das Eisen
Gen die spröde Scholle zieht!

Laß es klingen, wie im Tale
Deiner Schnitter Sichelklang,
Wie der Becher Ton beim Mahle,
Wie von Bergen Winzersang!

Laß es rauschen, wie am Strome
Und in Häusern rauscht dein Fleiß,
Laß es hallen, wie im Dome
Der Gemeinde Dank und Preis!

Säuselnd wie das Blattgewebe
Jenes Kranzes dichtbelaubt,
Welchen Ölbaum, Lorbeer, Rebe
Schlingen, Hellas, um dein Haupt.

Knabe, dann einst steuerst wieder
Du als Greis wohl gen das Land,
Singst die neuen schönern Lieder
Unsern Enkeln vor am Strand.

Manch ein Sang voll Segensbornes
Deinem Munde dann entglüht,
Wie die junge Ähre Kornes
Zwischen zweien Lippen blüht!

Dich umklingt gleich altem Baume
Goldner Bienlein Liederschar,
Du auch weißt's, in deinem Raume
Quillt's von Honig süß und klar.

Und die Lieblichkeit der Lieder
Überglänzt dein Antlitz, Greis,
Wie auf Taygetos hernieder
Morgenrot um schimmernd Eis.


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